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Anstoßen. Russlands Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Barack Obama begegneten sich auch beim Essen am Rande der UN-Vollversammlung in New York auf Augenhöhe.

© dpa

Update

Krieg in Syrien: Putin macht Druck - und er hat Erfolg damit

Mit den Luftangriffen in Syrien geht es dem Kremlchef nicht allein um den Kampf gegen den IS. Vor allem will er zeigen, dass es ohne ihn keine Lösung gibt.

Wladimir Putin schafft Fakten. Mit den von ihm befohlenen Luftangriffen in Syrien treibt der Kremlchef nun den Westen vor sich her. Russlands Präsident macht das, wovor der Rest der Welt bislang zurückschreckte: Er greift massiv in den Bürgerkrieg ein. Doch was treibt Putin an? Warum lässt er sich auf dieses militärische Abenteuer mit ungewissem Ausgang ein?

Vordergründig geht es Putin um den Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS). Er sieht in der Terrormiliz auch für Russland eine ernsthafte Bedrohung. Aus dem Nordkaukasus sollen sich in den vergangenen Jahren einige Tausend Kämpfer den Dschihadisten in Syrien und dem Irak angeschlossen haben. Und es besteht die Gefahr, dass sie nach Russland zurückkehren, um dort Anschläge zu verüben. Deshalb soll „vorausschauend“ gegen sie vorgegangen werden – im Bürgerkriegsland selbst. Dafür sieht er in Baschar al Assad einen Verbündeten.

Doch für den syrischen Machthaber sind alle Gegner, also auch die moderaten Kräfte der Opposition, „Terroristen“. Und Putin scheint dieser Lesart zu folgen. Dafür spricht zumindest, dass sowohl die USA als auch unabhängige westliche Experten der Führung in Moskau vorwerfen, sie habe mit den bisherigen Luftschlägen Gegner Assads attackiert, die mit dem IS nichts zu tun haben. Über die Städte Rastan, Talbiseh und Zaafarani, die am Mittwoch Angriffsziele waren, sagt Petra Becker von der Stiftung Wissenschaft und Politik: „Keiner dieser Orte liegt im Einflussgebiet des IS.“

Dass es Putin allein um die Schwächung oder gar Zerschlagung des „Islamischen Staats“ geht, ist unwahrscheinlich. Die meisten Truppen hat er im Westen des Landes stationieren lassen – weit entfernt von den Stellungen der Dschihadisten. Dort hat vielmehr Assad immer noch seine Hochburg. Doch in den vergangenen Monaten hat er an Einfluss verloren, gerade an die Einheiten der bewaffneten Opposition.

Russland will den Fall des Assad-Regimes verhindern

Der Herrscher in Damaskus musste deshalb die Einheiten in seinem Machtbereich zusammenziehen. Auch das ist ihm schwer gefallen. Denn es gibt große Probleme dabei, Soldaten zu rekrutieren. Viele Menschen versuchen, dem Militärdienst zu entkommen. Sie wollen nicht als „Kanonenfutter“ dienen. Dass Putin seinem engen Verbündeten zu Hilfe eilt, ist also kaum überraschend. Russland will in erster Linie den endgültigen Fall des Assad-Regimes verhindern.

Bleibt Putin bei seiner Linie, dürfte vor allem der „Islamische Staat“ profitieren. Denn allein mit Luftangriffen ist die Terrormiliz nicht zu besiegen. Dafür wären Bodentruppen nötig. Gefallene Russen im Bodenkampf gegen den IS aber könnten den Rückhalt des Präsidenten im eigenen Land gefährden. In jedem Fall haben die russischen Luftschläge die Lage massiv verschärft. Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich nennt sie „brandgefährlich“. Angesichts saudischer Drohungen, von Riad unterstützte Rebellen nun noch massiver aufzurüsten, fürchtet er, „dass die Situation militärisch weiter eskaliert“.

