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Krisenherd Ukraine: Zug um Zug auf dem Schachbrett Krim

Die USA gehen mit Sanktionen gegen Russland voran, die EU zieht nach und wird beim nächsten Gipfel in zwei Wochen über weitere Reaktionen beraten. Was will der Westen Putin entgegensetzen?

In der Partie um die Zukunft der Krim hat US-Präsident Barack Obama für die westliche Seite den nächsten Zug gemacht. Noch während die EU-Außenminister am Donnerstag um eine geschlossene Strategie gegenüber Russland rangen, erklärte er den nationalen Notstand für die USA und verhängte auf der Grundlage erste Sanktionen. „Schach“ droht dem russischen Präsidenten Wladimir Putin deshalb noch lange nicht. Obama wählt in dem makabren Spiel, in dem die Halbinsel im Schwarzen Meer als Schachbrett dient, vielmehr eine kleine Provokation mit Potenzial zu mehr. Derzeit sind die Vereinigten Staaten ohne Gefolgschaft der Europäer zu mehr aber noch nicht bereit. Obwohl der US-Kongress Druck auf Obama ausübt, weiter zu gehen.

Welche Maßnahmen ergreifen die USA?

Die US-Regierung verhängt Einreiseverbote, friert Vermögen ein und erteilt Geschäftsverbote. Alle Maßnahmen sind zunächst gegen Einzelpersonen und Institutionen gerichtet, die direkt in die Vorgänge in der Ukraine eingegriffen haben oder eingreifen. Sie sind aber laut Weißem Haus, „ein flexibles Instrument, das weitere Schritte nicht ausschließt, sollte die Situation sich weiter zuspitzen“.

Die Anweisung des Präsidenten schafft nur die rechtliche Grundlage, um das Vermögen von Privatpersonen, von Regierungsvertetern und von Organisationen jeder Art einzufrieren. Wer genau von den Maßnahmen betroffen ist und sein wird, obliegt jetzt der Entscheidung von US-Finanzminister Jack Lew in Absprache mit Außenminister John Kerry. Die präsidentielle Order definiert den Personenkreis als diejenigen, die die territoriale Integrität der Ukraine bedrohen oder verletzten. Mit den neuen Entwicklungen auf der Krim dürfte dieser Personenkreis recht groß sein.

Als betroffenes Vermögen definiert das Weiße Haus jeden Besitz oder jede Beteiligung an Eigentum innerhalb der USA sowie von US-Staatsbürgern innerhalb des definierten Personenkreises. All das soll geblockt sein, darf nicht überwiesen oder übertragen werden, nicht ausgezahlt, nicht exportiert oder irgendwie gehandelt werden. Spenden an die Betroffenen sind ebenso untersagt wie Geschäftsbeziehungen mit ihnen. Außerdem verfügt Obama Einreiseverbote für alle, die den gleichen Kriterien entsprechen. Der Visa-Bann gilt allerdings sowohl für russische wie für ukrainische Staatsbürger.

Nachdem sie bereits Anfang der Woche jede militärische Zusammenarbeit und Gespräche über Handelsbeziehungen gestoppt hatten, bewegen sich die Vereinigten Staaten damit auf echte ökonomische Sanktionen zu. Obama erklärte „den nationalen Notstand, um mit der Bedrohung umzugehen“.

Warum sich die EU mit Sanktionen so schwer tut

Warum macht es sich die EU so schwer mit Sanktionen?

Die Zwickmühle der Europäer ist beim Krisengipfel in Brüssel offen zutage getreten: Weder kann man die Ukrainer mit ihren Hoffnungen fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, noch kann die von Moskau zwar bestrittene, aber doch offensichtliche Grenzverletzung unbeantwortet bleiben. Das schuldet die EU allein schon ihren östlichen Mitgliedern, die sich nun ebenfalls bedroht fühlen.

