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Deutschlands Haushalte haben im ersten Halbjahr 2012 mehr Geld erwirtschaftet, als sie ausgegeben haben.

© Robert Kneschke - Fotolia

Konjunktur: Woher kommt Deutschlands Milliardenüberschuss?

Alle reden von der großen Krise - dem deutschen Staat jedoch geht es im Augenblick finanziell so gut wie seit langem nicht mehr. Das kann sich aber schnell wieder ändern.

Von Antje Sirleschtov

Nur 2007, kurz vor dem Ausbruch der internationalen Bankenkrise, ging es Deutschlands Finanzen besser. Im ersten Halbjahr 2012 konnten Deutschlands Haushalte, also die Etats von Bund, Bundesländern, Kommunen und den Sozialversicherungen, gemeinsam einen Überschuss von 8,3 Milliarden Euro ausweisen. Das heißt: Der Staat gab weniger Geld aus, als er eingenommen hat.

Wie kommt der Überschuss zustande?

Das Verhältnis von Staatshaushalt und Konjunktur ist denkbar einfach: Verdienen die Unternehmen Geld, stellen sie Arbeitskräfte ein und sind großzügiger bei Lohnsteigerungen. Das wiederum versetzt die Arbeitnehmer in die Lage mehr zu konsumieren. Weil der Staat an jedem dieser Punkte über die Unternehmenssteuer, die Lohn- und Einkommenssteuer und die Mehrwertsteuer mit verdient, steigen seine Einnahmen, wenn die Wirtschaft brummt. Das gilt auch für die Sozialversicherungen (Rente, Arbeitslosigkeit und Krankenversicherung). Gleichzeitig sinken die Ausgaben für Arbeitslose. Im umgekehrten Fall, die Konjunktur lahmt und die Unternehmen entlassen Mitarbeiter, nimmt der Staat weniger Steuern und Abgaben ein, als er zuvor geplant hat und muss gleichzeitig mehr Geld für die sozialen Sicherungssysteme ausgeben. Weil die Konjunktur in den letzten Jahren wieder deutlich angezogen hat, wiesen die Sozialversicherungen laut Statistischem Bundesamt im ersten Halbjahr 2012 ein Plus von 11,6 Milliarden Euro auf. Beim Bund, den Ländern und Kommunen stiegen die Einnahmen aus Steuern zwar in den ersten sechs Monaten auch an, und zwar um 2,9 Prozent. Allerdings war das Plus Ende 2011 schon mal höher, was darauf hindeutet, dass die Konjunkturlokomotive nicht mehr unter Volldampf steht. Gleichzeitig stiegen auch die Ausgaben des Staates um 0,8 Prozent. Zusammengerechnet erzielte der Bund trotz steigender Steuereinnahmen und sinkender Zinskosten ein Defizit von 6,9 Milliarden Euro, die Länder von 0,8 Milliarden Euro. Die Gemeinden kamen auf einen Überschuss von 4,4 Milliarden Euro. Der gesamtstaatliche Überschuss resultiert also einzig und allein aus dem Plus der Sozialversicherungen.

Kommt Deutschland jetzt aus den Schulden heraus?

Wie wenig Bedeutung die Statistik von staatlichen Einnahmen und Ausgaben eines halben Jahres für die Beurteilung der gesamten Staatsverschuldung Deutschlands hat, das kann man ermessen, wenn man nur einmal vier Jahre zurückdenkt. 2007 nämlich glaubte die große Koalition aus Union und SPD, dass ihr Sparpaket und die gute Konjunktur dazu führen würde, dass man sehr bald nicht nur einen Bundeshaushalt ohne jährliche Neuverschuldung würde aufstellen können, sondern zudem auch noch alte Schulden tilgen konnte. Dann kam die Bankenkrise, die Konjunktur brach ein, die Sozialausgaben explodierten und die Steuereinnahmen sanken. Im Ergebnis musste der Schuldenabbau warten. Nun sieht es so aus, als ob zumindest der Bund nächstes Jahr zum ersten mal einen „nahezu ausgeglichenen“ Haushalt vorlegen wird. Das heißt, dass der Bundesfinanzminister mit dem Geld, das er einnimmt, auch weitestgehend auskommen will, Lediglich eine Mini-Neuverschuldung ist vorgesehen. Das wäre eine kleine Sensation, denn eigentlich hat der Bund sich im Grundgesetz erst ab 2016 zu diesem Schritt verpflichtet. Und zwar mit der Schuldenbremse, die ein paar Jahre später auch die Bundesländer einhalten müssen und die dauerhaft dafür sorgen soll, dass der Staat sich nicht mehr verschuldet. Das Prinzip ist dann ganz einfach: In konjunkturell guten Zeiten muss der Bund einen finanziellen Puffer anlegen und Schulden tilgen, in schlechten Zeiten darf er von dem Puffer zehren beziehungsweise Schulden aufnehmen, die dann auf dem nächsten Konjunkturhöhepunkt zurückgezahlt werden müssen.

Wann wird Deutschland seine Schulden tilgen können?

Um dieser Frage näher kommen zu können, sollte man die Relationen näher betrachten. Deutschland erwirtschaftet in guten Jahren, wie es das letzte war, ein Bruttoinlandsprodukt von rund 2500 Milliarden Euro. Die gesamte Staatsschuld liegt derzeit bei rund 2114 Milliarden Euro, was etwas mehr als 80 Prozent beträgt. Damit liegt Deutschland im Schnitt der westlichen Länder. Pro Jahr nimmt der Staat ungefähr 600 Milliarden Euro Steuern ein, die etwa zur Hälfte Bund und Ländern (Kommunen) zustehen. Das heißt also, der Staat müsste gut drei Jahre lang auf sämtliche Steuereinnahmen verzichten, um seine Schulden zu Tilgen. Oder zehn Jahre lang auf ein Drittel der Steuereinnahmen. Rechnet man nun konjunkturelle Unwägbarkeiten und die zunehmende Alterung der Gesellschaft (mehr Rentenauszahlungen, weniger Arbeitsleistung) ein, dann sieht man, wie schwer die Tilgung der Schulden des Staates ist.

Was soll mit den Überschüssen in diesem Jahr geschehen?

Sparsame Haushälter warnen bereits davor, die Überschüsse für Wahlgeschenke auszugeben, etwa für die Abschaffung der Praxisgebühr, die Senkung des Rentenbeitrages oder aber für neue Ausgaben einzuplanen. Denn das ist der gefährliche Kreislauf der vergangenen Jahre: Läuft es bei den Staatsfinanzen mal besser, wird das Plus von Politikern gern verteilt. Wenn es dann wenig später zu Löchern in den Kassen kommt, müssen die Beiträge wieder erhöht oder Leistungen gestrichen werden, was dann wiederum die Arbeitskosten erhöht.

Der Haushalt 2013 wird Mitte September in den Bundestag eingebracht. Dann wird man sehen, ob der bekannte Kreislauf auch in dieses Mal noch funktioniert.

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