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Sichere Fluchtwege, sparsamer Einsatz von brennbarem Material: Diese Regeln sind bei Neubauten in der EU - wie bei dieser Hotelanlagen-Baustelle auf Fuerteventura - zu beachten.

© dpa

Konsultation der EU-Kommission: Brüssel sorgt sich um Sicherheit von Urlaubern

So genannte Grünbücher sind in Brüssel an der Tagesordnung. So testet die EU-Kommission die Stimmung bei bestimmten Themenfeldern - aktuell bei der EU-weiten Sicherheit in Touristenherbergen. Kritiker wittern dahinter eine Einmischung in Belange, welche die EU nichts angehen.

Im Jahr 2006 starben zwei britische Kinder bei einem Urlaubsaufenthalt in einer Hotelanlage auf der griechischen Insel Korfu durch eine Kohlenmonoxidvergiftung. Aus dem Heizraum war Kohlenmonoxid entwichen. Das giftige Gas drang durch Löcher, die nicht mehr zugespachtelt worden waren, in den Bungalow ein. Ein Kamin, der Kohlenmonoxid abziehen sollte, war nicht montiert worden.
Es sind fatale Hotelbrände oder Unglücke wie auf Korfu, die in der Brüsseler Kommission die Überlegung haben reifen lassen, die Sicherheit von Ferienunterkünften durch eine EU-Regelung zu verbessern. Doch ob die Kommission tatsächlich einen Vorschlag für eine entsprechende Richtlinie machen wird, ist offen.

Die Hersteller von Sprinkleranlagen würden sich sicher freuen, würde die Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Sicherheit in Hotels und anderen Touristenunterkünften erlassen. Bevor die Kommission in diesem Bereich tatsächlich als Gesetzgeber aktiv wird, muss die Behörde abwarten, wie ihr Grünbuch zur „Sicherheit touristischer Beherbergungsleistungen“ (COM 2014 464) vom vergangenen Juli in der Öffentlichkeit ankommt.

Grünbücher gehören zur Brüsseler Gesetzgebung wie Meinungsumfragen zur Parteipolitik. Mit Grünbüchern testet die Kommission regelmäßig die Stimmung bei wichtigen Akteuren in einem Politikfeld. Sind sich alle Befragten bei einer Konsultation einig, dass ein Thema auf EU-Ebene geregelt werden muss, dann wird die Kommission als Gesetzgeber aktiv. Bis Ende November haben Hotelverbände, Reiseveranstalter, professionelle Brandbekämpfer, Ministerien oder Bürger die Möglichkeit, auf einem Online-Fragebogen zu erklären, ob sie eine derartige Initiative der EU-Kommission für nötig halten oder nicht (der Fragebogen kann abgerufen werden unter: http://ec.europa.eu/eusurvey/runner/STAS).

Dabei begründet die Kommission ihre Überlegung, die Sicherheit in Hotels, auf Campingplätzen oder in Ferienwohnungen EU-weit zu regeln, einerseits mit der Brandgefahr. Andererseits weist die Kommission darauf hin, dass auch Baumängel – etwa bei Balkonen – Ferienunterkünfte zu unsicheren Orten machen können.

Die Kommission hat sich bei der Bausicherheit bislang zurückgehalten

Bislang hat sich Brüssel in der Frage, welchen Sicherheitsstandards Ferienunterkünfte EU-weit genügen müssen, zurückgehalten. Die Zuständigkeit für die Sicherheit von Touristenunterkünften liegt bei den Mitgliedstaaten. Deshalb hat der Rat der EU-Mitglieder im Dezember 1986 lediglich Empfehlungen herausgegeben, die in Hotels beim Brandschutz beachtet werden sollten: Hindernisse dürfen Fluchtwege nicht verstellen, entflammbare Materialien sollen bei Wand- und Deckenverkleidungen möglichst nicht verwendet werden. Andererseits argumentiert die Kommission mit der „grenzüberschreitenden Dimension“ des Tourismus, wenn sie sich nun den Themas annimmt.

Den Anstoß für die Kommission, ein Grünbuch zu erstellen und den Bedarf für eine mögliche Brüsseler Richtlinie zu prüfen, lieferten unter anderem Reiseveranstalter. Nach einer EU-Richtlinie über Pauschalreisen aus dem Jahr 1990 sind sie dazu verpflichtet, für die Sicherheit der Reisenden zu haften. Deshalb ist es im Sinne der Veranstalter, wenn es in Touristenunterkünften in den 28 EU-Ländern einheitliche Sicherheitsstandards gibt.

Wer allerdings vergleichen will, wie es um die Sicherheit in Hotels oder Ferienwohnungen zwischen Dublin und Larnaka bestellt ist, stößt auf ein Problem: Es gibt kaum Daten, aus denen sich ermitteln ließe, ob Touristen eher in Irland oder auf Zypern zu Unfallopfern in ihren Domizilen werden. Deshalb lautet eine der 42 Fragen, die die EU-Kommission bei ihrer Online-Konsultation stellt, auch folgerichtig: „Haben Sie Daten oder Zahlenmaterial über Unfälle und Verletzungen, aus denen Sicherheitsprobleme bei touristischen Beherbergungsleistungen hervorgehen?“

Der Bundesrat pocht auf die Länderkompetenz beim Bauordnungsrecht

Kritiker wenden ein, verschärfte Vorschriften zum Wohle der Verbraucher könnten zu erheblichen Kosten führen – angefangen bei den Bürokratiekosten, die bei der Datenerhebung entstehen. Hinzu kommt, dass es sich laut Grünbuch bei 90 Prozent der Tourismusunternehmen in der EU um kleine Unternehmen mit bis zu 249 Angestellten handelt. Bei solchen Kleinunternehmen würden mögliche Umrüstungen finanziell eher ins Kontor schlagen als bei großen Hotelketten. Die Kommission erklärt, sie wolle einen „angemessenen Mittelweg“ zwischen der finanziellen Belastung der Kleinbetriebe und der Verbrauchersicherheit anstreben.

Trotzdem ist das Kommissions-Grünbuch in Deutschland mit Skepsis aufgenommen worden. Im September erklärte der Bundesrat, dass eine zentrale Erfassung von Daten zu allen relevanten Unfällen bei Tourismus- und Freizeitdienstleistungen „einen unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten unvertretbaren bürokratischen Aufwand“ bedeute. Zudem sprach die Länderkammer der EU-Kommission das Recht ab, über den Hebel der Verbrauchersicherheit im Tourismusbereich Zuständigkeiten bei den Bauvorschriften zu beanspruchen. Der Hintergrund: Das Bauordnungsrecht ist Ländersache. Auch die Sorge, dass Erholungssuchende in ihren vier Wänden am Urlaubsort Kohlenmonoxidvergiftungen zum Opfer fallen könnten, wischte der Bundesrat beiseite: Dieses Problem betreffe grundsätzlich alle Gebäude mit Heizungsanlagen.

Ohnehin darf bezweifelt werden, ob Urlauber in der EU in erster Linie bei der Sicherheit im Feriendomizil der Schuh drückt. Laut einer Umfrage der Kommission berichteten 2013 nur sechs Prozent der Befragten von Sicherheitsproblemen während ihres Jahresurlaubes. So wird im aktuellen Grünbuch der Kommission denn auch angemerkt, dass die laufende Konsultation „ergebnisoffen“ sei. Die von der Kommission angestoßene Diskussion „muss nicht auf neue EU-Maßnahmen hinauslaufen“, heißt es.

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 11. November 2014 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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