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Krankenversicherung: Teure Gesundheit

Höhere Beiträge sind nur der Anfang. AOK-Chef Hans-Jürgen Ahrens ist sich sicher: Versicherte werden bald doppelt zur Kasse gebeten. Denn in wenigen Jahren kommt eine weitere Zusatzprämie auf die Bürger zu - diese soll sich am Bruttolohn orientieren.

Berlin - Die Prognose des Kassenchefs ist düster – zumindest für die Versicherten. In wenigen Jahren, so prophezeit der AOK-Vorstandsvorsitzende Hans-Jürgen Ahrens, würden sämtliche Krankenkassen von ihren Versicherten nicht nur den ohnehin kräftig gestiegenen Beitrag, sondern auch noch eine Zusatzprämie von einem Prozent ihres Bruttolohns kassieren. „Insgesamt werden die Kassenmitglieder dann also 1,9 Beitragssatzpunkte ohne Arbeitgeberbeteiligung aufbringen müssen“, sagte Ahrens. Von einer paritätischen Finanzierung könne bei solcher Lastenverteilung keine Rede mehr sein.

Tatsächlich wurde die Parität von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in der gesetzlichen Krankenversicherung schon vor drei Jahren aufgegeben – mit dem Sonderbeitrag von 0,9 Prozentpunkten, den die Versicherten seither allein aufbringen. Bei ihren Beitragsprognosen hat die Regierung diesen Eigenanteil bislang nur gerne herausgerechnet. Mit dem Gesundheitsfonds ermöglicht sie nun allen Kassen, die mit dem künftigen Einheitssatz nicht auskommen, auch noch sogenannte Zusatzbeiträge zu verlangen. Und da der allgemeine Satz erst erhöht werden muss, wenn die Kostendeckung per Fonds 95 Prozent unterschreitet, werde dies bald die Regel sein, so der AOK-Chef.

Um keinen damit zu überfordern, wurde die Höhe der Zusatzbeiträge immerhin begrenzt – auf ein Prozent des Bruttolohns. Gut gemeint bedeute aber nicht gut gemacht, sagt Ahrens. Der „Akt der Solidarität“ könne für manche Kasse sogar zum „finanziellen Fiasko“ werden. Natürlich meint der AOK-Chef hier vor allem die eigene Kasse mit ihren vielen Rentnern und Geringverdienern. Weil die ganz schnell die Ein-Prozent-Grenze erreichen, werde man sich an den besser Verdienenden schadlos halten müssen – mit der zu erwartenden Folge, dass die der teuren Kasse dann den Rücken kehren und deren Einnahmesituation weiter verschlechtern.

Ein Teufelskreis. Solche Wettbewerbsverzerrung müsse dringend verschwinden, fordert Ahrens. Was aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass die AOK mit dem heftig bekämpften Fonds längst ihren Frieden gemacht hat. Schließlich winken ihr durch den verheißenen Finanzausgleich, der sich nun auch am Gesundheitszustand der Versicherten orientiert, satte Einnahmen. Wer mehr Kranke hat, bekommt mehr Geld. Dies versetze die AOK mit ihren 25 Millionen Versicherten in die Lage, „besser als vorher klarzukommen“, freut sich der Vorstandschef.

Dennoch gibt es auch daran noch etwas zu kritisieren. Der Ausgleich, der sich an 80 Krankheiten orientiert, sei nicht zielgenau, klagt AOK-Vize Herbert Reichelt, der den Vorsitz zur Jahreswende übernehmen soll. So werde nicht wirklich zwischen leicht und schwer Erkrankten unterschieden. Weil erstere genauso hohe Zuschläge brächten, aber weit geringere Ausgaben verursachten, würden sie für die Kassen am attraktivsten – was weder im Sinne fairen Wettbewerbs noch guter Gesundheitsversorgung sein könne.

Für den Fondsstart im kommenden Jahr prognostiziert die AOK einen Beitragssatz für alle Kassen von bis zu 15,8 Prozent. Das wären 0,9 Punkte über dem bisherigen Durchschnittssatz. Zustande kommt die Erhöhung laut Ahrens durch die beschlossene Honorarerhöhung für Ärzte, durch Zusatzbedarf und die versprochene Finanzspritze für die Kliniken sowie durch Ausgabensteigerungen für Arznei, Krankengeld und Fahrtkosten.

Bei der bis 2009 vorgeschriebenen Entschuldung immerhin kann der AOK-Chef Vollzug melden. Bis Ende des Jahres seien der Bundesverband und seine 15 Länder-Ableger schuldenfrei. Verwaltungsratschef Fritz Schösser nennt dies eine „Herkules-Tat“. Dass die AOK von den 1,3 Milliarden Miesen herunterkomme, hätten ihr viele nicht zugetraut. Möglich gewesen sei dies aber auch nur durch gegenseitige Hilfe. Solidarität sei für die AOK eben nicht nur „ein wohlfeiles Wort aus der Mottenkiste der Sozialpolitik“.

Auch bei der Herauszögerung und Gestaltung der gefürchteten Zusatzbeiträge werde man sich gegenseitig stützen, kündigt Ahrens an. Gleichzeitig will er nicht ausschließen, dass es zu weiteren Fusionen kommen könnte. Die Vorstellung, „auf einen Schlag eine einzige AOK“ haben zu können, sei aber illusorisch. Und auch nicht gewollt. „Unsere Stärke liegt ja gerade im regionalen Auftritt.“

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