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Politik: Krawalle in England – jetzt Polizei contra Politik

Beamte wehren sich gegen harte Kritik Fünftes Todesopfer durch die Randale

London - Nach der Großoffensive der britischen Politiker gegen die Krawallmacher hat die Polizei am Freitag ihr Vorgehen verteidigt. Unterdessen starb ein 68-jähriger Mann, der am Montag in London von Randalierern brutal verprügelt worden war, an seinen schweren Verletzungen. Damit stieg die Zahl der Todesopfer in Folge der Krawalle auf fünf.

„Die Rolle der Politiker bei der Ausarbeitung unserer Taktik war irrelevant“, sagte Sir Hugh Orde, Präsident der einflussreichen Verbands der Polizeichefs, Acpo, der bisher als Anwärter für den vakanten Posten des Scotland- Yard-Chefs galt. Sein direkter Angriff auf Innenministerin Theresa May dürfte dabei nicht hilfreich sein. Spitz wies Sir Hugh die Behauptung Mays zurück, sie habe die Anweisung für die Urlaubssperre bei der Polizei und die Vervierfachung der Zahl der Beamten auf Londons Straßen gegeben. „May hat nicht die geringste Autorität, etwas anzuordnen“, sagte Orde. Sein Verband kämpft gegen die Kürzung des Polizeibudgets.

Aber auch andere Politiker werfen der Polizei schwere taktische Fehler und sogar eine Mitschuld vor. „Wir sahen ja die Bilder im Fernsehen, wie sie den Leuten das Plündern erlaubten. Hätten die Beamten eingegriffen, glaube ich nicht, dass es in Clapham und anderswo Nachahmerkrawalle gegeben hätte“, kritisierte der frühere Polizeikommandant und Londoner Bürgermeisterkandidat Brian Paddick seine ehemaligen Kollegen. „Sie haben die ersten Plünderungen in Tottenham als öffentliche Unruhen statt als kriminelle Handlungen behandelt“, sagte der Tory- Politiker David Davis. Noch am zweiten Tag hätten Polizisten die Anweisung „Bereithalten und Beobachten“ befolgt, statt Plünderer unmittelbar festzunehmen.

Auslöser der Krawalle war ein Gewaltausbruch nach einer Sympathiedemonstration von Angehörigen für den durch eine Polizeikugel getöteten Mark Duggan am vergangenen Samstag in Tottenham. Als Beamte tatenlos zusahen, wie Polizeiautos zertrümmert und Schaufensterscheiben eingeschlagen wurden, handelten sie nach dem Regelbuch für Demonstrationen und politische Proteste, wonach Täter nicht verhaftet werden, um die Stimmung nicht noch anzuheizen. Polizisten sind zudem bei Protesten von Schwarzen besonders zurückhaltend – aus Angst, als Rassisten verdächtigt zu werden.

Die Polizei ist verunsichert. Nach den G-20-Krawallen 2009 wurde der Polizei ein zu hartes Auftreten vorgeworfen, bei den Studentenkrawallen 2010 ein zu nachsichtiges. Von schwarzen Elterngruppen werden sie aufgefordert, mehr gegen die Gewalt unter schwarzen Jugendbanden zu tun. Gleichzeitig beschweren sich die Schwarzen, weil sie überdurchschnittlich oft auf der Straße durchsucht werden.

Nachdem die Krawalle vorbei zu sein scheinen, leisten Polizei und Justiz beachtliche Arbeit bei der Fahndung. Die Flut der Verhaftungen und Schnellprozesse reißt nicht ab. Täter werden meist über Überwachungskameras identifiziert. Nur Stunden, nachdem der 68-jährige Londoner seinen Verletzungen erlegen war, wurde ein 22-Jähriger wegen Mordverdachts verhaftet. Er soll den Rentner aus Ealing, niedergeschlagen haben, als dieser ein von Plünderern angezündetes Feuer austreten wollte. Im Londoner Stadtteil Wandsworth bekam der Vater eines wegen der Krawalle angeklagten jungen Mannes einen Räumungsbescheid für seine Sozialwohnung. Ob er wirklich ausziehen muss, werden die Gerichte entscheiden müssen. Matthias Thibaut

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