Mit dieser Einschätzung steht Mützenich nicht alleine: Am Freitag haben in einer gemeinsamen Erklärung die Regierungen Deutschlands, Frankreichs, der USA, Großbritanniens, der Türkei, Katars und Saudi-Arabiens auf die russischen Militärschläge reagiert und ein Ende der "Angriffe auf Zivilisten und die syrische Opposition" gefordert.

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Zwei Ziele verfolgt Moskau: Das angeschlagene syrische Regime soll stabilisiert werden, gleichzeitig will Russland als gleichberechtigter Partner der USA auf die Weltbühne zurückkehren. Deshalb ist es durchaus von symbolischer Bedeutung, dass Russland am Mittwoch den USA vor den Angriffen gerade mal eine Stunde Zeit gewährte, die eigenen Flugzeuge aus dem Luftraum über Syrien zurückzuholen.

Viele Außenpolitiker in Berlin sind überzeugt, dass Putin nun den Preis des Westens für ein Einfrieren des Syrien- Konflikts hochtreiben will. Immerhin hat der russische Präsident an seinen Amtskollegen in Damaskus appelliert, mit der Opposition zu verhandeln. Moskau gehe es „nicht unbedingt um Assad“, sondern „um den eigenen Einflussbereich und einen Zugang zum Mittelmeer“, sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU). Im Hafen von Tartus unterhält Russland seine einzige Marinebasis im ganzen Mittelmeer.

Ein bisschen hat der Westen schon nachgegeben

Würde die westlichen Staaten den Preis akzeptieren, den Putin verlangt, müssten sie von der Unterstützung der Rebellen abrücken und sich mit Assads Herrschaft arrangieren. Ein bisschen hat der Westen schon nachgegeben. So schließt die Bundesregierung eine Übergangslösung mit dem Despoten nicht mehr aus, nur dessen dauerhafte Machtsicherung. Die Golfstaaten und Saudi- Arabien, die islamistische Rebellen unterstützen und für eine Beruhigung der Lage auch eingebunden werden müssten, halten massiv dagegen.

Zur Beruhigung des Konflikts hält Röttgen die Einrichtung humanitärer Schutzzonen derzeit für das „Maximum“ des Erreichbaren. Sinnvoll seien sie im Grenzgebiet zur Türkei im Norden und im Grenzgebiet zu Jordanien im Süden des Landes.

In Washington schlug Verteidigungsminister Ashton Carter zunächst harte Töne an und warnte, die russischen Einsätze „bedeuten, Öl ins Feuer zu gießen“. Der Sprecher des Weißen Hauses bescheinigte den Russen dagegen, sie hätten deutlich gemacht, dass sie keinen neuen Konflikt provozieren wollten. Die milde Reaktion ist ein Hinweis darauf, dass Präsident Barack Obama sich mit einem „geregelten Übergang“ von Assad zu einer neuen syrischen Regierung zufrieden geben will.

Obamas neuer Realismus geht auch auf das Drängen Europas zurück

Obama hat die Wirkungslosigkeit des bisherigen Kampfes gegen den IS eingestanden. Sein neuer Realismus geht auch auf das massive Drängen der europäischen Alliierten zurück, nicht zuletzt auf das der deutschen Kanzlerin. Angesichts der Flüchtlingskrise müsse etwas passieren, haben sie gefordert. Längst haben Obama und US-Außenminister John Kerry die Offensive Putins als möglichen Ausweg aus der Krise akzeptiert.

Dreimal bereits hat sich Kerry in dieser Woche mit dem russischen Außenminister Lawrow in New York getroffen. Die beiden Außenminister haben von ihren Präsidenten den Auftrag, ein Modell für eine politische Zukunft Syriens zu skizzieren. Eines, das das Land vor dem kompletten Zusammenbruch rettet. Denn die Sorge ist inzwischen groß in Washington, dass ein Fall des Regimes in Damaskus eine Einladung an die Terrormiliz IS wäre, das Land ganz zu übernehmen.

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