zum Hauptinhalt

Krise der Währungsunion: Europas Bankenreform stirbt in Italien

Mit der staatlichen Rettung italienischer Banken zeigen Beamte und Minister, dass sie ihre eigenen Gesetze nicht ernstnehmen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Schumann

Sie haben es wieder getan. Mehr als 26 Milliarden Euro gab die italienische Regierung in den vergangen zwei Wochen frei, um die Verluste von drei überschuldeten Banken auszugleichen – Milliarden, die gerade die italienische Staatskasse sich nicht leisten kann. Schließlich steht sie selbst mit 2,2 Billionen Euro in der Kreide und überschreitet damit die erlaubte Verschuldungsgrenze der Euroländer um ganze 65 Prozent.

Doch merkwürdig: Die teuren Deals zu Lasten der Steuerzahler gingen fast reibungslos über die Bühne. Erst gaben die Aufseher der Europäischen Zentralbank (EZB) grünes Licht. Dann genehmigte die EU-Kommission die teuren Subventionen, und am Montag erteilten auch die Finanzminister der Eurogruppe ihren Segen.

Und so liefern die Lenker der Europäischen Währungsunion erneut ein Lehrstück in Sachen Versagen und Vertuschung ab, wie es sich die Anti-Europäer in Italien und anderswo gar nicht besser hätten wünschen können.

Denn versprochen war das Gegenteil. Nach dem Lehman-Crash hatten Europas Regierungen weit über eine Billion Euro mobilisiert, um das Finanzsystem zu stabilisieren. Erst kauften sie die Gläubiger der Pleitebanken von ihren Fehlinvestitionen frei. Anschließend schützten sie die Gläubigerbanken der deswegen überschuldeten Euro-Staaten auf Kosten der übrigen Bürger vor Verlusten.

Die brachiale Umverteilung von unten nach oben brach alle Regeln über Haftung und Verantwortung in der Marktwirtschaft. Unisono versicherten die Regierenden von Lissabon bis Helsinki deshalb, dieser Unfall der Geschichte dürfe sich nicht wiederholen.

Seitdem schien die Reform des Systems auf gutem Weg. Die EZB übernahm die Aufsicht über die 500 größten Banken der Eurozone, um die Kungelei der Banker mit den nationalen Aufsehern zu beenden. Ab 2016 nahm eine EU-Behörde zur Abwicklung maroder Banken ihren Dienst auf, der „Single Resolution Board“ (SRB). Dieser sollte nach US-Vorbild unabhängig entscheiden und Investoren in Bankaktien und -anleihen im Insolvenzfall in die Pflicht nehmen – so wie das in der übrigen Wirtschaft gang und gäbe ist.

Doch jetzt, da bei zwei Banken der Region Venetien sowie der schon einmal mit Milliardenaufwand geretteten Banca Monte dei Paschi in Siena der Ernstfall eingetreten ist, stellt sich heraus: Europas verantwortliche Beamte und Minister nehmen ihre eigene Reform nicht ernst. Da konstatierte dann zwar der SRB im Fall der Banca Popolare di Vicenza und der Veneto Banca, dass diese „insolvent oder wahrscheinlich insolvent“ sind, also abgewickelt werden müssten. Gleichzeitig erklärte sich die Behörde aber für nicht zuständig, weil die Geldhäuser keine „systemische“ Bedeutung hätten.

Die logische Konsequenz wäre gewesen, die Banken zu schließen und die Verluste auf die Inhaber der ausgegeben Anleihen umzulegen. Stattdessen aber befand EU- Kommissarin Margrethe Vestager, Chefin der EU-Wettbewerbsaufsicht, es drohe eine „wirtschaftliche Störung“ für die Region. Darum durfte Italiens Regierung mit zwölf Milliarden Euro die faulen Kredite absichern und den rentablen Rest mit einem Aufschlag von noch mal fünf Milliarden Euro der Großbank Intesa zuschanzen.

Noch dreister erfolgte die Bankenrettung in Siena. Weil alle Versuche, die Bank mit privatem Kapital aufzufangen, scheiterten, genehmigten SRB und EU-Kommission nun kurzerhand die Verstaatlichung mittels „vorsorglicher Rekapitalisierung“ mit rund sechs Milliarden Euro.

In beiden Fällen blieben einmal mehr die Inhaber vorrangiger Anleihen der Banken von der Haftung verschont, also jene, die den fehlgeschlagenen Kreditboom finanziert haben – gerade so, als hätte es die EU-Reformen nie gegeben. Und selbst die Rechtfertigung folgte dem alten Muster: Eine Mithaftung der Gläubiger würde zu viele Kleinanleger treffen, denen die Banken solche Papiere angedreht hätten, behauptete Finanzminister Carlo Padoan.

Doch das ist grob irreführend. Nicht nur hätte die Regierung arme Pensionäre und Kleinsparer ganz legal entschädigen können. Zudem sind es überwiegend Italiens Reiche und internationale Vermögensverwalter wie der Blackrock-Konzern, die Bankanleihen halten, berichtete der Finanzdienst Bloomberg unter Berufung auf Daten der EZB.

Unterm Strich werden also erneut die ohnehin Privilegierten zum Schaden der übrigen Bürger begünstigt. Wer solche Fehler macht, darf sich über den Zulauf für die Rechtspopulisten nicht wundern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false