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Prorussische Separatisten nahe Donezk.

© AFP

Krise in der Ukraine: Die Angst vor dem russischen Einmarsch

In der Ukraine könnte Russland nach Ansicht von Experten bald auch direkt eingreifen. Rebellen im Osten des Landes schießen nach eigenen Angaben ein ukrainisches Flugzeug ab.

In der Ukraine gibt es ernsthafte Befürchtungen, dass es zu einem russischen Truppeneinmarsch in der Ostukraine kommen könnte. Am Sonntag hatte eine Granate ein Wohnhaus in der russischen Region Rostow getroffen, dabei kam ein Zivilist ums Leben. In Luhansk schossen Rebellen erneut ein Transportflugzeug der ukrainischen Armee ab. Die Zahl der Opfer war zunächst unklar. Vor dem Aufprall der Maschine seien drei Fallschirme gesichtet worden, erklärten die Rebellen. Bereits im Juni kam es zu einem Abschuss eines ukrainischen Flugzeugs in Slowjansk. Damals kamen 49 Soldaten ums Leben. Der Militärexperte Dmitri Tymtschuk sagte am Montag in Kiew, es gäbe Hinweise darauf, dass die russischen Streitkräfte für den 15. Juli einen Einmarsch in die Ukraine planten.

Die ukrainischen Sicherheitsdienste verfügten über Informationen, dass ein Angriff russischer Spezialeinheiten kurz bevorstehe. Am Montagmittag bestätigte der ukrainische Grenzschutz, dass in den ukrainischen Regionen Luhansk und Sumy russisches Militär zusammengezogen werde. Vor allem Panzer, schwere Fahrzeuge und Schützenpanzer würden dicht an die Grenzstellungen gebracht, melden ukrainische Medien. Mittlerweile gibt es immer mehr Einwohner, die den Einsatz der ukrainischen Armee ablehnen und sich den Rebellen anschließen. Die schweren Zerstörungen in den Städten Slowjansk, Kramatorsk und Luhansk führten dazu, dass sich ein Teil der Bevölkerung von der ukrainischen Regierung „verraten und verlassen“ fühle, schreibt die „Kyiv Post“.

Todesfall in Russland

In Luhansk wurden die Bewohner den dritten Tag in Folge aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben. Die vom Westen geforderte Wiederaufnahme der Friedensgespräche stößt in Kiew derzeit auf taube Ohren. Präsident Petro Poroschenko kündigte vor den Leitern der Strafverfolgungsbehörden zwar an, er wolle die Taktik des Anti-Terror-Einsatzes ändern, um die Zivilbevölkerung stärker zu schützen. Doch der Präsident unterstrich: „Die aktive Phase der Operation geht weiter.“

In den russischen Staatsmedien wird unterdessen offen über ein direktes Eingreifen im Nachbarland diskutiert. Einmarsch oder Nichteinmarsch? Genau so und nicht anders stelle sich für Russland inzwischen die Frage, sagte der Anchorman des russischen Staatsfernsehens am Sonntagabend. Kurz zuvor hatte es in Russland den ersten Toten seit Beginn der Kämpfe in der Ostukraine gegeben. Ein dort abgefeuertes Geschoss war jenseits der Grenze, auf russischem Gebiet, in ein Wohnhaus eingeschlagen. Kreml und Außenamt schließen aus, dass der Irrläufer auf das Konto der Separatisten ging, und machen Kiew für den Zwischenfall verantwortlich.

Moskau erwägt Präzisionsschläge

Präsident Wladimir Putin, der seit Freitag Lateinamerika bereist, kritisierte ihn als „nicht hinnehmbar“, in einer Erklärung des Außenministeriums ist von „Provokation“ und „neuerlicher Aggression“ die Rede. Dadurch würden die Spannungen im Grenzgebiet gefährlich eskalieren, was „irreversible Folgen“ haben könnte, für die die ukrainische Seite die alleinige Verantwortung trage. Wie die Tageszeitung Kommersant unter Berufung auf Quellen im russischen Präsidentenamt schreibt, erwägt Moskau bereits Präzisionsschläge gegen jene Stellungen der ukrainischen Armee, die für den Zwischenfall verantwortlich sein sollen. Moskaus Geduld sei endlich, warnte die ungenannte Quelle in Anspielung darauf, dass russische Grenzposten schon öfter beschossen wurden, wobei es allerdings keine Toten gab.

Größere Kampfhandlungen, womöglich auf ukrainischem Gebiet, werde die russische Armee jedoch nicht führen. Putin sei sich der politischen Langzeitfolgen einer Intervention und der Kosten für Russland bewusst, sagte Dmitri Trenin vom Moskauer Carnegie-Zentrum dem Blatt. Daher sei Putin bemüht, russische Interessen mit diplomatischen Mitteln durchzusetzen. Andere Experten warnen allerdings, es gebe in der Ukraine wie in Russland Kräfte, die Moskau zum Eingreifen provozieren wollten. Der ukrainische Präsident Poroschenko warf Russland bereits jetzt eine direkte Beteiligung an den Gefechten im Osten seines Landes vor. Offiziere der russischen Armee kämpften auf Seiten der Separatisten auf ukrainischem Territorium, erklärte Poroschenko am Montag.

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