zum Hauptinhalt
Suppe

© dpa

Kritik: Caritas: Suppenküchen festigen Armut

Die katholische Caritas und auch die evangelische Diakonie kritisieren die Tafelbewegung. Sie trage zum Rückzug des Staats aus der Daseinsvorsorge bei.

Die Caritas hat vor der Verfestigung von Armut durch existenzunterstützende Dienstleistungen gewarnt. „Es kann kein Ziel sein, auf Dauer ganze Gruppen von Menschen mit Kleiderkammern, Suppenküchen und Sozialtarifen für Strom zu versorgen und auf diese Weise Parallelwelten entstehen zu lassen“, sagte Caritas-Präsident Peter Neher dem Tagesspiegel. Neher wies auf die wachsende Zahl von Tafeln der sogenannten Tafelbewegung, aber auch innerhalb des eigenen Verbandes hin, unter dessen Dach die Lebensmittelläden für Arme derzeit ebenfalls eine „Renaissance“ erlebten.

Diakonie-Präsident Klaus-Dieter Kottnik nannte das „exponentielle Wachstum der Tafelbewegung“ ein Alarmzeichen. Er hätte sich „vor Jahren nicht träumen lassen, dass wir in Deutschland einmal 800 Tafeln haben“, sagte Kottnik dem Tagesspiegel. Bundesweit wird die Tafelbewegung von rund 35 000 Menschen unterstützt. Die älteste der inzwischen rund 800 Tafeln ist die in Berlin, sie wurde 1993 nach US-Vorbild gegründet. Etwa ein Viertel der Tafeln befindet sich in kirchlicher Trägerschaft.

"Gefahr, dass es sich die politisch Verantwortlichen leicht machen“

„Die Caritas findet sich mit der wachsenden Normalität von Lebensmittelausgaben nicht ab“, heißt es in einem Papier des Caritas-Vorstands, das dem Tagesspiegel vorliegt. Und wörtlich: „Es wäre fatal, wenn die politischerseits gern gesehene Tafelbewegung dazu beiträgt, dass sich der Staat mit Hinweis auf die Bürgergesellschaft aus der Daseinsvorsorge seiner Bürger sukzessive zurückzieht.“

Zwar sei es als „sehr positiv“ zu werten, dass sich so viele Menschen und auch Unternehmen in bürgerschaftlichem Engagement an der Linderung von Not beteiligten, sagte Neher. Allerdings wachse dadurch auch „die Gefahr, dass es sich die politisch Verantwortlichen leicht machen“. Für die gleichberechtigte Teilhabe aller Sorge zu tragen, sei aber Aufgabe des Sozialstaats und nicht die von ehrenamtlichen Helfern. Außerdem dürfe man nicht aus dem Auge verlieren, dass zu wirksamer Armutsbekämpfung mehr nötig sei, als Notsituationen zu überbrücken. „Wir müssen Menschen befähigen, ihren Haushalt und ihren Alltag selber zu organisieren“, so Neher. Dazu gehörten Hinweise auf Rechte und Ansprüche, die Verknüpfung mit Beratern und Begegnungsmöglichkeiten. Längerfristig müssten sich zudem armutbegünstigende Strukturen ändern, wichtig seien vor allem bessere Arbeits- und Bildungschancen.

Der Widerspruch betreffe doch alle Sozialverbände, kontert der Bundesverband Deutsche Tafel. „Natürlich werden wir mit instrumentalisiert im Rahmen staatlicher Sozialpolitik“, sagte Vorstandschef Gerd Häuser dem Tagesspiegel. „Wir wollen den Staat nicht aus seiner Daseinsfürsorge entlassen. Aber wir können die Bedürftigen auch nicht im Stich lassen, bis sich irgendwann vielleicht etwas ändert. Das wäre menschenverachtend.“

"Barmherzigkeit und Einsatz für mehr Gerechtigkeit“

Das Engagement der Helfer sei sehr lobenswert, weil man damit eklatanter Not begegne, sagte Diakonie-Präsident Kottnik. Es müsse aber „immer beides zusammenkommen: Barmherzigkeit und Einsatz für mehr Gerechtigkeit“. So setze sich die Diakonie für höhere Hartz-IV-Sätze ein. „Die Menschen müssen imstande sein, selber für ihre Ernährung sorgen zu können. Mit dem derzeitigen Hartz- IV-Satz gelingt ihnen das oft nicht mehr.“

Er habe großen Respekt vor den Ehrenamtlichen in der Tafelbewegung, betonte auch Caritas-Präsident Neher. Zudem beteiligten sich viele Unternehmen mit großem Engagement. Offenbar sei es ein Fakt, „dass es in dieser Gesellschaft viele Lebensmittel gibt, die nicht anderweitig verbraucht werden können“. Allerdings sei es „in niemandes Interesse, jemanden auf Dauer in Abhängigkeit zu halten.“

Es sei „nicht so, dass auf einer Seite des Tresens die Charity-Lady und auf der anderen der Hartz-IV-Empfänger steht“, betonte Verbandssprecherin Anke Assig. Viele Bedürftige arbeiteten aktiv mit. Manche Tafeln befänden sich in der Trägerschaft von Arbeitslosenverbänden. Auch gebe es das Essen selten kostenlos. Meist verlange man von den Nutzern zumindest einen symbolischen Beitrag. Schließlich gehe es auch um Würde, sagt Tafel-Chef Häuser. Bedürftige seien keine Almosenempfänger, „wir behandeln sie als Kunden“. Entsprechend wäre für ihn „die Grenze überschritten, wenn wir Fertigprodukte verteilen oder eine Vollversorgung übernehmen würden.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false