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Angekommen in Deutschland. Blick in die Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in einer Turnhalle in Ellwangen in Baden-Württemberg.

© Wolfram Kastl/dpa

Kritik an Flüchtlingspolitik: Merkel verliert Sympathien

Zwar ist das Vertrauen der Deutschen in die Bundeskanzlerin grundsätzlich noch immer groß - doch mit ihrer Flüchtlingspolitik kann sie nur die Hälfte ihrer Landsleute überzeugen. Selbst jeder vierte Unionsanhänger ist skeptisch.

Von
  • Michael Schmidt
  • Matthias Schlegel

Seit Monaten ist die Asyl- und Flüchtlingspolitik das Thema, das die Deutschen am meisten beschäftigt. Dadurch rückt das Agieren der Bundesregierung verstärkt in den Fokus der Bevölkerung.

So zeigt das jüngste Politbarometer der Forschungsgruppe Wahlen für ZDF und Tagesspiegel, dass fast drei Viertel der Befragten Angela Merkel im höchsten Regierungsamt summarisch ein gutes Zeugnis ausstellen, aber das Urteil in Sachen Asyl- und Flüchtlingspolitik deutlich kritischer ausfällt: In diesem Bereich bewerten nur 50 Prozent der Befragten Merkels Arbeit positiv. 43 Prozent sind mit der Asyl- und Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin nicht einverstanden. Neben 36 Prozent der SPD-, 56 Prozent der Linke-, 29 Prozent der Grünen- und 99 Prozent der AfD-Anhänger gehen dabei auch 27 Prozent der CDU/CSU-Anhänger auf Distanz zu Merkels Kurs.

Nachdem die Kanzlerin schon Anfang September nach gut dreieinhalb Jahren ihre Führungsposition auf der Skala der beliebtesten Politiker verloren hatte, rutscht Angela Merkel nun gar auf Platz vier zurück. Spitzenreiter bleibt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Ihm folgt Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), dahinter platziert sich Neueinsteiger Wolfgang Bosbach (CDU), den allerdings mangels Bekanntheit fast die Hälfte der Befragten nicht bewerten kann.

Vier von fünf begrüßen Grenzkontrollen

Bei der Beurteilung der Flüchtlings- und Asylpolitik kommt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) noch schlechter weg als die Bundeskanzlerin. Seine Arbeit auf diesem Feld bewerten nur 34 Prozent mit „eher gut“. 46 Prozent der Befragten beurteilen es als „eher schlecht“. Allerdings trauen sich 20 Prozent nicht zu, den Innenminister bei dieser Aufgabe einzuschätzen.

57 Prozent der Deutschen meinen, dass Deutschland die vielen Flüchtlinge verkraften könne. Dieser Wert hat sich in den vergangenen Monaten nur wenig verändert. Aber immerhin 40 Prozent der Befragten sind gegenteiliger Meinung. Dabei sind die Zweifel im Osten Deutschlands stärker ausgeprägt. Dort meinen 53 Prozent der Befragten, dass Deutschland überfordert ist. Im Westen sind es nur 37 Prozent. Zweifel an der Bewältigung äußern außerdem nur 35 Prozent derjenigen, denen es wirtschaftlich gut geht, aber 52 Prozent derjenigen in einer finanziell schlechten Lage. Über 60-Jährige oder Befragte mit niedriger Schulbildung sind in dieser Frage skeptischer als junge oder formal hochgebildete Befragte. 

Nachdem die Schlagbäume zwischen den meisten europäischen Staaten schon vor vielen Jahren gefallen sind, haben einzelne Länder, darunter Deutschland, jetzt wieder Grenzkontrollen eingeführt. Das finden 78 Prozent der Befragten gut und 19 Prozent nicht gut, wobei dieses klare Votum maßgeblich von Unions-, SPD- und AfD-Anhängern gestützt wird. Unter Linke-Anhängern stimmen noch drei von fünf Befragten zu, unter Grünen-Anhängern nur rund die Hälfte.

