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Miro Kovac ist seit 2008 Kroatiens Botschafter in Deutschland. Geboren wurde der 44-jährige Politikwissenschaftler in Split.

© promo

Kroatiens Botschafter über den EU-Beitritt: „Früher waren wir romantisch“

Die Kroaten werden im Juli der EU beitreten. Richtig euphorisch sind sie heute nicht mehr - im Gegensatz zu vor zehn Jahren, als sie sich bewarben.Miro Kovac ist seit 2008 Kroatiens Botschafter in Deutschland. Im Interview spricht er über Kroatiens Wirtschaft, den Umgang mit der Kriegsvergangenheit und Zukunftshoffnungen.

Kroatien steht kurz vor dem EU-Beitritt. Fühlen Sie sich erleichtert?

Erleichtert und zufrieden. Der Prozess war hart, der strengste, den es bisher gab. Man fühlt sich in gewisser Weise wie jemand, der nach einer extrem langen und anspruchsvollen Prüfungszeit auf die Aushändigung des Abschlusszeugnisses und den zeitgleichen Dienstantritt wartet.

Welchen Einfluss hat die Krise auf die Vorfreude im Land?

Natürlich gab es vor zehn oder 15 Jahren sehr viel höhere Erwartungen an die EU, als es heutzutage der Fall ist. Die Menschen in Kroatien sehen ja, dass es Länder in der EU gibt, die erfolgreich Strukturreformen durchgeführt haben und dementsprechend gut dastehen. Gleichzeitig sehen sie aber auch, dass es in einigen EU-Mitgliedstaaten weniger gut läuft. Daraus schließen sie richtigerweise, dass es an der kroatischen Politik und ihnen selbst liegt, ob aus dem EU-Beitritt Kroatiens eine Erfolgsgeschichte werden wird. Unmittelbar nach der Erlangung der Eigenständigkeit war man romantisch, man glaubte, Kroatien werde einfach hineinspazieren können in die damalige Europäische Gemeinschaft. Heute ist man realistisch und weiß, dass die EU zwar einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bietet, aber dass für die Steigerung des Wohlstands in Kroatien hart gearbeitet werden muss. Diesen Realismus finde ich gut.

Noch im Herbst sagten die beiden Bundestagsabgeordneten Norbert Lammert und Gunther Krichbaum: Kroatien ist nicht beitrittsreif. Wie wurde das damals aufgenommen?

Das hat natürlich schon für Unruhe in Kroatien gesorgt. Ich habe diese Äußerungen aber als konstruktive Kritik wahrgenommen, denn im Kern waren und sind wir einer Meinung: Wir wollen, dass ein vernünftig vorbereitetes Kroatien, das alle vorgegebenen Kriterien erfüllt, der EU beitritt. Es wäre für unser Land inakzeptabel, der EU beizutreten und gleichzeitig das Gefühl zu haben, jemand könnte hinterherrufen, man habe sich durchgemogelt. Um auf das oben gezeichnete Bild zurückzugreifen: Wir haben die vielen Prüfungen ordentlich bestanden und werden der EU ohne jegliche vorgeschriebenen Nachbesserungen beitreten. Dass Kroatien beitrittsreif ist und alle Auflagen erfüllt, hat ja dann auch der abschließende Monitoring-Bericht der Europäischen Kommission im April dieses Jahres eindeutig festgestellt.

Ein wichtiges Kriterium für den EU-Beitritt Kroatiens ist die Korruptionsbekämpfung. Die EU-Kommission hat hier große Fortschritte festgestellt. Sie sagt aber auch: Es gibt immer noch zu wenige harte Urteile.

Die Justiz in Kroatien ist unabhängig. Man kann sie daher nicht zwingen oder ihr anordnen, jemanden zu verurteilen. Tatsächlich laufen viele Prozesse wegen Korruption, und es wurden auch schon harte Urteile gefällt. Die Härte der kroatischen Strafverfolgungsbehörden wurde nicht nur in Brüssel gelobt, sie wird vielmehr von der eigenen Bevölkerung verlangt.

Die EU fordert von Kroatien, dass die Rechte von Minderheiten respektiert werden. Gilt das auch für die Rechte der serbischen Minderheit?

In Kroatien gibt es ein vorbildhaftes Verfassungsgesetz über die Rechte nationaler Minderheiten. Es besagt unter anderem, dass Minderheiten, deren Anteil an der Bevölkerung 1,5 Prozent übersteigt, mit bis zu drei Abgeordneten im kroatischen Parlament vertreten sein können. Auf dieser Grundlage schreibt unser Parlamentswahlgesetz vor, dass die Minderheiten in Kroatien mit acht Abgeordneten im Parlament vertreten werden, wovon drei auf die serbische Minderheit entfallen. Zusätzlich dazu gibt es natürlich auch kroatische Politiker mit Minderheitenhintergrund, die aber nicht in Minderheitenparteien, sondern in den größeren Volksparteien wirken.

Das Beispiel der Stadt Vukovar im Osten Kroatiens zeigt aber, dass das Miteinander nicht immer reibungslos funktioniert. Vukovar wurde während des Kroatien-Kriegs von Serben belagert. Nach der Verfassung haben die Serben heute in Vukovar ein Recht auf zusätzliche Ortsschilder in ihrer kyrillischen Sprache. Doch dagegen gab es lautstarke Proteste der kroatischen Mehrheit.

Die Regierung beruft sich auf das oben genannte Verfassungsgesetz und hat angekündigt, dass nach den bevorstehenden Kommunalwahlen in Vukovar kyrillische Ortsschilder aufgestellt würden. Bei einer friedlichen Protestveranstaltung in Zagreb wurde die Vertagung dieses Beschlusses verlangt. Solche Vorgänge sind gang und gäbe in Demokratien.

Aber zeigt das Beispiel Vukovar nicht, dass hier noch immer eine offene Wunde aus Kriegszeiten klafft?

Ja. Aber eine solche Protestkundgebung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Zusammenleben zwischen Kroaten und Serben in dem 1991 komplett zerstörten Vukovar gut funktioniert.

Die Bundesregierung hat den Zugang kroatischer Arbeitnehmer zum deutschen Arbeitsmarkt zunächst für die kommenden zwei Jahre eingeschränkt, allerdings mit Ausnahmen für bestimmte Bevölkerungsgruppen, darunter Akademiker. Sind Sie einverstanden mit dieser Regelung?

Diese Entscheidung obliegt dem Bundestag und dem Bundesrat. Grundsätzlich gilt es festzustellen: Wir erwarten nicht, dass Tausende von Kroaten nach Deutschland strömen werden, um hier zu arbeiten. Übrigens, Reisefreiheit in die Länder der EU genießen die Kroaten schon seit den 90er Jahren des vorherigen Jahrhunderts.

Nach Kroatien wird vermutlich so schnell erst einmal kein Land mehr der EU beitreten. In vielen alten EU-Staaten gibt es eine Art Erweiterungsmüdigkeit. Können Sie das verstehen?

Das kann man durchaus nachvollziehen. Gerade die letzte Erweiterungsrunde, eine Steigerung der Mitgliederzahl von 15 auf 27, war nicht einfach zu verkraften für die EU. Kroatien muss damit leben, dass es heute in den alten Mitgliedsländern keine Euphorie mehr gibt. Deshalb sehe ich es als ganz große Leistung für mein Land an, dass der Beitritt trotzdem gelingt. Es zeugt davon, dass wir zäh genug waren, diesen mühsamen Weg zu gehen. Es ist im Endeffekt eine Erfolgsgeschichte, für Kroatien, aber auch für die EU, gerade in diesen nicht einfachen Zeiten.

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