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„Bufdi“ beim DRK. Die jungen Männer, die den Bundesfreiwilligendienst leisten, sollen helfen, die Lücken zu schließen, die durch den Wegfall des Zivildienstes entstanden sind.

© dpa

Kritik an den Vorgaben: Streitfall Bundesfreiwilligendienst

Die Sozialverbände fordern beim Nachfolger des Zivildienstes Korrekturen vom Familienministerium. Die neuen Vorgaben seien so nicht zu erfüllen.

Berlin - Einen Monat nach der Einführung des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) kritisieren die Wohlfahrtsverbände neue Vorgaben des Familienministeriums scharf. Dieses hatte vergangene Woche eine Regelung bekannt gegeben, wonach die Bundeszuschüsse zum Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) an den neuen Bundesfreiwilligendienst gekoppelt werden. Für je drei FSJ-Plätze muss ein Träger zwei abgeschlossene BFD-Verträge vorzeigen. Andernfalls dreht der Bund den Geldhahn für das FSJ zu.

„Das Ministerium muss die Regelung zurücknehmen“, fordert Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Bislang seien in seinem Haus etwa 4400 FSJ-Verträge unterzeichnet worden. Es gebe aber nur 700 verbindliche Zusagen für den neuen Dienst. „Das ist ein Verhältnis von sieben zu eins. Die angepeilte Marke von drei zu zwei werden wir sicherlich nicht schaffen.“ Mehr als 3000 FSJ-Bewerber müssten dann weggeschickt werden, obwohl die Gelder vorhanden seien. Die Caritas hat ähnliche Probleme. Bei den katholischen Trägern sind mehr als 3000 FSJ-Verträge und knapp 1000 BFD-Verträge abgeschlossen worden. Auch hier wird die neue Zielmarke also nicht erreicht. „Die Kopplung ist nicht praktikabel“, kritisiert Caritas-Generalsekretär Georg Cremer. 1500 Bewerber müssten wieder nach Hause geschickt werden.

Aus Sicht des Ministeriums ist das ein lösbares Problem. Der Bundesarbeitskreis FSJ habe mitgeteilt, dass sich etwa 50 000 bis 60 000 Freiwillige für ein FSJ beworben haben. Das sagte eine Sprecherin dem Tagesspiegel. Im FSJ-Programm stehen 35 000 Plätze zur Verfügung. Der Rest könne mit den Kapazitäten vom BFD gedeckt werden. Für den neuen Dienst würde die Zahl der Bewerber kontinuierlich steigen. Wie bereits Anfang Juli gemeldet gibt es bislang nur 3000 unterschriebene Verträge. Neuere Zahlen liegen bislang nicht vor. „Wir bemühen uns, den BFD bei den Bewerbern bekannter zu machen“, sagt Caritas-Experte Cremer. Aber bis Anfang September sei die Zeit zu kurz.

Das Familienministerium weicht mit der Regelung von jenen Eckpunkten ab, die Ministerin Kristina Schröder im Herbst 2010 mit den unionsgeführten Bundesländern vereinbart hatte. Schröder (CDU) ist zurzeit in einer Babypause. In den Eckpunkten heißt es, dass künftig alle bestehenden und neuen FSJ-Plätze gefördert werden, „auch wenn von den Trägern des FSJ keine Plätze für den Bundesfreiwilligendienst angeboten werden“. Die SPD befürchtet, dass das FSJ durch die neue Regelung geschwächt wird. Auch sonst fällt die Bilanz negativ aus. „Der Bundesfreiwilligendienst ist ein Rohrkrepierer“, sagt Sönke Rix, SPD-Obmann im Unterausschuss für bürgerschaftliches Engagement im Bundestag. Die Bewerber, Einsatzstellen und Träger seien total verunsichert. Grund dafür sei „die überhastete Einführung des neuen Dienstes“. Die Verschmelzung von BFD und FSJ sei die einzig sinnvolle Lösung. „Freiwilligendienste sollten nicht zentral von der Politik organisiert werden, sondern zivilgesellschaftlich vor Ort.“

Das FSJ wird durch die Bundesländer und Träger organisiert, der BFD vom Bund. Daran will CSU-Politiker Norbert Geis zunächst festhalten. „Es ist lediglich eine Frage der Information.“ Die Träger sollten die FSJ-Bewerber auf den neuen Dienst gezielter hinweisen und ihn so bekannter machen. Falls das langfristig nicht funktioniert, sei er „grundsätzlich offen“ über eine Zusammenlegung der Dienste zu sprechen. Er bezweifle aber, ob sich Bund und Länder darauf einigen könnten. Das Familienministerium lehnt Forderungen nach einer Fusion ab. Das Nebeneinander der beiden Dienste und die daraus entstehende „Pluralität“ seien sinnvoll, sagt eine Sprecherin des Ministeriums. Zumal es verfassungsrechtliche Grenzen gebe. Der Bund könne das FSJ nicht unbegrenzt bezuschussen. Einen gesetzlich festgelegten Grenzwert gibt es aber nicht, die Höhe des Zuschusses sei „Auslegungssache“.

Nach Ansicht des Ministeriums habe der Bundesfreiwilligendienst gegenüber FSJ keine Nachteile, da die „Konditionen identisch sind“. Aus Bewerbersicht stimmt das nur teilweise. Bislang haben die sogenannten Bufdis nämlich kein Anrecht auf Kindergeld, Teilnehmer des FSJ hingegen schon. Das will der Gesetzgeber zwar ändern. Über das Gesetz soll allerdings erst im November abgestimmt werden. Der Zeitraum bis zur Nachzahlung im Winter könnte manche Familie vor Probleme stellen. Ein weiterer Vorteil des FSJ ist die Anerkennung bei Studiengängen. Wer im Anschluss an den Dienst beispielsweise Medizin studieren möchte, hat einen Vorteil bei der Zulassung. Für den Bundesfreiwilligendienst gibt es eine entsprechende Regelung noch nicht.

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