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Kosovo

© AFP

Kosovo: Land von gestern

Nach der Wahl will das Kosovo seine Unabhängigkeit erklären – die wirtschaftlichen Probleme werden damit nicht gelöst. Es bleibt nur die vage Hoffnung, dass Investoren kommen.

Im Kosovo haben rund 1,5 Millionen Stimmberechtigte ein neues Parlament und neue Kommunalvertretungen gewählt. Mit dem Ergebnis wird am Sonntag gerechnet. Für die meisten Kosovaren hat die Wahl allerdings nur wenig Bedeutung. Denn egal, wer sie gewinnt, die wichtigste politische Frage wird von den Parteien der albanischstämmigen Bevölkerungsmehrheit gleich beantwortet: Das Kosovo soll unabhängig werden, möglichst noch in diesem Jahr.

Sowohl der bisherige Oppositionsführer Hashim Taci von der Demokratischen Partei des Kosovo (PDK) als auch die Demokratische Liga (LDK) von Präsident Fatmir Sejdiu haben im Wahlkampf eine einseitige Unabhängigkeitserklärung angekündigt, sollten die Gespräche mit Serbien über die Zukunft des Kosovo scheitern. Dies ist mehr als wahrscheinlich. In weniger als einem Monat, am 10. Dezember, endet das Mandat der Troika aus Vertretern der EU, der USA und Russlands, die im Auftrag der UN zwischen Belgrad und Pristina verhandeln. Danach wollen die UN ihre Vermittlungsbemühungen für gescheitert erklären.

Eine Besserung ist nicht in Sicht

Auch als eigenständiger Staat wird sich das Kosovo indes mit massiven Problemen konfrontiert sehen. Führende Politiker haben ihren Landsleuten im Wahlkampf Arbeitsplätze und Wohlstand versprochen. Das wird nicht einfach. Die serbische Provinz wurde jahrzehntelang von Belgrad vernachlässigt. Die Infrastruktur ist veraltet, Industrie gibt es kaum. Hauptausfuhrpodukt des Kosovo ist Metallschrott. Zwar verfügt die Provinz über Erzvorkommen sowie über Zink und Nickel, doch die Minen sind technisch nicht auf dem neuesten Stand, so dass an eine Exportproduktion nicht zu denken ist. Nach offiziellen Statistiken sind derzeit rund 40 Prozent aller Kosovaren arbeitslos, tatsächlich dürfte die Zahl jedoch weit darüber liegen, denn da es keine staatliche Unterstützung gibt, lassen sich viele Arbeitssuchende erst gar nicht registrieren.

Eine Besserung ist nicht in Sicht: "Jedes Jahr drängen 30 000 Schulabgänger auf den Arbeitsmarkt, für die es kaum Beschäftigungsmöglichkeiten gibt“, sagt Mechthild Henneke von der UN-Verwaltung im Kosovo. Mehr als 50 Prozent aller Kosovaren sind jünger als 25 Jahre. Wenn sie ohne Zukunftsperspektive bleiben, könnte es zu neuen Unruhen kommen.

Facharbeiter und Lehrer können kaum ein Familie ernähren

Wer Arbeit hat, muss in der Regel dennoch ums tägliche Überleben kämpfen. Facharbeiter verdienen meist nicht mehr als 200 Euro im Monat, Lehrer sogar nur rund 140 Euro. Das ist auch im Kosovo zu wenig, um eine Familie zu ernähren. Viele Krankenhausärzte betreiben inzwischen nebenher Privatpraxen, in denen nur behandelt wird, wer zahlen kann. Die Versorgung im öffentlichen Gesundheitswesen wird gleichzeitig immer schlechter.

Lokale Politiker setzen darauf, Investoren für das Land interessieren zu können, wenn die Statusfrage endlich geklärt ist. Allerdings wurden in den langen Jahren der Isolation im Kosovo nur wenige Fachkräfte ausgebildet, was eine rasche Modernisierung der Wirtschaft nach Ansicht von Experten erschweren dürfte. Aus Sicht der UN gehört die Reform des Bildungswesens zu den drängendsten Problemen des Kosovo: „In den Grundschulen wird noch immer in vier Schichten unterrichtet“, erklärt Sprecherin Mechthild Henneke.

Nach einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung könnten zusätzliche Schwierigkeiten auf das Kosovo zukommen. Zwar ist die wirtschaftliche Abhängigkeit von Serbien nicht sehr hoch; nur 15 Prozent aller importierten Waren stammen vom ungeliebten Nachbarn und nur ein Bruchteil des Stroms. Serbien könnte jedoch die Teilnahme des Kosovo an wichtigen regionalen Vereinbarungen wie dem Zentraleuropäischen Freihandelsabkommen blockieren oder mithilfe seines Fürsprechers Moskau eine Mitgliedschaft beim Internationalen Währungsfonds und bei der Weltbank verhindern. Für ein Land, das dringend Kredite benötigt, sind das keine guten Aussichten.

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