zum Hauptinhalt

Konjunkturpaket: Jetzt wird gerechnet

Die SPD ist der Union bei Steuersenkung und Schuldenbremse entgegengekommen – um welchen Preis?

Von

Vor dem Feilschen steht das Rechnen. Gefeilscht worden ist in der Koalitionsrunde noch wenig, gerechnet wird jetzt umso mehr, im mathematischen, aber auch im politischen Sinne. Denn spätestens, als die SPD am frühen Montagabend im Kanzleramt der Union zugestand, auch Steuersenkungen ins zweite Konjunkturpaket aufzunehmen, war klar: Das kostet, politisch jedenfalls. "Dafür müssen wir irgendwo anders ins Gras beißen", sagt am Dienstag ein Unionspolitiker.

Welche Kompensation die Sozialdemokraten einfordern, ist offen. In der SPD wird nicht darüber gesprochen, in der Union allenfalls spekuliert: Vielleicht ein Zugeständnis bei einem Kinderzuschlag? Oder Entgegenkommen bei den Krankenkassen? Auch in der Runde selbst haben sich beide Seiten, so berichten es Teilnehmer, wenig in die Karten schauen lassen. Die bekannten Vorschläge und Gegenvorschläge sind sachlich vorgetragen worden, ohne dass es zu einem von ihnen ein kategorisches Nein gegeben hat. Beim Kapitel Steuern hat die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel übrigens dem Kollegen CSU-Chef Horst Seehofer das Wort überlassen. Den hat denn auch SPD-Fraktionschef Peter Struck gefragt, ob er denn mal konkrete Zahlen nennen könne für die geforderte Abmilderung der "kalten Progression" - was Seehofer nicht tat.

Auch deshalb wird jetzt ein paar Tage lang gerechnet: Wie passen die Pläne der Koalitionäre in den vereinbarten Rahmen von 50 Milliarden Euro für die nächsten zwei Jahre? Der ergibt sich aus der Vorgabe, dass das Konjunkturpaket das Maastricht-Schuldenkriterium nicht reißen soll. Dass sich die Runde darauf verständigte, parallel zur Neuverschuldung auch eine Schuldenbremse ins Grundgesetz - nach Strucks Motto : Jetzt est recht - zu schreiben, war daher kaum eine Überraschung. Der Konsens war vorher da, und die Skeptiker in beiden Reihen - der Berliner Klaus Wowereit und der Sachse Stanislaw Tillich - saßen nicht mit am Tisch. Struck, Steinbrück und Steinmeier plädierten für die Möglichkeit einer "strukturellen" Neuverschuldung in Höhe von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr. Strukturell will heißen: ohne Bedingungen und jederzeit.

Alles spricht für eine Schuldenbremse

Dass die SPD-Spitzen damit mal eben die Forderung ihrer eigenen Fraktion abräumten, dürfte zwar Grummeln, aber kaum Aufstandsstimmung erzeugen. Die großzügigere Grenze bei 0,75 Prozent, welche die SPD-Abgeordneten ziehen wollten, war ohnehin nicht haltbar. Die Union ist gegen eine strukturelle Neuverschuldungskomponente, die FDP für ein grundsätzliches Schuldenverbot. Und die Liberalen braucht man für eine Grundgesetzänderung, weil Schwarz und Rot im Bundesrat keine Zweidrittelmehrheit mehr haben. So könnte am Ende eine Schuldengrenze nah an 0,5 Prozent stehen - was einem Spielraum von zwölf Milliarden Euro entspräche.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günter Oettinger (CDU) - mit Struck Vorsitzender der Föderalismuskommission - will daher durchsetzen, dass eine Neuverschuldung in Ausnahmejahren (wie derzeit in der Finanzkrise) nicht ohne einen verbindlichen Tilgungsplan möglich sein darf. Oettinger hat die Umsetzung der Schuldenbremse überdies zur "Bedingung" dafür gemacht, dass er seine Bedenken gegen Steuersenkungen zurückstellt und dem Konjunkturpaket zustimmt. Das trug ihm eine harsche Rüge aus München ein: CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg warnte den Stuttgarter Regierungschef vor einer Blockadehaltung.

Dabei spricht alles dafür, dass die Schuldenbremse kommt - als haushaltspolitisches Feigenblatt gewissermaßen. Denn ausgerechnet beim Thema Konsolidierung wird die große Koalition im Wahlkampfjahr 2009 absehbar blank dastehen. Vom stabilen Bundeshaushalt 2011 spricht schon lange niemand mehr, und mit jedem weiteren Konjunkturpaket rückt das einst als zentrale Aufgabe der Koalition gepriesene Ziel in immer nebelhaftere Ferne. Selbst die Treue zum Maastricht-Vertrag steht spätestens 2010 sehr infrage. CDU-Mittelstandschef Josef Schlarmann rechnet vor, dass Deutschland den Maastricht-Vertrag einhalten könne, falls es bei dem derzeit amtlich angesetzten Wirtschaftseinbruch um minus 0,8 Prozent bleibe. Aber das wagt derzeit so recht niemand zu hoffen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false