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Politik: „Krieg würde 100 kleine bin Ladens bringen“

Gemäßigte Kräfte in der arabischen Welt warnen vor einer Radikalisierung / Muslimbrüder rufen zu Widerstand auf

IRAK – DIE ENTSCHEIDUNG RÜCKT NÄHER

Selbst moderate Islamisten in der arabischen Welt fürchten im Falle eines Irak-Krieges eine Radikalisierung. Die von US-Präsident George W. Bush angekündigten Pläne zur Lösung des Palästina-Konflikts ändern an dieser Einschätzung nichts.

Sowohl in Palästina als auch in anderen arabischen Ländern ist Bushs Ankündigung mit Zurückhaltung aufgenommen worden, da sie keine Mechanismen zur Umsetzung des Planes enthält. Sie wird allgemein als Zugeständnis an den britischen Premier Tony Blair gewertet, der trotz ausbleibender zweiter UN-Resolution im Irak-Konflikt seinen Gegnern nun erklären kann, dass seine enge Allianz mit den USA Früchte trägt. Auch der Chefredakteur der jordanischen islamistischen Wochenzeitung „As-Sabil“ (Der Weg) bleibt bei seiner Einschätzung. „Die Irak-Krise und das unakzeptable Vorgehen Washingtons haben die Islamisten in der arabischen Welt gestärkt“, konstatiert der 37-jährige Atef Jolani. Die Menschen fühlten sich von den arabischen Regierungen, mit Ausnahme des syrischen Führers Bashar al-Assad, nicht vertreten, erklärt er.

Eigentlich müsste der Mann, der Mitglied der Islamischen Aktionsfront in Jordanien ist, sich freuen. Doch er ist besorgt. „Wenn der Krieg länger dauert und viele Opfer fordert, wird es 100 kleine bin Ladens geben“, fürchtet er. Alle moderaten Kräfte in der arabischen Welt würden geschwächt. Die radikalen Kräfte dagegen hätten enormen Zulauf. Nach Ansicht des Chefredakteurs kann diese Radikalisierung nur aufgehalten werden, wenn Frankreich, Deutschland und Russland weiterhin einen Gegenpol zur amerikanischen Politik in der Region bilden. Wenn es in einem Land zu Unruhen käme, gäbe es einen „Flächenbrand“.

Doch auch wenn die US-Armee den Krieg schnell gewinnt, könne man nicht aufatmen, meint Jolani. Das wäre erst der „Beginn des Problems“. Die Menschen in der arabischen Welt lehnten es kategorisch ab, zum „Kolonialismus“ des vergangenen Jahrhunderts zurückzukehren. Es sei eine „große Dummheit“ der Amerikaner, zu glauben, dass sie mit offenen Armen empfangen würden.

So hat die ägyptische Al-Azhar-Universität in Kairo, die wichtigste religiöse Institution der sunnitischen Muslime, kürzlich zum Widerstand gegen jede Besatzung aufgerufen. Auch der Vorsitzende der Islamischen Aktionsfront in Jordanien, Scheich Hamza Mansour, hat es als „religiöse und nationale“ Pflicht bezeichnet, einer US-Besatzung „mit allen Mitteln“ zu widerstehen. Auf die Frage, ob er damit gewaltsamen Widerstand meine, antwortete er: „Niemand spricht von Widerstand mit Rosen und Blumen.“ Die Moslembruderschaft rief die jordanische Regierung vergangene Woche dazu auf, die US-Truppen des Landes zu verweisen. Premierminister Abu Ragheb hatte Ende Februar eingeräumt, dass sich „hunderte" amerikanischer Soldaten in Jordanien befänden, um die Patriot-Flugabwehr zu warten und zu bedienen. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass sich mindestens 6000 bis 7000 US-Soldaten in Stützpunkten in der Wüste nahe der Grenze zu Irak aufhalten. In einem gemeinsamen Kommunique der Islamischen Aktionsfront und 14 weiterer Oppositionsparteien und Gewerkschaften wurden die Jordanier aufgefordert, den US-Soldaten keine Autos zu vermieten, Essen zu liefern oder sonstige Dienste zu leisten - egal wie hoch die Bezahlung aussehe.

Die Botschaften Deutschlands, Belgiens, Frankreichs, Chinas und Russlands werden mit Lob überschüttet. Eine Delegation der Islamischen Aktionsfront gab dort Dankesbriefe ab, in denen die „mutige Haltung“ der jeweiligen Regierungen begrüßt wurde. In der deutschen Vertretung wurden sogar Blumensträuße abgegeben, um der Bundesregierung für ihre Haltung zu danken.

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