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Kopenhagen: Austeilen und Einstecken

Die Gegensätze der beteiligten Länder liegen offen - aber es kommt jetzt auch Bewegung in die Lager.

Berlin - Dramatische Höhepunkte und Auf-der-Stelle-Treten gehören zu Klimagipfeln wie Regen zu Kopenhagen. Der Ton blieb auch am vierten Tag nach der ersten Krise der Verhandlungen über ein neues globales Klimaschutzabkommen gereizt. Das ganze Ausmaß der Meinungsverschiedenheiten über den richtigen Weg in eine Zukunft ohne „gefährlichen Klimawandel“, wie es in der 1992 beschlossenen Klimarahmenkonvention heißt, liegt offen zutage.

Am Mittwoch hatte der pazifische Inselstaat Tuvalu verlangt, sein Überleben dadurch zu sichern, dass sich die Welt darauf verständigt, die globale Erwärmung bei 1,5 Grad zum vorindustriellen Niveau zu stoppen. Der Kleinstaat scheiterte mit seiner Initiative nicht nur an den Industriestaaten, die sich nicht weiter dazu äußerten, sondern auch an den Schwellenländern China, Indien und Brasilien, die den Antrag glatt ablehnten. Tuvalu hatte nämlich eine rechtlich verbindliche Fortsetzung des Kyoto-Protokolls verlangt, das alle Staaten einbeziehen solle.

Auf verbindliche Klimaziele wollen sich die Schwellenländer aber nicht einlassen. Am Donnerstag veröffentlichte die französische Zeitung „Le Monde“ ein Papier, das China, Indien, Brasilien, Südafrika und der Verhandlungsführer der Entwicklungsländergruppe G 77, der Sudanese Lumumba Stanislas Dia-Ping, kurz vor Kopenhagen erarbeitet hatten. Darin werden verbindliche Reduktionsverpflichtungen der Industrieländer um 25 bis 40 Prozent bis 2020 im Vergleich zu 1990 verlangt, die Schwellenländer ihrerseits wollten eigene Beiträge „basierend auf ihren nationalen Umständen“ leisten. Verbindlich sollen sie nicht sein.

US-Präsident Barack Obama hatte angekündigt, die USA wollten ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um 17 Prozent im Vergleich zu 2005 senken, das entspricht nach einer Berechnung des Klimaökonomen Nicolas Stern in etwa drei Prozent im Vergleich zu 1990. Obamas Chef-Klimadiplomat Todd Stern reagierte jedenfalls nach seiner Ankunft in Kopenhagen gereizt auf die Forderungen Chinas, die USA müssten nachbessern. Er wies darauf hin, dass die USA ihre Emissionen bis 2025 um fast 30 und bis 2030 um 42 Prozent im Vergleich zu 2005 senken wollten. „Das ist ein sehr, sehr bedeutendes Angebot“ und bedeute eine „erdbebenartige Veränderung“ der US-Politik. Außerdem sei es eine Frage der Mathematik, dass China und die anderen Schwellenländer ihre Emissionen ebenfalls drücken müssten. Auch die Bundeskanzlerin wies vor ihrer Abreise zum EU-Gipfel darauf hin, dass die Europäer das Problem nicht alleine lösen könnten. Wichtig sei es, die Entwicklungsländer „davon zu überzeugen, dass wir alle gemeinsam in einem Boot sitzen“. Allerdings sieht sie die Industriestaaten in der Verantwortung, eine Vorreiterrolle zu übernehmen.

Diese Idee kommt in den USA weniger gut an. Todd Stern sagte in Kopenhagen, die USA würden wegen der historischen Treibhausgasemissionen der vergangenen 200 Jahre keine „Klimareparationen“ bezahlen. „Die meiste Zeit der 200 Jahre seit der Industriellen Revolution, war den Menschen nicht klar, das die Emissionen den Treibhauseffekt auslösen“, sagte er. Auch die Vorstellung, China könnte womöglich von Mitteln profitieren, die Industrieländer für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaften in Entwicklungsländern aufbringen sollen und wollen, hält Stern für geradezu absurd. „China hat zwei Billionen Dollar Reserven. Wir glauben nicht, dass China der erste Kandidat für eine öffentliche Finanzierung sein könnte.“

Su Wei, der Chef-Klimadiplomat Chinas merkte zu Sterns Äußerungen lediglich an, dass die „historische Verantwortung der Entwicklungsländer sehr gering“ sei. Zudem „wachsen die Emissionen der USA, obwohl diese ihre Industrialisierung schon lange abgeschlossen haben“.

Nachdem die Kampflinien bisher ziemlich klar zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern verlaufen waren, kommt nun Bewegung in die verschiedenen Lager. Denn die Interessengegensätze zwischen den verschiedenen Entwicklungsländergruppen werden zum ersten Mal auf einem Klimagipfel nicht mehr künstlich zugeschüttet. Die kleinen Inselstaaten sind nicht mehr bereit, sich auf den kleinsten möglichen Nenner einzulassen. Die Ölstaaten der Opec scheren immer mehr aus der G 77 aus, und auch die Schwellenländer versuchen sich offenbar, nicht mehr immer hinter den armen Entwicklungsländern zu verstecken.

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