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UN-Klimagipfel in Kopenhagen

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Kopenhagen: Klimagipfel: Mehr Fragen als Antworten

Nach neun Verhandlungstagen eint die 192 in Kopenhagen vertretenen Regierungen nur noch eines: der Überdruss aneinander. Umweltminister Norbert Röttgen bemüht für die Beschreibung der Atmosphäre in der dänischen Hauptstadt einen eigenartigen Vergleich.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) wünscht sich, dass am Ende des Weltklimagipfels in Kopenhagen „nur noch der Notar kommen muss“. Am Mittwochvormittag beschrieb er den aus seiner Sicht idealen Ausgang des Gipfels mit dem Bild eines „Ehepaars vor der Scheidung, das genau weiß, was es will, aber nicht, wie es das rechtlich richtig ausdrücken soll“. Der Vergleich ist angesichts des Vorhabens, eine neue Ära der weltweiten Zusammenarbeit einzuläuten, indem ein neues, verbindliches Klimaabkommen ausgehandelt wird, eigenartig missglückt – und doch treffend. Nach neun Verhandlungstagen eint die 192 in Kopenhagen vertretenen Regierungen nur noch eines: der Überdruss aneinander. Unterdessen übergab Konferenzpräsidentin Connie Hedegaard die Leitung am Mittwoch dem dänischen Ministerpräsidenten Lars Loekke Rasmussen. Hedegaard erklärte, dies sei protokollarisch angemessen, da sich von nun an die Staats- und Regierungschefs einschalteten.

Zuvor hatten in der Nacht zum Mittwoch die beiden wichtigsten Verhandlungsgruppen ihre Abschlussberichte beschlossen. Die Kyoto-Arbeitsgruppe schaffte es bis Mitternacht, ein Abschlusspapier abzustimmen, das mehr Fragen offen lässt, als es beantwortet. Dafür begann die Arbeitsgruppe, in der auch die USA mitverhandeln, ihr Plenum erst nach Mitternacht und schloss die Beratungen um sieben Uhr morgens nahezu ohne Ergebnis. Die Nacht ging damit vorbei, dass die USA alle Konsenspunkte wieder infrage stellten. Daraufhin begannen andere Delegationen absurde Anträge zu stellen – etwa wie den, dass die Industriestaaten ihre Emissionen bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 100 Prozent vermindern sollten. All das steht nun in eckigen Klammern – das Zeichen für Uneinigkeit in UN-Verhandlungen.

Dass die Minister ihren Staats- und Regierungschefs am Ende dieser Verhandlungswoche in Kopenhagen kein halbes Buch als Arbeitsgrundlage weiterreichen können, damit diese dann das Unmögliche schaffen, steht für Röttgen außer Frage. Deshalb feilte er am Mittwoch in einem Club von 25 Ministern an einem neuen Entwurf für ein Beschlusspapier, „das die Ergebnisse der Arbeitsgruppen berücksichtigt“ – also ebenfalls mit eckigen Klammern gespickt sein dürfte. Am späten Mittwochabend sollte der Entwurf vorliegen, gegen den wichtige Schwellen- und Entwicklungsländer im Plenum bereits protestierten, als er noch gar nicht erarbeitet war.

Doch nicht nur im Konferenzzentrum ist die Stimmung schlecht. Draußen ist sie nicht besser. Hubert Weiger, dem Chef des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), wurde samt seiner Delegation und der internationalen Partnerorganisation „Friends of the Earth“ schon am Mittwoch der Zugang zum Bella-Center verweigert. Am Mittwoch erhielten nicht mehr als 7000 Vertreter von Nichtregierungsorganisationen (NGO) Einlass, an diesem Donnerstag soll die Zahl auf 1000 beschränkt werden, am Freitag dann auf 90. Der deutsche Industrieverband BDI sagte wegen der Zugangsbeschränkungen eine für diesen Donnerstag geplante Veranstaltung ab.

BUND-Chef Weiger und seine Delegation traten dagegen in einen Sitzstreik in der Eingangshalle; fast sechs Stunden hielten sie durch, wurden von der Polizei isoliert, interessierte Journalisten wurden abgedrängt. Die dänische Polizei, die sich durch unverhältnismäßige Härte auszeichnet, war am Mittwoch auf alles gefasst. Die militanteren Teile der Klimabewegung hatten die Stürmung des Kongresszentrums angekündigt – was die Polizei zu verhindern wusste.

Die 120 Staats- und Regierungschefs dürften unterdessen von den Protesten kaum etwas mitbekommen. Vielleicht hilft ihnen diese Abschottung, das zu schaffen, was der Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep), Achim Steiner, von ihnen erwartet: „Sie müssen den Durchbruch bringen“, sagte er dem Tagesspiegel in Kopenhagen. „Wenn das hier nicht gelingt, gibt es auf Jahre hinaus keine neue Chance mehr. In diesem Bewusstsein reisen die meisten auch an.“ Steiner hält einen erfolgreichen Ausgang dennoch für möglich, wenn die Industrieländer den Entwicklungsländern ernsthafte finanzielle Zusagen machen. Es funktioniere nicht, eine dreijährige Soforthilfe für die Jahre von 2010 bis 2012 anzubieten, „um einen 20 Jahre langen Transformationsprozess der Wirtschaft in eine klimafreundliche Zukunft zu bezahlen“. Jetzt müssten die Industrieländer „ein Zeichen setzen, dass sie bereit sind, in diese neue gemeinsame Klimapolitik zu investieren“. Steiner hat Verständnis dafür, dass die Entwicklungsländer an den Zusagen zweifeln, denn nur ein Bruchteil der Industriestaaten bringt die seit Jahren versprochenen 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Unterstützung von Entwicklungsländern auf. Steiner findet: „Es ist an der Zeit, dass international gemachte Finanzzusagen auch einmal eingehalten werden.“

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