zum Hauptinhalt
Singen gegen den Hass. Die Männerschola in der Kairoer Markus-Kathedrale während der Christmette der Kopten in Kairo am Donnerstagabend.

©  Katharina Eglau

Kopten in Ägypten: Weihnacht im Zorn

In dieser Heiligen Nacht war nichts normal und nichts Routine. Die Kopten vermeiden in der Kairoer Christmette dennoch eine direkte Kritik an der Regierung.

Nur einmal, für einen Moment, klang seine greise Stimme kräftig und fest. „Wir dürfen jetzt nicht in Angst verfallen, wir müssen auf Gott vertrauen“, rief der koptische Papst Shenouda III. seinen Mitgläubigen zu. „Wir trauern um unsere Schwestern und Brüder in Alexandria, die ohne jeden Grund getötet wurden“, erklärte er und dankte allen Helfern und Ärzten noch einmal für ihren Einsatz am Anschlagsort. Politische Forderungen an die ägyptische Führung wie noch Anfang der Woche kamen dem Kirchenoberhaupt in der Christmette nicht erneut über die Lippen. „Der Staat steht in der Pflicht. Er muss endlich die Probleme der Kopten anerkennen und zu lösen versuchen“, hatte er in dem ungewöhnlich freimütigen Fernsehinterview verlangt. Seine zehnminütige Weihnachtspredigt hielt der 87-Jährige im goldenen Messgewand frei und ohne Manuskript, in der linken Hand den Hirtenstab, in der rechten ein Kreuz und umringt von drei Leibwächtern.

Vor ihm auf den Ehrenplätzen der Kairoer Markus-Kathedrale scharen sich ein Dutzend Kabinettsmitglieder um Gamal Mubarak. Mit zwanzig Minuten Verspätung war der mögliche Thronfolger seines Vaters Hosni durch die Seitentür hereingeschlüpft, offenbar um Buhrufen der Gläubigen zu entgehen, die drei Tage zuvor noch einen Minister mit Steinwürfen vom Gelände gejagt hatten. Nach dem Wortgottesdienst drückte er dem Kopten-Papst noch kurz die Hand, überbrachte seine Weihnachtswünsche und verschwand eilenden Schrittes draußen in der Nacht. Im Tross folgten die meisten anderen muslimischen Ehrengäste – für die politische Klasse Ägypten, so scheint es, auch diesmal ein Routinetermin wie viele andere.

Doch nichts war in dieser Heiligen Nacht normal und nichts Routine. In allen Städten des Landes sicherte ein beispielloses Aufgebot an Polizei und Militär die 2000 Kirchen. Vor der „Kirche der zwei Heiligen“ in Alexandria, wo in der Neujahrsnacht das Attentat mit 23 Toten stattfand, zwängten sich hunderte Menschen durch die dichten Polizeikontrollen. „Um zu überleben, müssen wir Kopten gegen unsere Angst und unseren Schmerz angehen”, sagte eine junge Frau vor der Tür einem AFP-Reporter. „Wir müssen stärker sein als die Terroristen, darum bin ich zur Messe gekommen.“

Die Trauer nach dem Anschlag von Alexandria ist allgegenwärtig.
Die Trauer nach dem Anschlag von Alexandria ist allgegenwärtig.

© Katharina Eglau

Ähnlich denken viele Kopten, die an diesem Abend trotz der Angst vor neuen Anschlägen die Gotteshäuser füllen. In Oberägypten hatten Pfarrer schwarze Tücher an den Kirchdächern befestigen lassen. Der große Hof um die Papst-Kathedrale im Stadtteil Abbasiya, auf dem es in früheren Weihnachtsnächten von fröhlich plaudernden Besuchern wimmelte, war diesmal gespenstisch leer. Keine ausgestreuten Blumen, keine emsigen Devotionalienhändler, keine roten Festteppiche wie sonst. Die Menschen strömten schweigend ins Innere.

So wie Ayman Noeem, der einen schwarzen Schal um den Hals trägt. Er ist Taxifahrer. Aus der Jackentasche zieht er eine kleine Olympus-Kamera, die bald durch die Sitzreihen kreist. Kopfschüttelnd und stumm starren seine Stuhlnachbarn auf den kleinen Monitor mit Fotos aus der Intensivstation der Sankt-Markus-Klinik. Vor zwei Tagen hat Ayman Noeem eine schwedische Journalistin nach Alexandria gefahren und dabei die Aufnahmen gemacht. „Das könnte meine Tochter sein“, murmelt einer, als er auf die Fotos der siebenjährigen Clara klickt. Mit großen brauen Augen lugt das Kind ängstlich unter seiner weißen Bettdecke hervor, sein Gesicht übersät von Brandwunden. Arme und Beine sind mit Verbänden umwickelt.

Einige Straßen entfernt von der immer noch blutbeschmierten Kirche versuchten in der Weihnachtsnacht zwei Dutzend Muslime, ihre Solidarität zu zeigen. „Nein zum Terrorismus, ja zu Bürgerrechten“ hatten sie auf ihre Plakate geschrieben und „Lange lebe das Kreuz und der Halbmond“. Viele Kopten in der Stadt jedoch sind skeptisch, dass sich im Verhältnis zu den Muslimen bald etwas ändern wird – zumal der Selbstmordattentäter offenbar ein Einheimischer ist. Denn inzwischen ist ein Foto aufgetaucht, das den Mann auf dem Fahndungsfoto bei einer der Hass-Kundgebungen nach dem Freitagsgebet gegen den koptischen Papst Shenouda III. zeigt. „Natürlich gibt es anständige Muslime, die uns jetzt trösten und zu uns stehen“, sagt Michael Ghattas, Professor für Kirchenmusik, der aus der Hafenmetropole stammt. „Aber das alles wird schnell wieder verfliegen, wenn die Regierung keine Lösungen findet für unsere Probleme.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false