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Nichts wichtiger als das Militär: Kim Jong Un mit der Militärführung bei einer Besprechung in Pjöngjang

© Reuters

Konflikt mit Südkorea und den USA: In Nordkorea droht eine Kettenreaktion

Nordkorea fühlt sich von den Manövern der USA und Südkorea provoziert und wirft den USA vor, einen Atomkrieg auslösen zu wollen. Das Land bringt eigene Raketen in Stellung. Die USA zeigen sich überrascht, die Manöver fänden schließlich jedes Jahr statt. Entgleitet Kim Jong Un die Situation?

Nur 15 Monate, nachdem der Generationswechsel in der nordkoreanischen Führung die Hoffnung auf Öffnung und Entspannung geweckt hatte, hat die Kriegsgefahr auf der koreanischen Halbinsel das höchste Maß seit Jahrzehnten erreicht. Staatschef Kim Jong Un gab am Freitag früh Ortszeit den Befehl, Raketen für Angriffe auf Stützpunkte der USA in Südkorea, im Pazifik, auf Hawaii sowie auf dem amerikanischen Festland fertig zu machen, meldete die Nachrichtenagentur seines Landes.

Er reagiere damit auf die „Provokation“ durch ein gemeinsames Manöver der Streitkräfte Südkoreas und der USA, in dessen Rahmen am Donnerstag zwei strategische Langstreckenbomber vom Typ „B 2“ aus den USA über die Halbinsel geflogen und Trainingsversionen einer 2.000-Pfund-Bombe auf einem südkoreanischen Übungsplatz abgeworfen hatten. Die Agentur meldete, Kim Jong Un bewerte die Flüge als „Ultimatum“ und als Hinweis, dass „die USA um jeden Preis einen Atomkrieg auslösen“ wollen. „Die Zeit ist gekommen, um mit den US-Imperialisten abzurechnen.“
In den Tagen zuvor hatte Nordkorea die Kommunikationsverbindungen zu den Streitkräften Südkoreas und der USA gekappt und gedroht, das Waffenstillstandsabkommen von 1953 zu kündigen. Aus Sicht der US-Regierung hat der junge Staatschef das Risiko eines Kriegs unverantwortlich gesteigert.

Die Manöver, die Kim Jong Un als Vorwand für die Eskalation nehme, fänden jedes Jahr im März statt. „Ich glaube nicht, dass wir sie unnötig ärgern“, sagte der neue US-Verteidigungsminister Chuck Hagel. „Die Nordkoreaner müssten verstehen, dass das, was sie tun, sehr gefährlich ist.“

Die Entsendung der beiden Langstreckenbomber zu dem Manöver war nach Darstellung von US-Medien intensiv zwischen dem Weißen Haus, dem Pentagon und dem Generalstab diskutiert worden. Präsident Obama hatte die Entscheidung am Donnerstag persönlich abgesegnet. Die USA hätten damit auf dringende Bitten ihrer Verbündeten Südkorea und Japan reagiert, sagte Generalstabschef Martin Dempsey. „Die Übung dient der Zusicherung, dass sie auf uns zählen können.“

Der Flug der beiden Bomber von der Whiteman Air Force Base in Missouri nach Korea und wieder zurück war der erste öffentlich bekannte dieser Art und als Machtdemonstration gedacht. Die Tarnkappenmaschinen, die für einen unentdeckbaren Anflug konzipiert sind, flogen bei Tageslicht und deutlich sichtbar am Himmel über den koreanischen Luftraum – als Solidaritätsgeste für die Verbündeten und zur Abschreckung Nordkoreas. Manche US-Experten hatten sich gegen die Aktion ausgesprochen, weil sie ältere Bürger in Korea an die Flächenbombardements mit US-Bombern während des Koreakriegs von 1950 bis 1953 erinnern könne.

Nach Deutung amerikanischer Experten benutzt Kim Jong Un seine Provokationen, um seine Autorität im Militär zu festigen. Er wolle eine neue Generation von Offizieren davon überzeugen, dass er ebenso wie sein Vater und Großvater die militärische Stärke über alle anderen Bedürfnisse des Landes stellen werde.

Als Kim Jong Un nach den offiziellen Trauerfeiern für seinen Vater Kim Jong Il Ende Dezember 2011 die Macht übernahm, hofften viele auf ein Ende der Abschottung Nordkoreas. Er zeigte Ansätze zu einem moderneren und jovialeren Auftreten, ließ sich in Begleitung seiner jungen, modisch gekleideten Frau auf einem Popkonzert und in Vergnügungsparks sehen. Aus Berichten, er habe in der Schweiz studiert, wurde geschlossen, er habe sich dort von den Vorteilen einer offenen Gesellschaft und Marktwirtschaft überzeugen können und werde der Wirtschaft größere Freiheit vom Staat geben.

Die Enttäuschung folgte jedoch bald. Nach wenigen Monaten nahm der junge Kim die Politik seines Vaters wieder auf, mit gezielten Provokationen der internationalen Gemeinschaft Zugeständnisse und Hilfe zu erpressen. Unter Bruch der UN-Auflagen ließ er einen dritten Atomwaffentest vornehmen und testete eine Langstreckenrakete unter dem Vorwand, es gehe um einen Satellitenstart. Parallel steigerte er die Kriegsrhetorik.

US-Verteidigungsminister Hagel hat nun eine nüchterne und illusionslose Korea-Politik skizziert: „Wir müssen alle provokativen, kriegerischen Worte und Taten dieses jungen Mannes ernst nehmen. Seine Aktionen und seine Wortwahl lassen keine verantwortlichen und belastbaren Beziehungen erwarten.“

Die Sorge ist weniger, dass Kim Jong Un ganz bewusst einen Krieg auslösen möchte. Seine Streitkräfte sind denen der USA weit unterlegen. Manche Drohungen sind leere Formeln. Er verfügt zum Beispiel nicht über Raketen, die das US-Festland erreichen. Das Risiko ist vielmehr, dass die Provokationen eine unbeabsichtigte Kettenreaktion auslösen.

Am Montag beginnt die Sitzungsperiode des nordkoreanischen Parlaments. Auch dort versucht der junge Staatschef, seine Autorität durch einen rücksichtslosen Umgang mit den USA zu stärken.

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