So warf auf dem Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite Russland vor, Europas Grenzen neu ziehen zu wollen. Moskau verhalte sich „gefährlich“ und „unvorhersehbar“. Was da geschehe, sei eine „offene und brutale Aggression“. Es gehe Russland schlicht darum, „die Grenzen neu zu ziehen“. Sie warnte vor einem Dominoeffekt in der Region: „Nach der Ukraine wird es Moldau sein und nach Moldau andere Länder.“ Moldau streitet mit Russland um das Gebiet Transnistrien und will, so wie es auch die Ukraine geplant hatte, ein Assoziierungsabkommen mit der EU abschließen.

Dagegen standen andere, wie der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann, in Bezug auf harte Sanktionen eher auf der Bremse: „Im Vordergrund muss stehen, einen Dialog zwischen der Ukraine und Russland zustande zu bringen. Das macht man nicht mit Drohungen, sondern dadurch, dass man alle diplomatischen Kanäle aktiviert“. Frankreichs Präsident Francois Hollande warnte ebenfalls: „Wir wollen nicht weiter eskalieren.“ Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ging dagegen – wenig überraschend – ohne Festlegung in die Gespräche mit den Kollegen.

Worauf einigten sich die Spitzenpolitiker?

Einigkeit war nur in zwei Punkten schnell erzielt – und zwar bei der Verurteilung des russischen Vorgehens auf der Krim und der finanziellen Förderung der neuen ukrainischen Regierung. Unterstützt wurde daher ausdrücklich das von EU-Kommissionschef José Manuel Barroso am Vortag präsentierte Hilfspaket mit einem Volumen von mindestens elf Milliarden Euro. Die Summe setzt sich aus kurz- und langfristigen Maßnahmen zusammen. So sollen aus dem EU-Haushalt der Jahre bis 2016 rund drei Milliarden Euro für die Ukraine reserviert werden – die Hälfte als Kredite, die andere Hälfte als direkte Zuschüsse. Von den beiden EU-Banken, der Europäischen Investitionsbank in Luxemburg und der Osteuropabank in London, kommen Projektfördermittel in Höhe von weiteren acht Milliarden Euro.

Von Investitionszuschüssen in Höhe von etwa 200 Millionen Euro für internationale Kapitalgeber erwartet sich die EU-Kommission einen zusätzlichen Hebeleffekt von rund 3,5 Milliarden Euro. Zudem sollen eine internationale Geberkonferenz organisiert und die in dem ausverhandelten Freihandelsabkommen enthaltenen Zollerleichterungen vorgezogen werden, sobald die EU und die neue ukrainische Regierung das Assoziierungsabkommen unterzeichnen.

Die Gipfelteilnehmer verständigten sich auf ein zweistufiges Vorgehen. Sofort ausgesetzt werden sollen nun die Gespräche zwischen Brüssel und Moskau über Visaerleichterungen für russische Bürger bei der Einreise, auf die gerade die russische Wirtschaft schon lange Zeit drängt. Ein geplantes Partnerschaftsabkommen wird ebenfalls auf Eis gelegt, obwohl Putin und Barroso erst Ende Januar beim EU-Russland-Gipfel vereinbart hatten, im Juni mit den offiziellen Verhandlungen zu beginnen. Genügen diese Sanktionen nicht, soll beim nächsten regulären EU-Gipfel in zwei Wochen nachgelegt werden.

Allerdings redeten die Staats- und Regierungschefs angesichts der aktuellen Entwicklung auf der Krim, wo am Donnerstag ein Referendum über die Loslösung von der Ukraine angesetzt wurde, auch konkret über ein Wirtschaftsembargo. Etwa die Hälfte des russischen Außenhandelsvolumens wird mit der EU abgewickelt. Doch auch die EU ist stark von Russland abhängig, weil sie ein Fünftel ihres Öl- und etwa 45 Prozent ihres Erdgasbedarfs von dort deckt. mit AFP

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