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Politik: Krieg gegen die Kartelle

Mexikos Regierung gelingt erfolgreicher Schlag gegen das organisierte Verbrechen – doch der Kampf ist kaum zu gewinnen

Berlin - Mexikos Präsident Felipe Calderon hätte allen Grund zur Freude. Er kann gleich mehrere Erfolge im Kampf gegen die mächtigen Drogenkartelle seines Landes vermelden. Vor wenigen Tagen ging Elitesoldaten im nordwestlichen Culiacan Alfredo Leyva ins Netz. Leyva, der 900 000 Dollar Bargeld bei sich trug, gilt als rechte Hand des meistgesuchten Mexikaners: Joaquin „el Chapo“ Guzman, Chef des Kartells von Sinaloa. Wenig später hoben Bundespolizisten ein Waffenversteck des Sinaloa-Kartells in Mexiko-Stadt aus. Sie fanden Sturmgewehre, Granaten, schusssichere Westen und Tausende Schuss Munition.

Doch die gewonnenen Schlachten bedeuten nicht, dass Calderon auch den Krieg gegen die Kartelle gewinnt. Vielmehr scheint die Auseinandersetzung, die sich vor allem im Norden des Landes abspielt, außer Kontrolle zu geraten. Calderon hat die Verbrechensbekämpfung zur „nationalen Priorität“ erklärt und 25 000 Soldaten und Bundespolizisten mobilisiert, um die Mafias zu zerschlagen. Nun kann er zwar mitteilen, dass binnen eines Jahres 40 Tonnen Kokain beschlagnahmt wurden. Doch der unerklärte Krieg hat bisher 2500 Menschenleben gefordert, und die Gewalt ebbt nicht ab. In den Städten an der Grenze zu den USA herrschen belagerungsartige Zustände. Vermummte Elitesoldaten versuchen unter Mithilfe von Kampfjets die Verstecke der Kartelle auszuheben. Am helllichten Tag finden mehrstündige Feuergefechte statt. Die Mafia antwortet, indem sie Polizisten, Richter, Staatsanwälte, Journalisten und Politiker von Killerkommandos ermorden lässt. Allein in diesem Jahr wurden schon 20 Uniformierte umgebracht. Vergangenen Samstag schwappte die Gewaltwelle in die USA, als Drogenhändler einen Beamten der US-Border Patrol in Arizona töteten.

Für Aufsehen sorgt derzeit das größte und berüchtigtste der Killerkommandos: die Zetas. Sie werden von Experten als „ernste Gefahr für den Staat“ eingestuft und handeln im Auftrag des Golfkartells, das den Drogenhandel entlang der Ostküste Mexikos kontrolliert. Daneben verfügen die Kartelle über Netzwerk aus Taxifahrern und Straßenverkäufern, aber auch Lokalpolitiken und Polizisten. So kommt es, dass Bundespolizisten ihre Kollegen von der Lokalpolizei entwaffnen und ihre Konten kontrollieren.

In vielen Städten im Norden Mexikos wird die bewaffnete Intervention zwar begrüßt. Doch ebenso bestehen Zweifel, ob es Calderon gelingen wird, der entfesselten Gewalt Herr zu werden. Mit dem Einsatz von Armee und Bundespolizei hat er das delikate Gleichgewicht zwischen Lokalpolitik und Mafia zerstört. Allerdings scheint er entschlossener als alle Präsidenten vor ihm. Er hat mehr als 600 Millionen weitere Dollars versprochen, um die Polizeiausbildung zu verbessern. Zusätzlich hat die US-Regierung 1,4 Milliarden Dollar Finanzhilfe unter anderem zum Kauf von Militärhubschraubern zugesagt. Auch Mexiko-Stadt rüstet auf. Ihr Bürgermeister präsentierte kürzlich mehr als 1000 neue Polizeifahrzeuge und einen Helikopter.

Doch der Gegner scheint wie eine Krake zu sein, der neue Tentakel wachsen, sobald man einen abschlägt. Die mexikanischen Kartelle nehmen jedes Jahr zwischen zehn und 30 Milliarden Dollar aus dem Drogenverkauf in die USA ein. Die Einnahmen gehören neben denen aus Ölexport und Tourismus zu den größten des Landes. Und die grundsätzliche Frage bleibt, ob das Drogengeschäft effektiv zu bekämpfen ist, wenn die Hälfte der Bevölkerung weiter in Armut lebt.

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