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Politik: Kopfschuss oder Schädelbruch?

Die Frage, woran Benazir Bhutto starb, ist ungeklärt und dürfte auch im Dunkeln bleiben – denn eine Autopsie gab es nicht

Woran starb Benazir Bhutto? An einem Schädelbruch, wie Pakistans Regierung behauptet? Oder an einer Schusswunde, wie Zeugen sagen? Und wer steckt dahinter? Islamistische Extremisten oder doch ganz andere Kräfte? Drei Tage nach der Ermordung der früheren Premierministerin werden die Umstände der Tat immer rätselhafter. Bhuttos Partei PPP widersprach am Wochenende vehement den Angaben der Regierung. Seltsam schnell, nur einen Tag nach der Tat, hatte diese über den Hergang und die Täter Angaben gemacht. Der Anschlag auf Bhutto gehe auf das Konto von Al Qaida und der Taliban, erklärte Innenminister Hamid Nawaz. Als Beweis legte er den Mitschnitt eines Telefonats des pakistanischen Taliban-Chefs Baitullah Mehsud vor. Darin gratuliert ihm ein angeblicher Al-Qaida-Anführer zum erfolgreichen Mordanschlag auf Bhutto.

Baitullah ließ aber umgehend dementieren, dass er hinter dem Attentat steckt. Ein Sprecher des Milizenanführers erklärte, die Regierung wolle die „Taliban-Bewegung diffamieren“. „Baitullah und seine Anhänger sind nicht in den Mord an Frau Bhutto verwickelt. Es ist gegen unsere Stammesbräuche und Traditionen, eine Frau zu töten“, behauptete der Sprecher.

Doch nicht nur die möglichen Drahtzieher bleiben vorerst im Dunkeln. Selbst simple Fakten sind umstritten. Todesversion steht gegen Todesversion. Das Innenministerium ließ erklären, Bhutto sei nicht an einer Schussverletzung, sondern an einem Schädelbruch gestorben. Zwar seien drei Schüsse abgefeuert worden, diese hätten sie aber verfehlt. Als Bhutto, die aus dem Schiebedach ihres Geländewagens der Menge zuwinkte, sich wegduckte, habe sie sich den Kopf an einem Hebel gestoßen und tödlich verletzt. Dieser Version widerspricht jedoch die Bhutto-Vertraute und Augenzeugin Sherry Rehman. Das sei „Unsinn“, sagte sie. Sie war mit Bhutto im Wagen und war auch dabei, als die Tote die letzte Waschung erhielt. „Sie hat eine Schusswunde am Kopf gehabt.“ Die Kugel sei am Hinterkopf eingeschlagen und auf der anderen Seite ausgetreten. Bhuttos Chefberater Safdar Abbassi sagte der britischen Zeitung „Sunday Telegraph“, die Getötete habe aus einer Wunde am Nacken geblutet. Er widersprach nicht den Regierungsangaben, betonte jedoch, Bhutto sei zuerst angeschossen worden. Mit einer weiteren Version wartete der Chirurg Mussadiq Khan auf, der Bhuttos Tod feststellte. Die Wunde könne von einem Splitter aus der Bombenexplosion stammen, meinte er.

Zu den Merkwürdigkeiten gehört, dass keine Autopsie der Leiche angeordnet wurde – eigentlich ein Muss in solchen Fällen. Das Innenministerium erklärte, die Familie von Bhutto habe eine Autopsie abgelehnt. Man werde aber notfalls die Leiche von Bhutto exhumieren, um die Todesursache zu klären. Angeblich wurde auch der Tatort schnell gesäubert – und so mögliche Beweise vernichtet. Dies nährt Spekulationen, dass staatliche Institutionen in das Attentat verwickelt sein könnten. In den indischen Zeitungen ist meist die Rede vom Geheimdienst ISI. Sollte die 54-Jährige tatsächlich an einem Kopfschuss gestorben sein, spricht dies für einen trainierten Schützen.

Bhuttos Tod wäre nicht der erste politische Mordfall in der Geschichte Pakistans, dessen Hintergründe für immer im Dunkeln bleiben. Der Tod von Militärherrscher Mohammed Zia ul Haq, der im August 1988 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, gibt bis heute Rätsel auf. Auch Bhuttos Bruder Shahnawaz starb unter mysteriösen Umständen 1985 in Frankreich. Ihr anderer Bruder Mir Murtaza, der mit ihr politisch rivalisierte, wurde während ihrer zweiten Regierungszeit 1996 in Karatschi in einem Gefecht mit der Polizei getötet. In Pakistan hält sich bis heute das Gerücht, dass Bhuttos Ehemann Asif Ali Zardari dahintersteckt. Die Tochter von Mir Murtaza, Fatima Bhutto, legte nahe, dass auch ihre Tante Benazir in die Tat eingeweiht war. Doch die Ermittlungen verliefen im Sande, die Drahtzieher wurden nie gefasst.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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