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Gegenwehr. Ministerin von der Leyen (CDU) ist mit den neuen Hartz-IV-Regelsätzen noch nicht auf der sicheren Seite.

© dpa

Kritik an Regelsätzen: DGB verreißt Hartz-IV-Neuerungen

Der Gewerkschaftsbund sieht mit den neuen Hartz-IV-Regelsätzen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht umgesetzt. Am Montag berät der Sozialausschuss des Bundestages.

Berlin - Das Urteil des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) über die von der Bundesregierung geplante Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze fällt vernichtend aus: Der Gesetzentwurf werde dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar „nicht gerecht“ und bilde „keine tragfähige Basis zur Vermeidung von Armut, insbesondere von Kinderarmut“, heißt es in einer Stellungnahme, die dem Tagesspiegel vorliegt. Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum richte sich nicht nach den vermeintlichen Notwendigkeiten des Bundeshaushalts, mahnt der DGB. „Die Verfassungslage ist entscheidend, nicht die Kassenlage“, heißt es in der 26-seitigen Analyse, in der die DGB-Fachleute „verfassungsrechtliche Bedenken“ an den Plänen der Koalition deutlich machen.

Am Montag will der Sozialausschuss des Bundestags mit 23 Verbänden und Sachverständigen in einer Anhörung über die Hartz-IV-Neuregelungen beraten. Die Fachleute der Koalition müssen sich darauf einstellen, viel Kritik einzustecken. Umstritten sind sowohl die neue Höhe der Regelsätze und deren Herleitung (für Erwachsene sollen die Bezüge zum 1. Januar 2011 um fünf Euro im Monat steigen) als auch das Bildungspaket für die rund 1,7 Millionen Kinder aus Hartz-IV-Familien.

Nach Ansicht des DGB sind die Regelsätze, insbesondere die von Kindern, zu niedrig. Sie seien „nicht auf die Vermeidung von Armut ausgelegt“, sondern „durch eine politisch motivierte, gesteuerte Auswertung“ der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) zustande gekommen. Das Verfahren zur Ableitung der Regelsätze sei „nicht in ausreichender Transparenz“ durchgeführt, die Referenzgruppe „auf methodisch unzulässige Weise“ gebildet worden, außerdem gebe es „teils fragwürdige normative Entscheidungen“, kritisieren die DGB-Fachleute.

Die Höhe der Hartz-IV-Regelsätze richtet sich nach dem Konsumverhalten der Geringverdiener in Deutschland. Um zu ermitteln, wie viel diese für Essen, Kleidung oder Bildung ausgeben, lässt das Statistische Bundesamt alle fünf Jahre Haushalte Buch führen über ihre Ausgaben – diese Stichprobe heißt abgekürzt EVS. Bei der Ermittlung der Regelsätze hat die Bundesregierung nun erstmals die Größe der Referenzgruppe geändert: So werden bei den Einpersonenhaushalten nur noch die Konsumausgaben der unteren 15 Prozent der Einkommenspyramide als Vergleich herangezogen, vorher waren es 20 Prozent. Bei den Familien bleiben hingegen die unteren 20 Prozent der Maßstab. „Undurchsichtig“ findet das der DGB.

„Nicht nachvollziebar“ sei außerdem, warum Hartz-IV-Empfänger nicht „im geringen Maß Alkohol und Zigaretten konsumieren sollen“. Diese Herausnahme treffe alle Hilfeempfänger: Auch Nichtraucher müssten einen um gut elf Euro abgesenkten Regelsatz hinnehmen und würden in ihren Möglichkeiten beschnitten, alternative Güter zu kaufen. Hinzu kommt, dass bei zahlreichen Konsumposten die Fallzahlen so gering sind, dass es laut DGB Zweifel daran gibt, „ob die Angaben überhaupt statistisch aussagekräftig sind“.

Auch das Bildungspaket bekommt schlechte Noten: Es sei „zu klein“, die einzelnen Maßnahmen blieben „Stückwerk“. Die Bundesregierung plant Zuschüsse zum Mittagessen in Ganztagsschulen sowie für jedes Kind ein monatliches Budget von zehn Euro. Mit einem Gutschein sollen der Beitrag im Sportverein oder der Musikunterricht bezahlt werden. Der Betrag von zehn Euro sei „weitgehend freihändig abgeleitet“, kritisiert der DGB, es sei zweifelhaft, ob das verfassungskonform sei. Kritisiert wird auch, dass für Kinder, vor allem in ländlichen Gebieten, keine Ausgaben für Fahrtkosten vorgesehen seien, um zu den Bildungsangeboten zu gelangen. Beim Ausbau der Bildungsangebote favorisiert der DGB einen anderen Weg: die Kombination von Geldleistungen an die Familien und den Ausbau der Infrastruktur, etwa über bessere Förderangebote für leistungsschwache Schüler oder den Einsatz von mehr Sozialarbeitern.

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