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Unten die Kinder in Gaza, am Himmel die Flugzeuge der israelischen Armee. Die siebenstündige Waffenruhe bleibt brüchig.

© AFP

Update

Krieg in Nahost: Benjamin Netanjahu: Die Offensive in Gaza geht weiter

Die israelische Militäroffensive soll weitergeführt werden. Laut Informationen von Wikileaks und Edward Snowden sind die USA direkt an den Angriffen auf Gaza beteiligt. In Jerusalem wurde das erste Attentat seit Beginn der Offensive verübt.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat Hoffnungen auf ein baldiges Ende der israelischen Militäroffensive gegen die Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen eine Absage erteilt. "Diese Operation wird erst enden, wenn für einen dauerhaften Zeitraum Ruhe und Sicherheit für Israels Bürger hergestellt sind", sagte Netanjahu am Montag während des Besuchs einer Kommandozentrale der Armee im Süden des Landes. "Die Kampagne in Gaza geht weiter", sagte Netanjahu. Die Regierung hatte die Zerstörung der Hamas-Tunnel zum Hauptziel der Offensive erklärt.

Am späten Montagnachmittag endete wie angekündigt eine für weite Gebiete im Gazastreifen einseitig erklärte siebenstündige israelische Feuerpause. Armeesprecher Peter Lerner sagte, die Luftangriffe auf den schmalen Küstenstreifen würden fortgesetzt. Auch der Einsatz von Bodentruppen im Gazastreifen ging demnach weiter, wenn auch in kleinerem Umfang als zuvor. Seit Beginn des israelischen Militäreinsatzes gegen die radikalislamische Hamas vor knapp vier Wochen wurden demnach inzwischen mehr als 1850 Palästinenser getötet, die meisten von ihnen waren Zivilisten. Auf israelischer Seite starben 64 Soldaten und drei Zivilisten.

Kurz nach Beginn einer befristeten Feuerpause war am Montag im Gazastreifen laut palästinensischen Angaben offenbar ein Kind durch Beschuss getötet worden. Minuten nach Inkrafttreten der Waffenruhe wurde nach Angaben der palästinensischen Rettungsdienste ein Haus im Westen von Gaza beschossen, wobei ein achtjähriges Mädchen getötet und etwa 30 Menschen verletzt worden seien. Sanitäter berichteten, der Beschuss sei durch die israelische Luftwaffe erfolgt. Der Angriff ereignete sich demnach im Flüchtlingslager Schati, das an die Mittelmeerküste grenzt.

USA an Angriffen auf Gazastreifen beteiligt

Die US-Regierung und ihre Verbündeten sind nach Recherchen des Journalisten Glenn Greenwald direkt an Angriffen Israels in Nahost - wie aktuell in Gaza - beteiligt. Unterlagen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden zeigten, dass der US-Geheimdienst NSA sein israelisches Pendant SIGINT National Unit (ISNU) seit Jahren verstärkt unterstütze, unter anderem bei der Überwachung und Zielerfassung von Palästinensern, schrieb Greenwald am Montag auf dem Onlineportal „The Intercept“. „In vielen Fällen haben die NSA und ISNU gemeinsam mit dem britischen und dem kanadischen Geheimdienst, GCHQ und CSEC, zusammengearbeitet.“ Dazu gehöre in mindestens einem Fall auch die verdeckte Zahlung an israelische Agenten. „Die neuen Snowden-Dokumente machen eine entscheidende Tatsache deutlich: Die israelische Aggression wäre nicht möglich ohne die konstante, großzügige Unterstützung und den Schutz der US-Regierung, die bei diesen Angriffen alles andere als eine neutrale, friedensvermittelnde Partei ist“, schreibt Greenwald. Weder die NSA noch das GCHQ wollten sich auf Anfrage des Journalisten zu ihrer Zusammenarbeit mit Israel äußern.

In der südisraelischen Stadt Ashkelon gehen zwei Frauen in Deckung. Die Hamas beschießt Israel weiterhin mit Raketen.
In der südisraelischen Stadt Ashkelon gehen zwei Frauen in Deckung. Die Hamas beschießt Israel weiterhin mit Raketen.

© Reuters

Lieberman bringt UN-Verwaltung des Gazastreifens ins Spiel

Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman hat sich für eine mögliche Übergabe der Verwaltung im Gazastreifen an die Vereinten Nationen ausgesprochen. „Jeder fragt, was soll passieren, wenn die Offensive endet?“, sagte Lieberman nach Angaben der Zeitung „Haaretz“ vom Montag. „Es gibt einige Optionen. Eine internationale Kontrolle von Gaza, durch die UN, sollte sicherlich in Erwägung gezogen werden.“ Lieberman erwähnte in diesem Zusammenhang das historische britische Mandat über Palästina und die früheren UN-Verwaltungen in Ost-Timor und im Kosovo.

