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Prorussische Separatisten in der Ostukraine.

© AFP

Krieg in der Ukraine: Der Westen muss handeln

Das Abkommen von Minsk wurde nicht eingehalten, weil Moskau trickst, täuscht und sein Wort nicht hält. Deshalb muss der Preis, den Putin für die Aggression zahlt, spürbar steigen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die Hoffnung war groß, freilich nicht, weil die Chancen gut standen, sondern weil wir hoffen wollten. Der Krieg muss doch ein Ende haben! Sieben Tage haben Wladimir Putin und die Separatisten gebraucht, um alle Zweifel zu bestätigen. Sie hatten ihre eigene Interpretation, was Minsk II erlauben und verbieten soll – und das war etwas anderes, als Angela Merkel meinte. Sie wollte die Kämpfe stoppen und die Front einfrieren, gefolgt vom Rückzug beider Seiten, einer Dutzende Kilometer breiten Pufferzone sowie einer Autonomielösung für die Separatistengebiete.

Putin und die Separatisten gaben die Friedwilligen, wollten sich aber nicht abhalten lassen, zu holen, was zu holen ist, voran den Eisenbahnknotenpunkt Debalzewe. Deshalb durfte die Waffenruhe nicht gleich nach der Verhandlungsnacht beginnen, sondern erst Tage später. Als die Stadt immer noch nicht fiel, hieß es, sie liege in geschlossenem Separatistengebiet; dort gelte die Waffenruhe nicht. Putin lieferte weiter Nachschub. Warum erobern die Separatisten überhaupt Gebiet, das sie gleich wieder räumen müssten, weil es in der Pufferzone liegt? Sie haben nicht vor, abzuziehen. Die OSZE kann Minsk II nicht, wie vereinbart, überwachen, weil die Separatisten den Zugang verwehren. Gipfel des Hohns: Russland bringt eine Resolution in den UN-Sicherheitsrat ein: Alle Beteiligten sollen das Abkommen bitte einhalten. Der Brandstifter in der Rolle der Feuerwehr!

Merkel fehlen die Druckmittel

Eine Mischung also aus Tricksen, Täuschen und Wortbruch. War Merkel naiv, darauf hereinzufallen? Nein. Aber ihr fehlten die Druckmittel, die Putin beeindrucken würden. Sie konnte bessere Absprachen nicht erzwingen. Da zeigt sich, welchen praktischen Wert die verpönte amerikanische „Hard Power“ in der Friedensdiplomatie haben kann.

Was nun? Darf man sich an die nächste Hoffnung klammern? Vielleicht ging es Putin nur noch um Debalzewe, vielleicht will er die Landbrücke auf die Krim gar nicht. Das ist nicht ausgeschlossen. Aber auf Hoffnung baut Europa schon lange – er will ja nur die Krim, nichts weiter – und wurde bisher jedes Mal enttäuscht.

Wie lange sieht der Westen zu?

Besser, man stellt sich nüchtern darauf ein, dass Putin eventuell doch mehr will, dass er Recht und Verträge nicht als bindend betrachtet, sondern als taktische Mittel im Ringen um Vorteile. Man soll mit ihm verhandeln, aber wer dabei etwas erreichen will, muss Argumente mitbringen, die ihn beeindrucken. Wirtschaft und Handel sind ein Feld, auf dem Europa vielfach überlegen ist. Freilich wirkt dieses Druckmittel langsamer, als russische Panzer vorrücken.

Der Preis, den Putin für die Aggression zahlt, muss spürbar steigen. Die Krim bekam er aus seiner Sicht nahezu umsonst, Donezk und Lugansk zu erträglichen Kosten, weil dort zumindest einige Bürger russisch fühlen. Wo die Separatisten zuletzt kämpften, in Debalzewe und Mariupol, finden sie keine Unterstützung. Dort zerschießen sie die Städte, um die Einwohner in die Flucht zu treiben. Wie lange kann der Westen bei ethnischen Säuberungen zusehen? Zu Recht will er in der Ukraine nicht militärisch eingreifen. Aber dann darf er den Opfern nicht Waffen zur Selbstverteidigung verweigern. Gleichzeitig kann er die Sanktionen verschärfen, zum Beispiel durch den Ausschluss Russlands aus dem Zahlungssystem Swift. Ein einiger Westen ist langfristig stärker. Dieses realistische Selbstvertrauen trägt weiter als Hoffnung allein.

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