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Konzentrationslager: Späte Chance für das Recht

Drei ehemaligen KZ-Aufsehern soll in Spanien der Prozess gemacht werden.

„Täglich sahen wir den Rauch des Krematoriums aufsteigen. Fünf Jahre lang haben wir jeden Morgen gedacht, das könnte unser letzter Tag sein.“ Die beiden Spanier Ramiro Santisteban und Jesus Tello (beide 85) haben fünf Jahre im Konzentrationslager Mauthausen verbracht. Und sie haben diesen Albtraum überlebt. Sie waren in dem KZ als Widerstandskämpfer gegen Spaniens rechtsgerichtete Franco-Regime eingekerkert worden.

Insgesamt gab es mehr als 7000 spanische Gefangene in den Konzentrationslagern der Nazis. Es waren durchweg Angehörige der linken Republikaner, welche im spanischen Bürgerkrieg zwischen 1936 und 1939 die gewählte Republikregierung gegen die Militärputschisten von General Franco verteidigten.

Heute gehören Santisteban und Tello zu den Zeugen im Strafverfahren gegen drei mutmaßliche NS-Verbrecher der SS-Division „Totenkopf“, denen in Spanien vor dem Nationalen Gerichtshof der Prozess gemacht werden soll. Befriedigung, aber auch Enttäuschung macht sich bei den beiden KZ-Überlebenden breit: „Der Prozess kommt spät. Es sind heute nur noch wenige jener Republikaner, die in den Lagern schmachteten, am Leben.“ Spaniens Demokratie habe diese spanischen Opfer, die mit Billigung der Franco-Diktatur (1939-1975) in die KZs verschleppt worden waren, schlicht „vergessen“.

Nun versucht der spanische Untersuchungsrichter Ismael Moreno mehr als 60 Jahre nach den Qualen, dem Recht und der Gerechtigkeit noch einmal eine Chance zu geben. Er stellte gegen die drei inzwischen über 80-jährigen NS- Verbrecher internationale Haftbefehle aus und will später ihre Auslieferung beantragen. Zwei von ihnen, Johann Leprich (84) und Anton Tittjung (84), leben heute in den USA. Der dritte, Josias Kumpf (84), hält sich in Österreich auf. Den drei ehemaligen KZ-Aufsehern wird die Folter und Ermordung von mindestens 4300 spanischen Gefangenen in den Lagern Mauthausen, Sachsenhausen und Flossenbürg vorgeworfen. Nach dem Zusammenbruch von Hitlers Nazi-Reich flüchteten die drei mit falschen Papieren in die USA, wo sie sogar vorübergehend die US-Staatsbürgerschaft erhielten. Nach der Aufdeckung ihrer Nazi-Vergangenheit wurde ihnen der US-Pass wieder entzogen. Leprich und Tittjung leben nun als Staatenlose in den USA. Kumpf war im Frühjahr nach Österreich abgeschoben worden.

Ursprünglich sollte auch der mutmaßliche NS-Verbrecher John Demjanjuk (89) in Spanien vor Gericht kommen. Er war im Mai nach Deutschland abgeschoben worden. Nachdem die Staatsanwaltschaft München Anklage gegen Demjanjuk wegen Mordes und Beihilfe zum Mord von mehr als 27 000 Juden erhob, wartet Spaniens Nationaler Gerichtshof nun zunächst einmal die weitere Entwicklung in Deutschland ab.

Ralph Schulze

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