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Kosovo: Schüsse auf die Kfor-Truppen

Bei der Erstürmung eines von Serben besetzten Gerichts im Kosovo werden über 130 Menschen verletzt.

Bei schweren Zusammenstößen zwischen Kosovo-Serben und internationalen Sicherheitskräften in Mitrovica sind mindestens 130 Menschen verletzt worden. Erstmals seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo vor genau einem Monat gingen die UN-Polizei und die Friedenstruppe Kfor offensiv gegen Protestierende vor und nahmen Dutzende fest.

Zu den Ausschreitungen war es gekommen, nachdem UN-Polizisten in den frühen Morgenstunden ein von Kosovo-Serben besetztes Gerichtsgebäude im fast ausschließlich serbisch bewohnten Nordteil der Stadt Mitrovica räumten. Die Besetzer waren frühere serbische Richter und Gerichtsangestellte, die bis zur Übernahme der Verwaltung des Kosovo durch die UN-Behörde Unmik im Sommer 1999 bei diesem Gericht gearbeitet hatten. Nachdem sie am Freitag einen Absperr- Ring von UN-Polizisten durchbrochen hatten, waren die Gerichtsmitarbeiter gewaltsam in das Gebäude eingedrungen und hatten die serbische Flagge gehisst. Sie forderten ihre Wiedereinstellung und die Eingliederung des Gerichts in das serbische Justizsystem.

Hunderte aufgebrachter Serben blockierten die Straßen, als die UN-Polizisten, unterstützt von der Nato-geführten Kosovo-Friedenstruppe Kfor, die im Gebäude verhafteten Besetzer abtransportieren wollten. Die internationalen Sicherheitskräfte wurden mit Steinen beworfen und teilweise auch aus Feuerwaffen beschossen, mehrere ihrer Fahrzeuge gingen in Flammen auf. Die Sicherheitskräfte reagierten mit Tränengas. Es sei erstmals überhaupt auf die Friedenstruppe geschossen worden, bestätigte ein Kfor- Sprecher. Rund 20 der zunächst über 50 Verhafteten konnten im Chaos wieder entkommen. Unter den Verletzten sind nach Informationen von Ärzten in Mitrovica etwa 70 serbische Demonstranten. Gemäß Angaben der Kosovo-Polizei wurden mindestens 25 internationale Sicherheitskräfte verletzt. Fünf von ihnen schwebten in Lebensgefahr, berichtete der Belgrader Sender B92. Als Folge der Zusammenstöße zogen sich die Mitarbeiter der UN-Verwaltung inklusive der UN-Polizei vorübergehend aus Nord-Mitrovica zurück. Die Kfor hat die Kontrolle über den Stadtteil übernommen.

Serbiens Präsident Boris Tadic rief die Kosovo-Serben dazu auf, die Sicherheitskräfte nicht zu provozieren. Gleichzeitig kritisierte er die „übermäßige Gewaltanwendung“ durch Unmik und Kfor, „besonders heute am 17. März, am Tag, an dem das serbische Volk eines der schlimmsten Pogrome durchlebt hat“. Vor genau vier Jahren war es nach dem Tod von zwei albanischen Jungen zu massiven Übergriffen auf Serben gekommen. Dabei kamen elf Kosovo-Albaner und acht Serben ums Leben, etwa 800 Häuser von Nicht-Albanern und 35 serbisch-orthodoxe Kirchen und Klöster wurden zerstört oder beschädigt.

Der serbische Kosovo-Minister Slobodan Samardzic verlangte die Freilassung der festgenommenen Serben und drohte den internationalen Sicherheitskräften unverhohlen: „Falls wir Ordnung und Stabilität aufrechterhalten und falls wir kooperieren sollen, dann ist das eine absolut ultimative Forderung, die Leute sofort freizulassen.“ Bei einer Ansprache in Mitrovica rief er den Versammelten zu: „Das, was sie uns angetan haben, werden wir ihnen zurückzahlen.“ Samardzic hatte schon unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo die Stimmung angeheizt, als er die Zerstörung von zwei UN-Grenzübergängen zwischen dem Kosovo und Serbien durch einen wütenden kosovo-serbischen Mob begrüßt und gerechtfertigt hatte. Damals hatte die UN-Polizei nicht aktiv eingegriffen.

Norbert Rütsche

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