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Politik: Kroatiens Staatschef fürchtet um die Macht und droht einmal mehr dem "inneren Feind"

Zwischen dem einsamen Mann und seinem Volk liegt ein weiter Park. Die Fahrt führt neben hohen Tannen und ausladenden Buchen vorbei.

Zwischen dem einsamen Mann und seinem Volk liegt ein weiter Park. Die Fahrt führt neben hohen Tannen und ausladenden Buchen vorbei. Auf den grünen Wiesen stehen verträumte Statuen. Am Eingang zur Residenz wachen Männer in buntem Gewand. Der Präsident liebt pompöse Uniformen. Die leuchtend roten Uniformen der Präsidialgarde sind mit viel Gold bestickt. Die strammen Männer am Eingang zur Residenz halten den Karabiner mit aufgesetztem Bajonett fest in der Hand. Durch die Glastür geht es in hohe Hallen, die Böden mit Teppichen ausgelegt und die Wände mit historischen Gemälden behängt.

An der guten Adresse über Zagreb ist einst Jugoslawiens Diktator Josip Broz Tito abgestiegen. Inzwischen ist viel Zeit vergangen, und Franjo Tudjman, der Mann, der Kroatien in die Unabhängigkeit geführt hat, empfängt in der ehemaligen Tito-Residenz seine Gäste. Allzu oft kommt es allerdings nicht vor, dass ausländische Besucher den Weg hinauf auf den Präsidentenhügel finden. Das Rendezvous mit dem Präsidenten kommt nicht umsonst wenige Wochen vor den geplanten Parlamentswahlen: Das junge Kroatien und sein nationalistischer Präsident sind derzeit nicht gerade besonders gut angeschrieben. Das greise Staatsoberhaupt will Kroatiens Image aufbessern und hat diese Woche 40 Journalisten aus aller Welt eingeladen.

In den staatlichen Medien ist der Gesundheitszustand des mächtigen Mannes ein Tabuthema, doch unten in der Hauptstadt wollen die Gerüchte über schwere Operationen und Rückfälle nicht verstummen. Plötzlich kommt Bewegung in den Saal. Franjo Tudjman geht etwas unsicheren Schrittes, stützt sich flüchtig mit der rechten Hand am Tisch ab, setzt sich kurz und steht für ein paar Begrüßungsworte wieder auf, wie um zu beweisen, dass ihm dies keine Mühe bereitet. Er hat Mühe, die Fragen in englischer Sprache zu verstehen. Ein Mitarbeiter muss ihm die Übersetzung immer wieder ins Ohr flüstern.

Der Präsident spricht mit zusammengekniffenen Lippen, und nie huscht ihm ein Lächeln übers strenge Gesicht. Seine Generäle will der Präsident um keinen Preis an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausliefern. Ihnen droht eine Anklage, weil sie bei der "Befreiung" der Krajina auch 200 000 serbische Zivilisten in den Flucht gejagt haben. Krieg sei Krieg, und der sei immer ein Übel. Die Generäle haben schließlich serbisch besetztes Gebiet vom "Aggressor" befreit. Weil Kroatien nur äußerst widerwillig mit dem UN-Tribunal koordiniert, drohen jetzt sogar Sanktionen: "Uns wird schon seit acht Jahren mit Sanktionen gedroht", gibt sich der Präsident selbstsicher.

Auch sonst tut sich Kroatiens Staatsoberhaupt mit seinen internationalen Verpflichtungen schwer. Bosnien habe nur eine Zukunft, wenn auch die Kroaten dort einen Teilstaat bekämen. Es ist Tudjmans Lieblingsthema: der "historisch" begründete Anspruch Kroatiens auf Teile des Nachbarstaates. Die Forderung nach einer kroatischen "Entität" steht zwar im offenen Widerspruch zum Friedensabkommen von Dayton, das der Präsident mitunterschrieben hat. Doch dies kümmert das greise Staatsoberhaupt wenig.

Im Verlauf der Fragestunde wird der Präsident auch auf seine Gesundheit und die Amtsfähigkeit angesprochen. "Über meine Gesundheit spekulieren diejenigen, die ein anderes Kroatien wollen, die dieses Kroatien stört", spricht der "Vater der Nation". Der Präsident, so heißt es unten in der Stadt, sei täglich nur noch drei bis vier Stunden einsatzfähig. Und das will man auch verspürt haben, denn in Kroatien fallen alle Entscheide im Kabinett des Präsidenten. Doch Franjo Tudjman witterte die Feinde und feindlich gesinnten Verschwörungen gegen seinen jungen Staat überall.

Das Rendezvous des Präsidenten mit den Journalisten aus aller Welt ist am nächsten Tag Gesprächs- und Medienthema unten in der Stadt. Das Staatsoberhaupt hat zur Auslandspresse gesprochen, doch die Adressaten befinden sich vor allem draußen im Land. Kroatien rüstet sich für Parlamentswahlen, und wenn nicht alles täuscht, wird die "Kroatische Demokratische Gemeinschaft" (HDZ), die Regierungspartei des Präsidenten, diesmal eine böse Abfuhr einstecken müssen. Während der autoritäre Präsident und eine kleine Kaste um ihn herum den Reichtum zur Schau tragen, muss das Volk darben. Selbst die nationalistische Karte zieht nicht mehr in einem Land, in dem sich die Mehrheit der Bevölkerung Richtung Europa orientieren möchte.

Die einst zerstrittenen Oppositionsparteien haben sich zwar endlich in zwei Blöcken organisiert. Doch jetzt wartet man vergeblich auf eine Einigung auf das neue Wahlgesetz, auf den genauen Wahltermin und das Ausmaß der Kontrolle über die staatlichen Medien. Denn das staatliche Radio und Fernsehen (HRT) ist noch immer fest in der Hand der Regierungspartei. Es gibt kaum eine führende Position, die nicht mit einem Mitglied von Tudjmans "Kroatischer Demokratischer Union" besetzt ist. Und dies ist auch beim Programm nicht zu übersehen. Jede Straßeneröffnung durch einen Regierungspolitiker wird dort in aller Länge zelebriert, während die Opposition meist nur in negativem Umfeld überhaupt Erwähnung findet. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), in Kroatien mit einer großen Mission vertreten, hat deshalb schon die letzten Wahlen vor vier Jahren als zwar "demokratisch, aber nicht fair" bezeichnet.

Der Präsident droht oft in diesen Tagen. Schüler der Polizeiakademie warnte er in einer öffentlichen Rede zur erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber dem "inneren Feind". In der Hauptstadt versteht man eine brutale Razzia in diesem Zusammenhang. Vergangenen Freitag abend räumten schwerbewaffnete Angehörige einer Spezialeinheit Bars und Restaurants in der Innenstadt gleich reihenweise. Eine ähnliche Botschaft richtete Tudjman unlängst auch an sein Publikum an der Militärakademie: Es gebe in Kroatien vielleicht "fünf, zehn oder 20 Prozent" Feinde der Nation, erklärte Tudjman. Der Staat habe Polizei und Armee, um diese Feinde zu bekämpfen.

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