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Kuba und USA beenden Kalten Krieg: Eine historische Zäsur und viele offene Fragen

Nach 53 Jahren beenden Kuba und die USA ihre Eiszeit. Der historische Neustart der Beziehungen hat die Welt beeindruckt. Welche Folgen hat der Durchbruch?

Der historische Neustart der Beziehungen zwischen den USA und Kuba hat die Welt beeindruckt. Auch wenn viele Fragen noch offen sind, bedeutet die Ankündigung der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Staaten eine historische Zäsur – seit 1961 waren diese unterbrochen. Seit 1962 gilt außerdem ein US-Handelsembargo gegen den Karibik-Staat, das US-Präsident Barack Obama allerdings nicht im Alleingang aufheben kann – er braucht dafür den mehrheitlich republikanischen Kongress.

Wie waren die Reaktionen in Kuba?

Die Staatsmedien stellten nicht die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu Washington in den Vordergrund, sondern die damit zusammenhängende Rückkehr von drei Agenten, die seit 15 Jahren in den USA im Gefängnis saßen und in Kuba als Helden gepriesen wurden. Weil nur wenige Kubaner Zugang zum Internet haben, geht der weltweite Nachrichtenstrom am Großteil der Bevölkerung vorbei. Von landesweiter Euphorie war in Kuba wenig zu spüren. Gleichwohl reagierten viele Menschen froh und erleichtert, dass die unter Raul Castro seit einigen Jahren begonnene Öffnung des Landes nun weiter voran schreitet.

Wie ist die wirtschaftliche Lage in Kuba?

Für Kubas Staatschef Raul Castro kommt die Entscheidung goldrichtig. Seit er die Amtsgeschäfte 2006 von seinem kranken Bruder übernommen hat, hat er der Insel einen sanften Reformkurs verordnet. Bisher ist die marktwirtschaftliche Öffnung aber streng limitiert, und politische Freiheiten bleiben außen vor. Die wirtschaftliche Erholung ist spürbar, aber ungenügend. Ohne die massiven, verbilligten Erdöllieferungen aus dem Bruderland Venezuela, das vor 15 Jahren Russland als Bündnispartner ersetzte, hätte der Kollaps schon lange stattgefunden. Jetzt aber schwächelt Venezuela nach Jahren der Korruption und Misswirtschaft, die Lieferungen an Kuba stehen auf der Kippe. Es ist höchste Zeit für neue Wirtschaftspartner, und da stehen die USA wegen ihrer geografischen Nähe und finanziellen Stärke an erster Stelle. Weder China noch Russland oder Brasilien konnten trotz zahlreicher Projekte und Abkommen eine tragende Rolle spielen. Migration, Drogen, Tourismus, Handel – bei all diesen Themen sind Kuba und die USA zwangs Geografie natürliche Partner.

Wie reagieren Politiker in den USA?

Kritik am neuen Tauwetter erntet der Demokrat Obama vor allem im eigenen Land. Im mehrheitlich republikanisch dominierten US-Parlament positionieren sich schon die Gegner. Der kubastämmige Abgeordnete Marco Rubio sprach von einem unerklärlichen Schritt und der Legitimierung einer Diktatur. Er kündigte wie andere Parteifreunde sein Veto gegen die Annäherung an. Der Republikaner Jeb Bush kritisierte Obamas Entscheidung ebenfalls scharf. „Kuba ist eine Diktatur mit einer katastrophalen Menschenrechtslage, und jetzt hat Präsident Obama diese Diktatoren belohnt“, schrieb der Bruder von Ex-Präsident George W. Bush und frühere Gouverneur von Florida auf Facebook. Die frühere Außenministerin Hillary Clinton stellte sich dagegen hinter Obamas Kurs. Trotz guter Absichten habe die jahrzehntelange US-Politik der Isolierung Kubas die Macht des Castro-Regimes nur gefestigt. Clinton und Bush gelten als mögliche Kandidatin für die kommenden Präsidentschaftswahlen.

Wieso hat Kanada zwischen den beiden Konfliktparteien vermittelt?