„Wir haben gesehen, dass es dort recht gut läuft“, sagte Lieberman. Für eine solche Regelung sei nur die Zustimmung Israels und der gemäßigten Palästinenserbehörde von Präsident Mahmud Abbas notwendig. Zuvor hatte Lieberman sich für eine Wiedereroberung des 2005 geräumten Palästinensergebiets am Mittelmeer durch die israelische Armee ausgesprochen. 2010 hatte Lieberman sich bereits für eine Art Abspaltung des Gazastreifens stark gemacht. Er sprach sich damals dafür aus, die Verantwortung an die Hamas, Ägypten und die Vereinten Nationen abzutreten. Diese Pläne stießen bei den Palästinensern, aber auch im Ausland und in Israel auf Kritik.

Laut Wikileaks: Israel manipulierte Wirtschaft im Gazastreifen

Israel manipuliert nach Informationen der Enthüllungsplattform Wikileaks die Wirtschaft im Gazastreifen. Die israelische Regierung verfolge eine Strategie, die Wirtschaft in dem Gebiet auf einem möglichst niedrigen Niveau zu halten, zitierte Wikileaks aus geheimen Berichten aus der US-Botschaft in Tel Aviv an Washington. Dabei werde jedoch darauf geachtet, eine humanitäre Krise zu vermeiden. Unter anderem würden nach Möglichkeit die Gehälter für Mitarbeiter der Palästinensischen Autonomiebehörde zurückgehalten oder nicht in Gänze ausgezahlt. Die israelische Regierung gehe davon aus, dass ein Teil der Gehälter der Mitarbeiter letztlich in die Hände der radikalislamischen Hamas gelange.

Israelische Experten sahen laut anderen Geheimdokumenten in der 1988 gegründeten radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas anfänglich ein geeignetes Gegengewicht zur Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Aus dem Westjordanland habe es Hinweise gegeben, dass Israel die Hamas in ihren Anfängen unterstützt habe. Hamas-Aktivisten hätten etwa ihre Handzettel ohne weiteres in Läden in Jerusalem und Nablus verteilt, wo Mitglieder anderer Organisationen aus Furcht vor israelischen Sicherheitsdiensten äußerst vorsichtig vorgehen mussten. Radikalislamiche Führer hätten israelischen Medien Interviews gegeben, die in anderen Fällen zu harten Strafen geführt hätten. Die israelische Führung habe in dieser Phase zumindest wohlwollend weggeschaut, wenn nicht aktiv mitgeholfen, heißt es laut einem von Wikileaks veröffentlichten weiteren internen Bericht von US-Diplomaten an Washington.

Attentat in Jerusalem fordert ein Opfer

Im Schatten des Gaza-Kriegs erlebt Jerusalem Augenblicke des Schreckens. Ein palästinensischer Baggerfahrer rammt sein Fahrzeug in einen städtischen Bus. Die Hamas in Gaza feiert die Terrortat als „heroischen Akt“.

Erstmals seit Beginn des Gaza-Kriegs vor vier Wochen ist in Israel ein tödlicher Anschlag mit einem Baufahrzeug verübt worden. Der palästinensische Attentäter rammte in Jerusalem mit seinem Bagger einen städtischen Autobus, der umstürzte. Ein Passant, den der Bagger überfuhr, wurde getötet. Sechs Insassen des Busses, unter ihnen der Fahrer, erlitten Verletzungen, bestätigte der israelische Polizeisprecher Micky Rosenfeld am Montag. Herbeigeeilte Polizisten erschossen den Attentäter, einen Palästinenser aus Ost-Jerusalem. Die israelische Nachrichtenseite „ynet“ schrieb von „Terror vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs“.

Frankreich kritisiert Israel scharf

Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat derweil Frankreichs Außenminister Laurent Fabius die israelischen Angriffe im Gazastreifen verurteilt. Das Recht Israels auf Sicherheit "rechtfertigt nicht, dass man Kinder tötet und Zivilisten massakriert", erklärte Fabius am Montag in Paris. Die internationale Gemeinschaft müsse eine politische Lösung des Konflikts durchsetzen, forderte er: "Wie viele Tote braucht es noch, bis das aufhört, was man wohl das Blutbad von Gaza nennen muss?" Zwar habe die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas einen "überwältigenden" Anteil an der gewaltsamen Entwicklung im Nahen Osten, erklärte Fabius. Doch dies rechtfertige nicht das israelische Vorgehen, fügte er mit Blick auf den Angriff auf eine UN-Schule in Rafah mit mindestens zehn Toten hinzu.

Fabius forderte erneut einen "wirklichen Waffenstillstand" und hob hervor, dass die Europäer bereit seien, ihren Teil dazu beizutragen. "Eine politische Lösung ist unerlässlich", unterstrich der Außenminister und verwies darauf, dass die Rahmenbedingungen dafür bekannt seien. Da sich die beiden Konfliktparteien trotz unzähliger Versuche unfähig gezeigt hätten, eine Verhandlungslösung zu finden, sollte die internationale Gemeinschaft eine solche Lösung nun durchsetzen: "Waffenstillstand, Durchsetzung der Zwei-Staaten-Lösung und Sicherheit Israels, es gibt keinen anderen Weg", hob Fabius hervor. (mit dpa, AFP)

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