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Paris

© AFP

Krawalle in Paris: "Heute Nacht herrscht hier Krieg"

Schockiernde Bilder aus Paris: Brennende Barrikaden, Schüsse auf Polizisten und randalierende Jugendliche dominieren die Szenerie. Das kann noch lange so weiter gehen", meint ein Anwohner. Hat sich seit den Krawallen von 2005 nichts verändert?

Eine Barrikade aus brennenden Mülltonnen und umgekippten Einkaufswagen versperrt die Straße. Jugendliche mit Kapuzen auf dem Kopf und Tüchern vor dem Mund werfen mit Flaschen und Steinen auf Polizisten. Es sind Schüsse zu hören, Tränengas liegt in der Luft. Von mehreren Straßen steigen schwarze Rauchschwaden in die mondhelle Nacht. "Heute Nacht herrscht hier Krieg", sagt ein alter Mann aus Villiers-le-Bel, dem Pariser Vorort, in dem seit zwei Nächten aufgebrachte Jugendliche ihrer Wut über den Tod zweier jugendlicher Motorradfahrer nach einem Zusammenstoß mit einem Streifenwagen Luft machen. "Das kann noch lange so weiter gehen", meint der Mann, schaut sich nervös um und beeilt sich, nach Hause zu kommen.

Viele Menschen in den Pariser Vororten befürchten, dass der Tod der beiden Jugendlicher erneut ein Auslöser für wochenlange Ausschreitungen wie im Herbst 2005 sein könnte. Damals wurden innerhalb von drei Wochen 10.000 Autos in Brand gesteckt. Anschließend war die Misere der Vorstädte ein Lieblingsthema vieler Politiker. Es wurden Versprechungen gemacht, Pläne verabschiedet, Fonds gegründet. Doch zwei Jahre danach hat sich die Lage in den Vorstädten kaum verbessert. Sie werden vor allem von Einwanderern bewohnt, die zwar häufig einen französischen Pass besitzen, sich aber weiterhin diskriminiert und sozial vernachlässigt fühlen.

Hohe Arbeitslosigkeit, schlechte Ausbildung

"In den letzten beiden Jahren hat sich gar nichts geändert", sagt ein junge schwarze Frau, die ihren Namen nicht nennen will. "Es gibt immer noch viel zu hohe Arbeitslosigkeit hier, selbst wenn man eine gute Ausbildung hat." Viele Jugendliche hätten nichts besseres zu tun, als den ganzen Tag auf ihren laut knatternden Motorrädern waghalsig durch den Ort zu jagen. "Was sollen sie auch sonst tun?" sagt die junge Frau. Sie hat Angst, dass die Unruhen sich ausweiten.

Nach der zweiten Gewaltnacht mit Dutzenden verletzten Polizisten protestierten mehrere Bürgermeister gegen eine ihrer Ansicht nach folgenlose Politik der Vorstädte. "Die Situation hat sich immer weiter verschlechtert - Arbeitslosigkeit, Gewalt, soziales Elend", betonen sie und kritisieren die geplante Kürzung eines Solidaritätsfonds. "Wir brauchen nicht den x-ten Plan für die Vorstädte, (...) es muss endlich gehandelt werden", heißt es ihrem Schreiben, das die Zeitung "Le Monde" veröffentlichte. Je mehr der Staat sich zurückziehe, desto mehr verstärke sich die Ghettobildung in den Vorstädten.

Zusammenleben normalerweise unproblematisch

Villiers-le-Bel ist keine verwahrloste Hochhaus-Siedlung mit Graffiti an den Wänden. Es gibt Wohnblocks, aber auch Einfamilienhäuser, eine Bibliothek, einen Park und ein Einkaufszentrum mit neuen blauen Metallbänken. Viele Einwohner stammen aus Schwarzafrika oder aus dem Maghreb, wie auch die beiden Jungen, die bei dem Unfall ums Leben kamen. "Einer war "black" (Schwarzer) der andere "rebeu" (Araber) erzählt ein Junge, der beide kannte, im Slang der Vorstädte. Einer soll eine Bäckerlehre gemacht haben. Die Familie des anderen sei schon mehr als 30 Jahre in Frankreich.

Normalerweise sei das Verhältnis der vielen Gruppen unterschiedlicher Herkunft gut, sagt eine Frau, die aus Armenien stammt. Sie steht mit ihren Kindern draußen und schaut aus sicherer Entfernung auf die Bibliothek, die die Jugendlichen gerade in Brand gesteckt haben, und dann bricht es aus ihr aus: "So eine Schande. Die machen nur Ärger. Am besten schickt man sie dorthin zurück, wo sie herkommen." (mit dpa)

Ulrike Koltermann[dpa]

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