US-Präsident Obama würdigte Kanadas Unterstützung, und Kubas Präsident Castro dankte Kanada, das dabei half, „dass der Dialog auf hoher Ebene zwischen den beiden Ländern“ zustande gekommen sei. Im Geheimen hatten die USA und Kuba über ihre als historisch bezeichnete Annäherung Gespräche geführt – nicht in den USA oder auf der Karibikinsel, sondern in Ottawa und Toronto. Während die USA seit Jahrzehnten keine diplomatischen Beziehungen zu Kuba unterhalten, pflegte Kanada die Beziehungen zum Karibikstaat. Kuba hat in Ottawa eine Botschaft und Konsulate in Montreal und Toronto. Kanadas konservativer Premierminister Stephen Harper äußerte am Mittwoch Genugtuung, dass Obama und Castro Kanadas Rolle würdigten, aber „ich will Kanadas Rolle nicht übertreiben“, sagte er. Nach den Informationen, die am Donnerstag in Ottawa vorlagen, hatte die Kontaktaufnahme zwischen den USA und Kuba im Frühjahr 2013 begonnen. Ab Juni 2013 reisten US-Diplomaten nach Kanada, um dort ihre kubanischen Gesprächspartner zu treffen.

Die Kuba-Politik war über Jahrzehnte ein Streitpunkt zwischen Kanada und den USA. In den 1960er und 70er Jahren empfanden es die USA oft als Nadelstiche, wenn die Kanadier demonstrativ ihre Beziehungen zu Havanna hervorhoben. Höhepunkt der kubanischen Animositäten zwischen den nordamerikanischen Nachbarstaaten war die Ära des liberalen Premierministers Pierre Trudeau. Spektakulär war 1978 dessen dreitägiger Besuch bei Fidel Castro in Havanna. Kuba ist nach Angaben des Außenministeriums in Ottawa Kanadas wichtigster Handelspartner in der Region. Aus keinem anderen Land kommen so viele Touristen nach Kuba wie aus Kanada: Jährlich reisen rund eine Million Kanadier nach Kuba, dies sind etwa 40 Prozent aller Besucher der Insel.

Auch der Papst vermittelte kräftig mit

Welche Rolle spielte der Vatikan?

Es war ein schöner Geburtstag für Papst Franziskus. Frühlingswetter in Rom, dazu 3000 Tango-Tänzer, die ihm argentinische Heimatstimmung bescherten – vor allem aber viel Lob für seinen weltpolitischen Einsatz. „Sein moralisches Beispiel“, sagte US-Präsident Obama, „zeigt uns die Wichtigkeit, nach einer Welt zu streben, wie sie sein sollte, und uns nicht damit einzurichten, wie sie ist.“

Nach achtjähriger Abstinenz unter Benedikt XVI. meldet sich der Vatikan in der Weltpolitik zurück. Franziskus hat im Lauf der vergangenen Monate, wie der Vatikan bekannt gab, zwei Briefe an Obama und Castro geschrieben. Der Vatikan zielte auf „eine neue Phase der Beziehungen“ ab, und der Papst hat es offenbar geschafft, den beiden Mächtigen, die aus ihren jeweiligen politischen Ecken nicht mehr herausfanden, Brücken zu bauen.

Es folgten direkte amerikanisch-kubanische Gespräche in Kanada und hinter den Mauern des Vatikans. Diesen Montag äußerte US-Außenminister John Kerry im Vatikan unvermittelt den Wunsch, die Kirche möge „bei der Suche nach humanitären Lösungen für die Gefangenen in Guantanamo helfen“. Erst heute ist klar: Dieser Wunsch gehörte zu einer übergreifenden Lösung.

Geschnürt haben es im Vatikan neben dem Papst Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, der bis vor gut einem Jahr noch päpstlicher Botschafter in Venezuela war sowie die langjährigen Kirchendiplomaten Beniamino Stella und Angelo Becciu als frühere Botschafter in Kuba.

Das Fundament indes hat ein anderer gelegt: Johannes Paul II. hat sich lange für bessere Beziehungen Kubas zum Westen eingesetzt. 1997 erklärte der kämpferische Atheist Fidel Castro erstmals das Weihnachtsfest zum Feiertag auf Kuba – es war ein Zeichen und ein Angebot an Johannes Paul II., der vier Wochen später auf die Insel kam. