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Konzertierte Aktion: Im Konzert der Mächtigen

Bundespräsident Köhler hat angesichts der Wirtschaftskrise zu einer „konzertierten Aktion“ aufgerufen. Wann gab es so etwas schon einmal, hat es funktioniert, und wäre dies ein Vorbild für heute?

In Not- und Krisenzeiten rückt man am besten zusammen. Daran hat jetzt, angesichts der dramatischen Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die deutsche Wirtschaft, Bundespräsident Horst Köhler erinnert. Und alle Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft zu einer Neuauflage der „konzertierten Aktion“ aufgerufen. Die Rezession sei zwar da, aber die Krise lasse sich am wirkungsvollsten durch das gezielte Zusammenwirken aller Beteiligten – aus Sicht des Präsidenten sind das die Bundesregierung, Arbeitgeber, Gewerkschaften und Banker – bewältigen.

Der Rückgriff auf die konzertierte Aktion soll dabei offenkundig suggerieren, dass so etwas ja schon einmal gelungen sei, nämlich Mitte der 60er Jahre. Damals war das Wirtschaftswunderland Bundesrepublik unter Kanzler Ludwig Erhard (CDU) in seine erste veritable Wirtschaftskrise geschlittert. Angesichts der hohen Inflationsrate schien die Geldwertstabilität bedroht, und mit dem Zechensterben schnellte auch die Arbeitslosenquote nach oben.

Einzelinteressen sollten zurückgestellt werden

Bereits 1965 hatte der Sachverständigenrat eine Gemeinschaftsaktion zur Wiederherstellung der Geldwertstabilität gefordert. Doch erst nach dem Sturz Erhards machte sich Karl Schiller (SPD) 1967 als Wirtschaftsminister der Großen Koalition diese Forderung zu eigen – indem er sie wesentlich erweiterte. Im besten Keynes’schen Sinne legte er im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz die Basis für eine Art wirtschaftlicher Globalsteuerung. Ziel war es, bei einem möglichst stetigen und gleichmäßigen Wirtschaftswachstum für ein stabiles Preisniveau, einen hohen Beschäftigungsstand und die Wahrung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts zu sorgen. Bei der Erreichung dieser Ziele sollte die Regierung von den Teilnehmern der konzertierten Aktion unterstützt werden. Das waren damals die Arbeitgeber und die Gewerkschaften, aber auch die Gebietskörperschaften und die Bundesbank.

Das Kalkül Schillers: Die Verbände würden die Wahrnehmung ihrer normalerweise gegeneinander gerichteten Einzelinteressen nach den Beratungen in der konzertierten Aktion immer dann zurückstellen, wenn eines der Stabilitäts- und Wachstumsziele gefährdet wäre. Entsprechende „Orientierungsdaten“ dafür würden jeweils vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegt, etwa in Form des Jahreswirtschaftsberichts.

Am Anfang hat es funktioniert

Am Anfang, als es wesentlich um die Bekämpfung der Inflation und der Massenarbeitslosigkeit ging, hat die konzertierte Aktion auch funktioniert– zum Beispiel bei der Konzeption des Arbeitsförderungsgesetzes, mit dem der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit besondere Zuständigkeiten für die Förderung der beruflichen Bildung, der Fortbildung und der Umschulung übertragen wurde. Ähnliches gilt für das Lohnfortzahlungsgesetz, das Arbeiter und Angestellte im Krankheitsfall materiell gleichstellte. Doch schon Ende der 60er Jahre zeichnete sich ab, dass Arbeitgeber und Bundesregierung über die konzertierte Aktion auch den tarifpolitischen Handlungsspielraum der Gewerkschaften beschneiden wollten. Schon deren Lohnzugeständnisse in den ersten Jahren waren der Gewerkschaftsbasis kaum zu vermitteln: Bereits 1969 kam es zu ersten spontanen Streiks. In der Folge gingen die Lohnforderungen in die Höhe, bis die ÖTV des Heinz Kluncker 1974 der öffentlichen Hand ein Lohnplus von mehr als zehn Prozent abtrotzte (und damit zum Niedergang des damaligen Kanzlers Willy Brandt (SPD) beitrug). Die Beratungstreffen der konzertierten Aktion waren zwischenzeitlich zum Ritual erstarrt. Statt der ursprünglich knapp 30 Teilnehmer kamen nun 80 Personen und mehr, statt offener Diskussionen gab es vorgefertigte Statements, die in der Sache niemanden mehr weiterbrachten. 1977 war es dann mit der Gemeinschaftsveranstaltung vorbei: Die Gewerkschaften nahmen die Verfassungsklage der Arbeitgeber als willkommenen Anlass, sich aus der konzertierten Aktion zu verabschieden.

Zu Beginn der 80er Jahre versuchte Otto Graf Lambsdorff (FDP) noch einmal, der Gemeinschaftsaktion neues Leben einzuhauchen – vergeblich. Die Gewerkschaften hatten signalisiert, dass sie keinesfalls zurückkommen würden, wenn die Regierung in Form von Empfehlungen für vermeintlich „vernünftige“ Lohn- und Gehaltssteigerungen weiterhin die Grundsätze der Tarifautonomie beschneiden wolle. An die Stelle der konzertierten Aktion traten dann mehr oder weniger regelmäßig Spitzentreffen beim jeweiligen Kanzler.

Im Bündnis für Arbeit lebte die Idee wieder auf

Ein Versuch der Gewerkschaften, an die konzertierte Aktion anzuknüpfen, war das von der IG Metall initiierte Bündnis für Arbeit. Hier hatten die Gewerkschafter von vornherein die Bereitschaft zur Lohnzurückhaltung signalisiert, wenn im Gegenzug neue Arbeitsplätze geschaffen und die sozialen Besitzstände nicht angegriffen würden. Letztendlich war aber auch diese Initiative nicht belastbar, obwohl sie von Gerhard Schröder ins Regierungsprogramm von Rot-Grün aufgenommen worden war.

Fraglich also, was eine konzertierte Aktion in Sachen Finanzkrise jetzt bringen soll. Bundespräsident Köhler hat selbst herausgestellt, dass die jüngsten Tarifvereinbarungen in der chemischen Industrie und im Metallbereich durchaus verantwortungsbewusst und damit krisengerecht ausgefallen seien.

Als Hauptproblem hat der Präsident zudem die mangelnde Bereitschaft der Banken ausgemacht, sich untereinander Geld zu leihen – denn nur so seien sie auch in der Lage, die benötigten Kredite an die mittelständische Wirtschaft auszugeben. Auf das Verhalten der Banken untereinander aber haben weder Arbeitgeber noch Gewerkschaften Einfluss. Hier ist die Regierung am Zug, zum Beispiel durch Konkretisierungen und für alle Geldhäuser verbindliche Festlegungen im 480 Milliarden Euro schweren Rettungspaket für den Finanzsektor. Insoweit hat Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) gar nicht so Unrecht, wenn er feststellt, dass es die von Köhler geforderte Gemeinschaftsaktion schon gibt: Für Sonntag ist das nächste Gipfeltreffen bei der Kanzlerin anberaumt.

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