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Politik: Kontrollverlust an der Weser

Eine Korruptionsaffäre an einer Bremer Klinik weitet sich aus

Das Gesundheits- und Sozialressort des Bremer Senats kommt nicht aus den Schlagzeilen heraus. Erst versagten Jugendamtsmitarbeiter beim Schutz des kleinen Kevin vor seinem gewalttätigen Ziehvater, und nun spitzt sich eine Korruptionsaffäre der städtischen Kliniken zu: Der bereits fristlos gekündigte Geschäftsführer des Klinikums Bremen-Ost, Andreas L., wurde jetzt auf der Autobahn verhaftet – wegen Verdachts der Untreue und Vorteilsgewährung. Die Staatsanwaltschaft ermittelt schon länger gegen ihn, die Bremische Bürgerschaft hat im Oktober einen Untersuchungsausschuss eingesetzt – zusätzlich zu jenem Gremium, das Kevins Tod durchleuchtet.

Inzwischen hat sich der Verdacht so erhärtet, dass die Ermittler den geschassten Manager wegen Flucht- und Verdunklungsgefahr festsetzen ließen. L. soll in mindestens 18 Fällen „aus eigennützigen und den Interessen des Klinikums zuwiderlaufenden Zwecken“ mehr als zehn Millionen Euro Gesamtschaden angerichtet haben. Was der Manager bei seiner Einstellung 2005 offenbar verschwiegen hatte: Er blieb weiterhin Eigentümer einer Privatklinik in Bad Oeynhausen und einer Beratungsfirma in Hannover. Mit ihnen und mit weiteren Unternehmensberatern soll er kostspielige Bettenbelegungs- und Beraterverträge abgeschlossen haben, ohne dass dies dem Klinikum genützt hätte. Zudem bestellte er tausend „Multimedia-Nachtschränke“ mit Internetanschluss, die wohl gar nicht in die Krankenzimmer gepasst hätten. Sein mutmaßlicher Vorteil dabei: 300 000 Euro Provision.

L. sitzt jetzt in Untersuchungshaft. Dabei hatte er gerade eine neue Chance bekommen: Trotz des Korruptionsverdachts wurde er Manager des Marseille-Klinikkonzerns – weil er sich bereits früher als „guter Mann“ erwiesen habe. Bereits im Juli musste der langjährige Staatsrat des Gesundheits- und Sozialressorts, Arnold Knigge (SPD), seinen Job abgeben. Er übernahm die politische Verantwortung für die Affäre. Dabei räumte er ein, L. zu wenig kontrolliert zu haben. Auch die damalige Senatorin Karin Röpke (SPD) ist inzwischen ausgeschieden – wegen des toten Kevin, kurz vor einem Misstrauensantrag und der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zur Klinikaffäre. Beide Skandale verbindet die mangelnde Aufsicht: Die Ressortspitze vertraute zu stark dem Manager, der Klinikstrukturen modernisieren sollte. Das Jugendamt verließ sich zu sehr auf einzelne Mitarbeiter.

Auffällig ist, dass Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) im Fall Kevin sehr deutlich das Versagen des Jugendamts rügt und Konsequenzen anmahnt. Er selbst hatte frühzeitig von der Gefährdung des Jungen erfahren und seine Genossin Röpke darauf hingewiesen – und er verließ sich darauf, als die Antwort kam, alles sei unter Kontrolle. Wollte er mit seinen späteren Rügen womöglich von etwaiger Mitschuld ablenken? Nein, heißt es in Böhrnsens Umfeld. Er müsse sich kein schlechtes Gewissen machen, „aber fragt jetzt lieber einmal mehr nach“ – damit kein neuer Fall Kevin passiert.

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