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Mit Panzern am Gazastreifen: Der Konflikt zwischen Israel und der Hamas droht zum Krieg austzuarten.

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Konflikt zwischen Israel und Palästinensern: Die Hamas hat eine rote Linie überschritten

Der derzeitige Konflikt in Nahost mutiert womöglich zu einem großen, verlustreichen Krieg. Eine Bodenoffensive steht offenbar unmittelbar bevor - auch, weil die Hamas mit dem Beschuss Tel Avivs eine rote Linie überschritten hat. Doch der aktuelle Gaza-Konflikt steht unter ganz anderen Vorzeichen als der vor drei Jahren.

Die Zeichen stehen auf Sturm. Und im Nahen Osten, im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, heißt das grundsätzlich: Angst, Vergeltung, Gewalt, Blutvergießen, Leid und Trauer. Es wirkt wie eine Endlosschleife, aus der es kein Entrinnen zu geben scheint. Jetzt ist es mal wieder so weit. Man kämpft, statt zu verhandeln. Militante und Militärs haben das Sagen. Besonnene Kräfte, sie sind auf beiden Seiten nicht zu finden.

Die Hamas terrorisiert den Süden Israels mit Raketen, Israels Luftwaffe antwortet mit Angriffen auf den Gazastreifen. Die Waffenruhe, vereinbart für den heutigen Besuch des ägyptischen Premiers im Gazastreifen, war schon gebrochen, bevor sie begann. Und vermutlich wird die Auseinandersetzung noch schlimmer, noch blutiger werden. Jerusalem ruft Reservisten zu den Waffen. Eine Bodenoffensive wird nicht nur vorbereitet, sie steht offenbar unmittelbar bevor.

In sich ist dieser Schritt durchaus schlüssig. Denn Israels Strategen sind sich völlig im Klaren darüber, dass sie ihr erklärtes Ziel – die möglichst weitgehende Zerstörung von Waffenlagern und Abschussrampen – nur durch den gezielten Einsatz von Soldaten erreichen können. Der tägliche Kleinkrieg, der von der Weltöffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen wird, mutiert so womöglich zu einem großen, verlustreichen Krieg. Mit unabsehbaren Folgen für die Region, die dort lebenden Menschen und die internationale Staatengemeinschaft. Der aktuelle Gaza-Konflikt steht nämlich unter ganz anderen Vorzeichen als der vor drei Jahren.

Der Arabische Frühling hat neue Fakten geschaffen und damit die Lage gefährlich unübersichtlich gemacht. Alte Gewissheiten, verlässliche Ansprechpartner und gängige diplomatische Kanäle, sie sind verschwunden. Wohin steuert Ägypten unter dem Islamisten-Präsident Mohammed Mursi? Hält sich der syrische Diktator Baschar al Assad an informelle Vereinbarungen mit Israel? Lässt die Türkei noch mehr als bisher ihre osmanischen Muskeln spielen? Nutzen die Mullahs im Iran die Situation aus, um im Schatten des Kampfes im Gazastreifen ihr Atomprogramm voranzutreiben? Für Israel wirkt das alles erschreckend bedrohlich. Weil es keine Antworten parat hat.

Mit der Iran-Bedrohung steht ein weiterer Konflikt vor der Tür

Mit Panzern am Gazastreifen: Der Konflikt zwischen Israel und der Hamas droht zum Krieg austzuarten.
Mit Panzern am Gazastreifen: Der Konflikt zwischen Israel und der Hamas droht zum Krieg austzuarten.

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Klar ist für die Regierung in Jerusalem wie für die meisten Israelis jedoch: Der ständige Beschuss durch Raketen ist keinesfalls hinnehmbar. Welches Land der Welt würde einfach gleichgültig zuschauen, wenn auf seinem Territorium praktisch ohne Unterlass Geschosse niedergehen? Weder Amerika noch Frankreich oder Deutschland. Und die militanten Palästinenser, allen voran der extremistische Flügel der Hamas, wissen das ganz genau, lassen kaum eine Gelegenheit aus, um Jerusalem zu provozieren und dann theatralisch die verfolgte Unschuld zu geben.

Jahrelang hat die israelische Regierung stillgehalten, obwohl immer wieder Menschen im Süden des Landes Schutz in Bunkern suchen mussten. Doch in den vergangenen Wochen und Monaten hat die Intensität des Beschusses deutlich zugenommen. Das zwang die Verantwortlichen um Premier Benjamin Netanjahu zum Handeln – Wahlkampf hin oder her. Und noch etwas wird zur Entschlossenheit der Bevölkerung und der Regierung beitragen: das Überschreiten einer roten Linie durch den Feind. Nichts anderes ist der Beschuss von Tel Aviv. Die Angriffe mit Raketen aus iranischer Herstellung auf die Metropole gehören ganz klar in die Kategorie "Geht gar nicht". Dass eine derartige Provokation zwingend militärische Antworten erfordert, ergibt sich praktisch von selbst. Hier wohlmeinend mit "Zurückhaltung, bitte" zu argumentieren, wird nicht einmal bei den Friedfertigsten ernsthaft verfangen.

Zudem droht eine vermutlich noch wesentlich folgenreichere Auseinandersetzung: die  mit dem Iran. Der kriegerische Konflikt um Gaza kommt den Mullahs zupass. Vieles spricht sogar dafür, dass sie ihn mit Waffenlieferungen an die Hamas und anderen militärischen "Bruderdiensten" geschürt haben. Netanjahu wiederum sieht im iranischen Atomprogramm eine unmittelbare, ja existenzielle Bedrohung für Israel.

Aber daraus zu schließen, der Premier würde nun umgehend den Iran angreifen, wäre verfehlt. Auch ein Netanjahu weiß sehr wohl, dass dieser Gegner von einem weitaus gefährlicheren Kaliber ist als die Hamas. Und es mit den Islamisten vor der Tür und Teheran gleichzeitig aufzunehmen, vielleicht zusätzlich noch mit Syrien und der Hisbollah im Libanon, überfordert selbst die gut gerüstete israelische Armee. So wird der Krieg um Gaza ein lokaler bleiben – vorerst. Doch die Zeichen stehen auf Sturm. Für die ganze Region und darüber hinaus.

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