Leichter Verlust für die Union, leichter Gewinn für Linke und AfD, die wieder an der Fünf-Prozent-Marke kratzt.
Leichter Verlust für die Union, leichter Gewinn für Linke und AfD, die wieder an der Fünf-Prozent-Marke kratzt.

© Tsp/Bartel

Die meisten Deutschen (47 Prozent) erwarten für die Zukunft, dass sich langfristig die Vorteile und Nachteile der Zuwanderung von Flüchtlingen ausgleichen. Während 29 Prozent glauben, dass sich daraus eher Nachteile ergeben, 21 Prozent sehen eher Vorteile. Von positiven Effekten für das Land gehen überproportional viele junge Deutsche aus. Auch mehr als doppelt so viele Befragte mit Hochschulabschluss als Befragte mit Mittlerer Reife oder Hauptschulabschluss sind dieser Meinung.  

Dass unter dem Eindruck der Flüchtlingsströme Deutschland und einige andere Länder an den Binnengrenzen wieder Kontrollen eingeführt haben, finden 78 Prozent der Befragten gut. Nur 19 Prozent lehnen das ab.

Was eine gerechtere Aufteilung der Flüchtlinge auf die einzelnen EU-Mitgliedsländer anbelangt, rechnen nur 22 Prozent der Befragten damit, dass sich die Staaten darauf einigen werden. 76 Prozent glauben das nicht. Aber eine sehr große Zahl der Deutschen (79 Prozent) würden Ausgleichszahlungen von jenen Staaten befürworten, die sich der Aufnahme von mehr Flüchtlingen verweigern. Nur 18 Prozent der Befragten halten solche finanziellen Kompensationen für unangemessen.

Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die Union auf 41 Prozent, das ist ein Prozentpunkt weniger als beim letzten Politbarometer. Linke und AfD konnten um einen Prozentpunkt zulegen (siehe Grafik).

Für das die Politbarometer befragte die Forschungsgruppe Wahlen vom 22. bis 24. September telefonisch 1225 zufällig ausgewählte Wahlberechtigte in Deutschland.

Geteiltes Echo auf Flüchtlingsgipfel

Die Einigung zwischen Bund und Ländern auf Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise stieß am Freitag auf ein geteiltes Echo. Während sich Politiker von Union und SPD überwiegend zufrieden mit den vor allem die Finanzierung betreffenden Beschlüssen zeigten, kritisierten Opposition und Kommunen diese als unzureichend. Die Hilfsorganisation Pro Asyl erhob den Vorwurf, Deutschland betreibe „Abwehr und Ausgrenzung statt Aufnahme und Integration“. Bei dem Treffen am Donnerstagabend wurde unter anderem eine Kostenpauschale von 670 Euro pro Flüchtling beschlossen, die der Bund tragen wird. Für jugendliche Flüchtlinge plant der Bund finanzielle Hilfe im Umfang von 350 Millionen Euro ein. Zudem sollen die Mittel für den sozialen Wohnungsbau von 2016 bis 2019 um jeweils 500 Millionen Euro erhöht werden. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) sagte am Freitag im RBB, das Bundeskabinett werde den Gesetzentwurf am Dienstag beschließen, damit die Gesetze zum 1. November in Kraft treten könnten. Im Bundestag wird das Paket ebenfalls bereits nächste Woche beraten, Mitte Oktober soll es in Parlament und Länderkammer beschlossen sein. Dabei zeichnet sich eine Zustimmung auch von Bundesländern ab, die von den Grünen mitregiert werden. „So ein überparteilicher Kompromiss ist ein enorm wichtiges Signal: Damit zeigt die Politik, dass die viel beschworene Verantwortungsgemeinschaft nicht nur irgendein Sonntagsspruch ist“, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der Erfurter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) kündigte dagegen an, er werde die pauschale Einstufung der Westbalkan-Länder als sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat ablehnen.

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