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Tod in der Klinik. Die Koalition plant jetzt strenge und bundesweit einheitliche Regeln.

© dpa

Krankenhaushygiene: Kampf den Keimen

Jährlich sterben bis zu 40.000 Menschen an mangelnder Krankenhaushygiene, fast zehnmal so viele wie im Straßenverkehr. Eine spezielle Ärzte-Prämie soll jetzt Abhilfe schaffen.

Es ist eine horrende Zahl. Schätzungen zufolge sterben pro Jahr bis zu 40 000 Menschen an mangelnder Krankenhaushygiene – das wären fast zehnmal so viele wie im Straßenverkehr. Nach jahrelanger Beschränkung auf Appelle („Hände waschen!“) plant die Koalition nun strenge und auch bundesweit einheitliche Regeln. Vorgesehen sind zudem spezielle Hygienebeauftragte für die Kliniken, Empfehlungen für den Umgang mit resistenten Keimen sowie ein Extrahonorar für Praxisärzte, die Menschen mit derartigen Infektionen behandeln.

In der vergangenen Woche verständigten sich die Koalitionsexperten auf ein entsprechendes Konzept. Einigen in der FDP geht das jedoch nicht weit genug. „Verbindlichkeit ist das Gebot der Stunde“, sagte der Berliner Abgeordnete Lars Lindemann dem Tagesspiegel. Trotz der Zuständigkeit der Länder für ihre Kliniken seien bei der Hygiene einheitliche Standards „unverzichtbar“. Nötig sei eine „bundeseinheitliche Hygieneverordnung“, an die sich alle zu halten hätten. Die bisherigen Pläne sehen lediglich vor, den Ländern den Erlass eigener Hygieneverordnungen zu „erleichtern“.

Konkret forderten die FDP-Politiker Lindemann und Jens Ackermann Standarduntersuchungen auf Klinikkeime bei Risikopatienten. Zudem sei mehr Transparenz vonnöten. „Die Patienten müssen wissen, welche Krankenhäuser und Pflegeheime gute Hygienestandards haben“, es brauche „nach außen sichtbare“ Qualitätssiegel. Und schließlich müsse man „Mechanismen“ zur Verknüpfung von Hygienequalität und Klinikentgelten finden. Wer sich nicht an die Standards halten könne oder wolle, müsse wirtschaftliche Konsequenzen zu spüren bekommen.

Auch wenn es hierzulande vorbildliche Kliniken und Netzwerke gebe, diagnostiziert der FDP-Politiker eine „systembedingte Nachlässigkeit“ – insbesondere im Vergleich zum Hygiene-Musterland Niederlande. „Wir haben inzwischen Entwicklungen, die anders verlaufen als in vergleichbaren Ländern.“ Multiresistente Keime nähmen nicht nur zahlenmäßig zu, heißt es in dem Koalitionspapier, sie stellten die Medizin auch vor immer größere therapeutische Herausforderungen. 400 000 bis 600 000 Patienten infizierten sich pro Jahr in deutschen Kliniken und Arztpraxen. Durch bessere Hygiene wären 20 bis 30 Prozent dieser Infektionen vermeidbar.

Um die Infektionen künftig besser in den Griff zu bekommen, sollten von vornherein Risikogruppen definiert werden, fordern die FDP-Politiker. Mit Ausnahme von Notfallpatienten müssten Kranke, die von der Besiedlung durch gefährliche Keime besonders betroffen sein könnten, dann als Erstes auf diese Gefahr hin untersucht und, wenn nötig, sogleich isoliert und gezielt behandelt werden.

Verantwortlich für das Problem ist jedoch aus Expertensicht noch eine zweite Fehlentwicklung: der „maßlose und undifferenzierte“ Einsatz von Antibiotika. Die Forderungen dazu klingen allerdings sehr vage. Empfehlungen zu einem „sachgerechteren“ Antibiotikaverbrauch seitens der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention müssten „größeres rechtliches Gewicht“ erhalten, heißt es in dem Koalitionspapier.

Unklar ist, woher das Geld für die Hygienevorstoß kommen soll. Die Krankenhausgesellschaft monierte sogleich, dass man die Kliniken nicht einerseits zum Sparen verdonnern und ihnen andererseits immer mehr abverlangen könne. Lindemann dagegen nennt verlässliche Hygienestandards eine Selbstverständlichkeit, auf die jeder Patient ein Anrecht habe. Die Bekämpfung der gefährlichen Keime sei „eine ethische Notwendigkeit“, sagt er. Sie müsse mit Nachdruck verfolgt werden. Und: „Sie sollte uns auch Geld wert sein.“

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