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Politik: Kontingentwechsel nach sechs Monaten KFOR - Steht der Bund vor grundlegenden Reformen?

Der Adventskranz hängt etwas zu nah an der ohnehin niedrigen Decke. Die Rekruten bemerken ihn kaum, er hat keine Kerzen.

Der Adventskranz hängt etwas zu nah an der ohnehin niedrigen Decke. Die Rekruten bemerken ihn kaum, er hat keine Kerzen. Mit der Weihnachtsstimmung ist es noch nicht weit her im Hauptquartier der Bundeswehr in Prizren, der drittgrößten Stadt im Kosovo. An diesem Donnerstag ist der Kontingentwechsel abgeschlossen, und der zweite Schub richtet es sich in diesen unwirtlichen Gebäuden der ehemaligen jugoslawischen Armee gerade ein; bald werden die neuen Fertighäuser bewohnbar sein. Nach sechs Monaten haben die "Pioniere" das frühere Kriegsgebiet verlassen; sie hatten den triumphalen Einmarsch der internationalen KFOR-Truppe wenige Tage nach der Einigung auf die militärischen Punkte des Friedensabkommens am 10. Juni erlebt.

Wie sich der Abschied anfühlt? Neben aller Müdigkeit nach einem halben Jahr von mindestens 12-Stunden-Schichten ohne Wochenenden. "Ich habe den Eindruck, geholfen zu haben, auch wenn der Hass zwischen Serben und Albanern noch immer da ist, Tag für Tag", sagt einer. "Ich habe vergessen, wie viele Häuser wir winterfest gemacht haben, aber ich werde nicht vergessen, wie groß die Dankbarkeit der Menschen ist", ein anderer. Ein Zeitsoldat, der zuvor bei der SFOR in Bosnien im Einsatz war, unterscheidet sehr wohl: "Die Kosovaren bauen auf, wo sie nur können. Die sind nicht von Beruf Flüchtling." Die Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks (THW) können die Lager der aus dem Boden gestampften Baumärkte gar nicht so rasch auffüllen, wie das Baumaterial dort von Kosovaren bestellt wird. Kaum ein Haus mehr, das im Vertreibungskrieg von den Serben zerstört worden ist und heute nicht schon ein neues Dach trägt.

"Die Kosovaren haben erkannt, dass sie mit KFOR bessere Zukunftschancen haben", sagte ein Bundeswehrsoldat. Der Fortschritt ist sichtbar, auf der Straße: Mit dem Abzug der serbischen Armee waren die strategischen Routen in der südserbischen Provinz stark beschädigt und viele Brücken zerstört. Das deutsche Kontingent hat seit Juli die Hauptverbindungen zwischen Prizren und Suva Reka beziehungsweise Orahovac fertig gestellt. Mit dem ersten Schnee übernahm es auch den Winterdienst. Erst Ende November übergab der zuständige deutsche KFOR-General das einzige Gefängnis der Region an die Zivilverwaltung der Vereinten Nationen (Unmik). Darüber hinaus wurden Tausende Häuser winterfest gemacht, damit die Familien zumindest ein dichtes Dach, ein beheiztes Zimmer und abschließbare Wohnungen haben. "Die Deutschen werden dafür geliebt", sagt der Presseoffizier. Daran glaubt er.

Von vier auf sechs Monate wurde die Einsatzzeit der deutschen Soldaten auf dem Balkan verlängert. Sollten diese erfolgreichen Friedensmissionen Schule machen, werden auf die Bundeswehr "substanzielle Reformen" zukommen, prophezeite auch Bundespräsident Johannes Rau (SPD) während seines Truppenbesuchs. Niemand glaubt, dass KFOR oder SFOR früher als in zehn Jahren abgezogen werden können. "Hoffentlich wird dann auch das Telefonnetz entsprechend fit gemacht", wünschen sich die Soldaten und lächeln müde über den Vorschlag der Wehrbeauftragten Claire Marienfeld-Czesla, häufiger zum Stift zu greifen, weil "Sie in Briefen ihre Gefühle besser ausdrücken können".

Ob sie darüber schreiben würden, dass sie neben all der Arbeit und wegen der Minengefahr hier in Prizren ziemlich kaserniert leben, also aus Sicherheitsgründen abgeschnitten sind vom alltäglichen Leben? Dass sie gerade mal bei der Fahrt in eine der vielen "Waschstraßen" am Kiosk einen Kaffee oder eine Cola trinken? "Die Soldaten bedauern das", weiß Brigadegeneral Wolfgang Sauer: "Aber es wäre verantwortungslos, wenn KFOR-Soldaten zu Schaden kämen, weil es in einem Lokal zwischen Serben und Albanern zu ethnischen Konflikte kommt."

Claudia Lepping

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