zum Hauptinhalt
327152_0_77b27ee8.jpg

© X00320

Kritik an Rösler: Rabatt-Schlacht um den Gesundheitsmarkt

Die gesetzlichen Krankenkassen haben im vergangenen Jahr einen Milliardenüberschuss erwirtschaftet. Euphorie kommt beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung jedoch nicht auf.

Es ist nur auf den ersten Blick eine gute Nachricht. Die gesetzlichen Krankenkassen haben im vergangenen Jahr einen Überschuss erwirtschaftet: 1,1 Milliarden Euro bei fast 172 Milliarden Euro Gesamteinnahmen. Große Euphorie kommt beim Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dennoch nicht auf. Die Zahlen änderten nichts an der prekären Finanzlage, erklärte der Spitzenverband. Da den Kassen in diesem Jahr rund vier Milliarden Euro weniger aus dem Gesundheitsfonds zuflössen, als zur Deckung der geschätzten Ausgaben nötig seien, seien Zusatzbeiträge die logische Konsequenz. Der Überschuss soll unter anderem dazu dienen, gesetzlich geforderte Rücklagen aufzubauen. Der Fonds, aus dem die Krankenkassen gespeist werden, verbuchte wegen der Wirtschaftskrise im ersten Jahr seines Bestehens ein Defizit von rund 2,5 Milliarden Euro. Dieses soll in den Folgejahren abgebaut werden. In den Finanzpool fließen Beitragseinnahmen und Steuermittel. Insgesamt rechnen Experten von Ministerium, Kassen und Bundesversicherungsamt für das laufende Jahr mit einem Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung von knapp acht Milliarden Euro. 3,9 Milliarden davon werden vom Bund per Sonderzuschuss übernommen, der krisenbedingte Ausfälle abfedern soll.

In fast allen Bereichen kam es 2009 zu Kostensteigerungen: So wurden Früherkennungsuntersuchungen um 21,3 Prozent teurer, das Krankengeld stieg um 10,5 Prozent, auch Ärzte (7,4 Prozent) und Kliniken (6,6 Prozent) erhielten mehr Geld. Die Arzneiausgaben stiegen um 1,5 Milliarden auf 30,7 Milliarden Euro. Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) arbeitet daher an einem Sparpaket für diesen Bereich: „Ich habe immer gesagt, dass ich hart an die Pharmaindustrie und deren Preise herangehen werde. Das mache ich jetzt“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Für Preissenkungen will er die Firmen zu Vertragsverhandlungen mit den Kassen zwingen – so schnell wie möglich. „Bis es so weit ist, muss es kurzfristige Kostenbremsen geben. Das sind Zwangsrabatte und Preismoratorien“, sagte der Minister. Spätestens bis Ende des Jahres will Rösler eine neue gesetzliche Regelung für die Preisgestaltung schaffen. „Die Einsparchancen liegen bei zwei Milliarden Euro“, sagte er. Künftig müssen Hersteller laut Rösler mit Studien den Zusatznutzen für Patienten wissenschaftlich belegen, bevor neue Präparate auf den Markt kommen. Eine Zulassung von großen Apothekenketten, die mit der Industrie günstigere Preise aushandeln könnten, sieht der Minister nicht als Lösung.

Doch nicht alle sind von diesen Plänen begeistert – auch in seiner eigenen Partei. Martin Zeil, Wirtschaftsminister in Bayern, unterstützt Rösler zwar prinzipiell in seinen Zielen, „nur über die Wege dorthin wird man sich im Einzelnen noch unterhalten“. Vor allem die Zwangsrabatte stoßen auf Kritik. „Ich verstehe, dass Philipp Rösler kurzfristig die Kosten für Arzneimittel senken will. Dabei würde ich allerdings freiwilligen Regelungen den Vorrang vor Zwangsrabatten geben“, sagte Zeil. Auch Christoph Hartmann, Wirtschaftsminister im Saarland, ist skeptisch. Auch er kritisiert die „Hersteller-Zwangsrabatte“ (Hartmann) und den von Rösler geplanten Wegfall der Re-Importquote. „Für diese Pläne wird Philipp Rösler von uns keinen Beifall bekommen“, sagt Hartmann. Der Wegfall der Quote würde allein im Saarland 500 Arbeitsplätze kosten. Bei Re-Importen handelt es sich um Medikamente, die, obwohl in Deutschland produziert, im Ausland billiger sind. Diese werden dann, nachdem sie exportiert wurden, wieder (re-)importiert. Unternehmen wie Kohl-Pharma aus Merzig im Saarland haben das zum Geschäft gemacht. Im Moment müssen sechs Prozent der in Deutschland ausgegebenen Arzneimittel Re-Importe sein. „Es ist natürlich prinzipiell richtig, in alle Richtungen zu denken, auch in Richtung der Arzneimittelkosten, aber es ist immer die Frage, wie nachhaltig das Ganze ist“, sagt Hartmann.

Kritik kam auch vonseiten der Gewerkschaften. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach nannte Röslers Sparpläne „unausgereift“. Der DGB will von einer eigens eingesetzten Reformkommission ein solidarisch finanziertes Gegenkonzept zu den Vorstellungen der schwarz- gelben Regierung ausarbeiten. Der Kommission gehören auch Wissenschaftler sowie Vertreter von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden und anderen gesellschaftlichen Organisationen an.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false