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Politik: Konkurrenz vom Stellvertreter

Autonomieminister Abbas soll Arafat beerben, meint die Fatah. Wird Haifas Bürgermeister Nachfolger Scharons?

Von Charles A. Landsmann,

Tel Aviv

Jassir Arafat und Ariel Scharon haben jetzt etwas gemeinsam: Angesichts der Ausweglosigkeit des Nahost-Konflikts geraten sie in den eigenen Reihen immer stärker unter Druck. Auf beiden Seiten werden Stimmen lauter, die für einen wirklichen Neuanfang mit neuen Leuten plädieren. So hat ausgerechnet das Zentralkomitee und der Revolutionsrat von Jassir Arafats Fatah-Bewegung diesen nach einer gemeinsamen Sitzung in Ramallah öffentlich aufgefordert, Mahmud Abbas, besser bekannt als Abu Mahsen, zum Ministerpräsidenten zu ernennen. Der als politisch gemäßigt eingestufte Abu Mahsen, Sekretär der PLO-Exekutive und Autonomieminister, gilt seit langem als inoffizieller Arafat-Stellvertreter und zweiter Mann in der palästinensischen Hierarchie.

Mit ihrem Vorstoß wollen Arafats Leute ihren greisen Anführer dazu zwingen, endlich eine Regierungsreform durchzuführen, mit der er selbst praktisch entmachtet wird. Denn wenn es nach den Plänen Washingtons und den Wünschen Israels geht, dann soll Arafat auf das weitgehend repräsentative Amt eines Präsidenten des noch zu gründenden Staates Palästina abgeschoben werden und das politische Geschäft einem Ministerpräsidenten überlassen.

Praktisch über Nacht hat nun auch Israel einen neuen Polit-Star, der eine personelle und politische Alternative zu Ariel Scharon werden könnte: Amram Mitzna, Bürgermeister von Haifa und Mitglied der Arbeitspartei. In aktuellen Meinungsumfragen hat Mitzna alle Politiker der Arbeitspartei hinter sich gelassen, obwohl er seine Kandidatur noch gar nicht offiziell verkündet hat.

Scharon verfügt noch über satte Mehrheiten im persönlichen Vergleich mit eventuellen Konkurrenten, doch seine Umfragewerte haben einen klar negativen Trend. Ging man bisher davon aus, dass die Wähler in Scharon den „starken Mann“ sahen, der als Einziger in der Lage ist, die Sicherheitsprobleme zu lösen, sind jetzt 60 Prozent der Wähler der Ansicht, dass er und seine Regierung unfähig sind, den Terror zu stoppen. Nur 36 Prozent trauen Scharon zu, die Gewalt zu beenden, 33 Prozent finden gar, dass seit seinem Amtsantritt die Palästinenser in dem Konflikt die Oberhand gewonnen haben.

In dieser Situation ist das Ergebnis einer Umfrage des größten israelischen Zeitungskonzerns unter den Mitgliedern der Arbeitspartei eine Sensation. Würde die Arbeitspartei heute – und nicht erst im November – ihren Vorsitzenden und Spitzenkandidaten für die für das Frühjahr vorgesehenen Knessetwahlen bestimmen, so hieße dieser Amram Mitzna – obwohl der ehemalige General bisher nur vage davon gesprochen hat, gegen den jetzigen Parteichef und Verteidigungsminister Benjamin Ben Elieser und dessen Herausforderer Haim Ramon anzutreten. Für Mitzna sprachen sich 41 Prozent der Parteimitglieder aus, für Ben Elieser 30 Prozent, und Ramon kam nur auf magere 16 Prozent. In allen abgefragten Bereichen – von Glaubwürdigkeit, über Führungsfähigkeiten, Überzeugungskraft, Vernunft bis hin zur Tatkraft – liegt Mitzna gegenüber seinen Konkurrenten klar vorn. Mitzna hat seit seiner Dienstzeit bei der militanten Siedlerführung den Ruf eines „Palästinenserfreundes“, ein durchdachtes politisches Konzept besitzt er bisher nicht. Aus verschiedenen Äußerungen weiß man aber, dass er für den sofortigen Austritt der Arbeitspartei aus der Regierung, für die Gründung eines Staates Palästina, die Räumung von Siedlungen und einen Kompromiss in der Jerusalem-Frage eintritt. Ein echtes Kontrastprogramm zu Scharon.

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