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Im Sturmschritt. Weißrussische Polizisten 2010 auf dem Weg zu einer Demonstration von Lukaschenko-Gegnern in Minsk. Foto: Alexei Filippov/dpa

© picture alliance / dpa

Kooperation mit Weißrussland: "Es wird Zeit für das Innenministerium, die Hosen runterzulassen"

Deutschland hat weißrussische Sicherheitskräfte geschult - und offenbar auch mit Ausrüstung beliefert: Die Opposition verlangt Aufklärung und bezeichnet die Erklärungen von Innenminister Friedrich als "Augenwischerei".

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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) steht wegen der deutsch-weißrussischen Kooperation bei der Ausbildung von Sicherheitskräften weiter in der Kritik. Die SPD kündigte an, Friedrich so rasch wie möglich vor den Innenausschuss zu laden. Linke und Grüne kündigten umfassende Fragenkataloge an die Bundesregierung an. Vor allem die Erklärungen Friedrichs zu Ausrüstungslieferungen an weißrussische Sicherheitskräfte am Montag griffen vielen zu kurz. Das Innenministerium hatte zwar zugegeben, Computer, Digitalkameras und Fahrzeuge geliefert zu haben, nur von Schlagstöcken wollte man nichts wissen – zumindest im Bundesinnenministerium. Blieben noch die Länder.

„Die Erklärungen des Bundesinnenministeriums sind wachsweich und trickreich. Es wird Zeit für das Innenministerium, die Hosen runterzulassen“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann. Er sei grundsätzlich für polizeiliche Zusammenarbeit, auch mit schwierigen Staaten, „aber es gibt ,rote Linien‘ und im Fall Weißrussland war die spätestens dann überschritten, als klar war, dass Lukaschenko keine Reformen im Sinn hat“. Der Linken-Abgeordnete Jan Korte sagte, Friedrich versuche, sich bei der Lieferung von Video- und Computertechnik herauszureden, dies aber sei „nichts als Augenwischerei“. Denn: „Jeder weiß, wie wichtig gerade diese Technik für die Führung von Polizeieinheiten ist.“

Auch die Grünen sehen noch Klärungsbedarf. „Mit Erstaunen“ habe man diese Hilfe Deutschlands zur Kenntnis genommen. „Es wäre schön, wenn auch die Zivilgesellschaft Unterstützung erhalten würde“, sagte Grünen-Parteichef Cem Özdemir am Montag. Darin solle das Hauptengagement liegen und nicht in der Unterstützung einer Polizei, „die dann anschließend die Bevölkerung niederknüppelt“, sagte Özdemir. Er habe nichts dagegen, die Polizei auszubilden. Dies müsse aber im „rechtsstaatlichen Rahmen“ erfolgen.

Die Grünen-Außenpolitikerin Marieluise Beck sagte: „Im Umgang mit dem autoritär-diktatorischen Regime wäre Skepsis angebracht gewesen, doch dafür mangelt es offensichtlich an politischer Sensibilität und Klugheit.“ Ihre Fraktion bereitet gerade einen umfassenden Fragenkatalog an die Regierung vor, in dem es unter anderem um die Begründung der Zusammenarbeit mit Weißrussland, die Verantwortlichen und mögliche Absprachen mit europäischen Partnern gehen soll. Die Grünen wollen auch wissen, ob ausgerechnet ein Schulungsbesuch von Sicherheitskräften aus Weißrussland beim Castor-Transport 2010 geeignet gewesen sei, um „bürgernahes Vorgehen“ zu demonstrieren. Thematisiert werden sollen auch Schulungen mit der Spezialeinheit der Bundespolizei, der GSG 9.

"Das Auswärtige Amt geht auf Tauchstation"

Unterstützung erhält Friedrich dagegen von seiner Partei. CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl sieht vielmehr Friedrichs Vorgänger und das Auswärtige Amt in der Pflicht. „Ich sehe Innenminister Hans-Peter Friedrich nicht in unmittelbarer Verantwortung, vielmehr müssen seine Vorgänger Wolfgang Schäuble und Thomas de Maizière die Zusammenarbeit erklären und rechtfertigen“, sagte Uhl. Ihn wundere auch, dass „das Auswärtige Amt in dieser Angelegenheit so auf Tauchstation geht, schließlich war es ein auf EU-Ebene abgestimmtes Vorgehen, das auch vom Auswärtigen Amt und dem Kanzleramt gewünscht war“. Entscheidend in diesem Fall sei der zeitliche Ablauf und die Frage, ob rechtzeitig ein Ausstieg aus dem Programm in die Wege geleitet wurde. „Aber selbst wenn das geschehen sein sollte, ist klar, dass man nicht auf Knopfdruck da rauskommt“, sagte Uhl. Er plädiert insgesamt für ein offensiveres Vorgehen in der Entwicklungszusammenarbeit im Sicherheitsbereich. „Denn unsere deutsche Sicherheitspolitik und Sicherheitsarchitektur ist ein Exportgut, das wir viel besser vermarkten müssen. Viele wollen nur Brunnen bauen, statt eine demokratische Sicherheitsstruktur aufzubauen. Aber wir brauchen beides.“

Die Opposition ist in der Frage, wie man mit polizeilicher Zusammenarbeit und Ausrüstungslieferungen künftig umgehen soll, nicht einig. Während die SPD die Parlamentskontrolle verbessern, aber keinen Parlamentsvorbehalt will, fordert Korte, dass über Lieferung von Ausrüstungen der Innenausschuss vor der Genehmigung informiert werden müsse. Die Linke sieht Probleme nicht nur bei der Zusammenarbeit von Bundes- und Landesbehörden mit Minsk, sondern auch mit „anderen autoritären Regimen“ wie etwa dem in Saudi-Arabien. Seit fast zwei Jahren ist bekannt, dass die Bundespolizei bei der Ausbildung des Grenzschutzes in Saudi-Arabien eingesetzt wird. Erst im Juli hatte die Regierung auf Anfrage der Linksfraktion berichtet, dass bisher mehr als 3300 Angehörige des dortigen Grenzschutzes ausgebildet wurden. Insgesamt 93 Bundespolizisten waren demnach im Norden des Landes im Einsatz, sie erhielten teilweise satte Zulagen auf ihr Grundgehalt. Eine Ausweitung des Projektes sei geplant, es werde sich „voraussichtlich über einen Zeitraum von weiteren fünf Jahren erstrecken“. Die Regierung widersprach damals Berichten, wonach Ausbildungsinhalte zur Frage der Menschenrechte gestrichen worden seien. Sie sollten nur „in anderem Zusammenhang ausführlicher unterrichtet werden“. Allerdings sei „eine verständliche adressatengerechte Übersetzung“ von Begriffen aus der deutschen Rechtsordnung ins Arabische „nur schwer möglich“, gab die Regierung zu.

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