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Krankenversicherungen: Debatte um Milliarden-Überschüsse der Kassen

Durch gestiegene Beitragseinnahmen und Steuerzuschüsse schwimmen AOK, Barmer & Co im Geld. Das weckt Begehrlichkeiten.

Der Schuss ging nach hinten los. Seit Tagen versucht sich Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) mit der Aufforderung an die Krankenkassen beliebt zu machen, den gesetzlich Versicherten gefälligst Beiträge zurückzuerstatten. Der laute Hinweis auf die prall gefüllten Geldtöpfe der Versicherer hat jedoch auch andere aufhorchen lassen. Warum eigentlich, so fragt man sich im klammen Finanzministerium, brauchen Gesundheitsfonds und gesetzliche Kassen milliardenschwere Steuerzuschüsse, wenn sie so im Geld schwimmen?

Stolze 14 Milliarden Euro fließen dieses Jahr aus dem Bundeshaushalt in die Geldsammelstelle der Kassen – als Ausgleich für die versicherungsfremden Leistungen von AOK, Barmer & Co, etwa für Mutterschaftsgeld oder kostenlose Familienmitversicherung. So soll es nach bisherigem Stand Jahr für Jahr bis 2016 bleiben. 2011 lag der Bundeszuschuss noch bei 13,3 Milliarden Euro, zur sozialen Abfederung der politisch gewollten Zusatzbeiträge hatte der Finanzminister aber wie versprochen zwei Milliarden Euro obendrauf gelegt.

Wegen der guten Konjunktur sprudelten im vergangenen Jahr dann auch wieder die Versichertengelder. Beitragserhöhung und Arzneimittelreform taten ihr Übriges, und so dürften im Fonds mittlerweile etwa 8,6 Milliarden Euro lagern. Bei den Kassen sind es nochmals mehr als sieben Milliarden. Auch wenn die Versicherer gequält darauf verweisen, dass sie Tag für Tag 500 Millionen ausgeben und es mit den Reserven von daher doch gar nicht so weit her sei: Es ist wieder Geld da, und das weckt Begehrlichkeiten.

Vergessen sind die Nöte der Kassen aufgrund derer die Politik ihnen vor einem Jahr erst einen Aufschlag um 0,6 Prozentpunkte gewährte. Zumindest zwei Milliarden müssten sich jetzt doch sparen lassen, heißt es im Finanzministerium unter Hinweis auf die Schuldenbremse. Manche wollen gar von der Überlegung gehört haben, den Zuschuss um vier Milliarden zu kürzen. Und Koalitionshaushälter wie Norbert Barthle (CDU) fordern bereits, ihn dauerhaft zu senken. Es mache ja wohl keinen Sinn, dem Fonds über höhere Neuverschuldung Geld zukommen zu lassen, das er gar nicht benötige, lautet sein Argument.

Die Sozialpolitiker derselben Partei dagegen schäumen. Die Zuschüsse seien „nicht disponibel und für feste Zwecke reserviert“, beharrt Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Wer da ran wolle, müsse schon sagen, welche Leistungen er gestrichen haben wolle. Der Gesundheitsminister ist auf gleicher Linie. Wer den Bundeszuschuss verringere, stelle damit auch gesamtgesellschaftliche Leistungen – etwa für Schwangere oder mitversicherte Kinder – infrage, ließ er seinen Sprecher erklären. Und hinzufügen, dass das Gesundheitswesen „eine verlässliche und solide Finanzgrundlage“ benötige.

Fehlende Verlässlichkeit – die Opposition nimmt die Streiterei als Steilvorlage. Aufgrund der „wiederholten Zugriffsversuche“ sei es „nur nachvollziehbar“, dass sich die Kassen vor Rücküberweisungen an die Mitglieder hüteten, sagt Grünen- Expertin Biggi Bender. Und selbst wenn es am Ende gar nicht zur Kürzung komme: Wer ständig damit rechnen müsse, werde auch seine Sparpolitik fortsetzen und „wichtige Investitionen in die Gesundheitsversorgung weiter zurückhalten“.

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