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Prorussische Demonstranten in der ost-ukrainischen Stadt Charkiw.

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Update

Konflikt in der Ukraine: EU weitet Sanktionen aus

Im Osten der Ukraine nehmen die Spannungen zu. Die EU weitet jetzt ihre Sanktionen aus. Und Übergangspräsident Alexander Turtschinow setzt Spezialeinheiten gegen pro-russische Separatisten in Marsch.

Als Reaktion auf die zunehmenden Spannungen in der Ostukraine weitet die Europäische Union ihre Sanktionen aus. „Angesichts der jüngsten Ereignisse haben wir beschlossen, die Liste derjenigen zu erweitern, die mit Kontosperren und Einreiseverboten belegt werden“, sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Montag nach einem Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg. Wieviele Namen auf die EU-Liste gesetzt werden, muss demnach noch ausgearbeitet werden. Bislang hat die EU 33 Ukrainer und Russen mit Einreiseverboten und Kontosperren belegt, die sie für die Destabilisierung der Ukraine und die Annexion der Krim durch Russland verantwortlich macht. Die EU beobachtet die jüngsten Ereignisse in der Ostukraine mit großer Beunruhigung. Die Lage in dem Land sei „extrem besorgniserregend“, sagte Ashton. „Wir verurteilen uneingeschränkt das Vorgehen von Bewaffneten in den Städten der Ostukraine. Diese Versuche zur Destabilisierung der Ukraine müssen aufhören.“

Zölle für Waren aus der Ukraine fallen weg

Die EU-Außenminister beschlossen außerdem eine Finanzhilfe in Höhe von einer Milliarde Euro für die Ukraine. Sie stimmten auch einer Streichung fast sämtlicher Zölle für Waren aus dem Land zu. Die Maßnahmen sollen die wirtschaftliche Lage der Ukraine stabilisieren. Die Finanzhilfe von einer Milliarde Euro soll zusammen mit bereits früher beschlossenen 610 Millionen Euro in den Haushalt der Ukraine fließen. Voraussetzung dafür ist jedoch die Einleitung politischer und wirtschaftlicher Reformen. Mit dem weitreichenden Verzicht auf Einfuhrzölle wird ein Teil des geplanten Assoziierungsabkommens vorweggenommen. Unter anderem verzichtet die EU auf 95 Prozent der Zölle auf Industrieprodukte und auf 82 Prozent der Zölle auf Agrarerzeugnisse.

Nach dem Ablauf eines Ultimatums an prorussische Separatisten in der Ostukraine hatte Interimspräsident Alexander Turtschinow am Nachmittag einen Befehl für einen Spezialeinsatz unterzeichnet. Der Politiker habe einen entsprechenden Beschluss des Sicherheitsrates in Kraft gesetzt, teilte die Präsidialverwaltung mit. Details des Einsatzes seien geheim. Die Maßnahmen stünden „im Zusammenhang mit der Terrorgefahr und der territorialen Einheit der Ukraine“, hieß es lediglich. Die prowestliche Regierung in Kiew hatte die Aktivisten aufgefordert, besetzte Verwaltungsgebäude bis Montagmorgen zu räumen und Waffen niederzulegen. Die Separatisten ignorierten das Ultimatum.

Turtschinow signalisierte Unterstützung für ein nationales Referendum über eine Umwandlung des Landes in eine Föderation. Er sei „nicht gegen“ eine solche Volksbefragung, die parallel zur für den 25. Mai geplanten Präsidentschaftswahl stattfinden könnte, sagte er vor dem Parlament in Kiew. Prorussische Kräfte im Osten der Ukraine fordern ein Referendum über die Angliederung der Region an Russland oder über eine „Föderalisierung“ des Landes.

Kiew beruft Reservisten ein

Zuvor hatte das Innenministerium in Kiew 350 Reservisten der neu gegründeten Nationalgarde zum Einsatz in der krisengeschüttelten Ostukraine einberufen. Das Bataillon solle noch am Montag zu „Kontrollaufgaben“ in den Raum Slawjansk verlegt werden, teilte die Behörde mit. Kommentatoren sehen dies eher als Drohung in Richtung prorussischer Separatisten und nicht als Vorbereitung von Kämpfen.

In Slawjansk rund 600 Kilometer östlich der Hauptstadt Kiew halten prorussische Aktivisten mehrere Verwaltungsgebäude besetzt. Kurz vor Ablauf eines Ultimatums um neun Uhr Ortszeit (acht Uhr MESZ) gab es keine Hinweise, dass die Separatisten die Waffen niederlegten, berichteten Medien in der früheren Sowjetrepublik.

Der entmachtete und nach Russland geflohene ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch machte die USA für die Unruhen verantwortlich. CIA-Chef John Brennan habe die „illegale“ Führung in Kiew bei einem „Geheimbesuch“ zu Gewalt gegen Separatisten angestiftet, sagte er bei einer Pressekonferenz in der russischen Stadt Rostow am Don.

Russische Unterstützung für bewaffnete Separatisten?

Bezüglich der in der Ost-Ukraine aktiven prorussischen Spearatistengruppen deutet der Bundesregierung „vieles darauf hin, dass die in der Ostukraine aktiven bewaffneten Gruppen Unterstützung aus Russland erhalten“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Montag in Berlin. „Wenn man sich das Auftreten, die Uniformierung und die Bewaffnung einiger dieser Gruppen ansieht, kann es sich kaum um spontan aus Zivilisten gebildete Selbstverteidigungskräfte handeln.“

Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Sprecherin des Auswärtigen Amts, Sawsan Chebli. Es gebe „zahlreiche Quellen, die darauf hindeuten, dass Russland auch eine Rolle spielen kann bei den Ausschreitungen“, sagte sie. Die Bundesregierung erhalte täglich fundierte und differenzierte Meldungen der OSZE-Mission in der Ostukraine.

Klare Fronten im UN-Sicherheitsrat

In einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats warnte Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin die ukrainische Regierung vor einem Militäreinsatz gegen schwer bewaffnete prorussische Milizen, die Gebäude in mehreren Städten der Ostukraine besetzt haben. Der ukrainische Vertreter Juri Sergejew sprach dagegen von einem „von Russland inszenierten“ Angriff. Tschurkin sagte, nur der Westen könne den „Bürgerkrieg“ in der Ukraine beenden. Kiew müsse „die Gewaltanwendung“ gegen die im Osten des Landes lebenden Ukrainer sofort beenden und in einen „echten Dialog“ eintreten. Die UN-Botschafterin der USA, Samantha Power, warf Russland dagegen vor, selbst hinter den Unruhen zu stecken. Die Ereignisse seien „in und von Russland geschrieben und choreographiert worden“. Power forderte Russland zudem auf, seine Truppen von der ukrainischen Grenze abzuziehen.

Pro-Russland. Eine Demonstrantin in Lugansk in der Ost-Ukraine.
Pro-Russland. Eine Demonstrantin in Lugansk in der Ost-Ukraine.

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Der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant sagte, Russland versuche den Menschen in der Ukraine seinen Willen aufzuzwingen - durch „Falschinformationen, Einschüchterung und Aggression“. Sein französischer Kollege Gérard Araud sagte mit Blick auf die Annexion der Krim durch Russland, das Szenario in der Ostukraine erinnere an die Ereignisse auf der Schwarzmeerhalbinsel vor einem Monat.

Am Sonntag waren bei Feuergefechten zwischen Elitetruppen und Milizen nach Angaben von Innenminister Arsen Awakow mehrere Menschen getötet und verletzt worden. Der Einsatz konzentrierte sich laut Awakow auf die Stadt Slawjansk. Die Verwaltung des Bezirks Donezk berichtete von „bewaffneten Zusammenstößen“ auf einer Schnellstraße zwischen Slawjansk und Donezk.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow warnte, die für Donnerstag in Genf geplanten Vierer-Gespräche zwischen der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und den Außenministern Russlands, der Ukraine und der USA seien gefährdet, sollte Kiew Gewalt gegen die „verzweifelten Bewohner des Südostens“ der Ukraine anwenden.

Der deutsche Außenminister führt Gespräche in China

Deutschland und China erklärten hingegen gemeinsam, sie hofften darauf, dass aus dem Krisengipfel zur Ukraine am Donnerstag in Genf ein dauerhafter Verhandlungsprozess wird. Bei einem Treffen in Peking warben die Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Wang Yi für eine internationale Kontaktgruppe, um eine politische Lösung zu finden. Wang vermied jedoch weiterhin eine Festlegung, auf welcher Seite die Volksrepublik in dem Konflikt zwischen Kiew und Moskau steht. Steinmeier und Wang mahnten gemeinsam zu „Deeskalation und Gewaltlosigkeit“. Deutschlands Außenminister sagte: „Wir sind beide der Auffassung, dass die willkürliche Verschiebung von Grenzen ein gefährlicher Präzedenzfall sein kann.“ Wang warb für ein „internationales Koordinierungsformat, bis man zu einer Einigung kommt“. An Moskau und Kiew appellierte er, „keine Schritte zu
unternehmen, die die Entwicklung noch verschlimmern könnte“. (dpa/AFP)

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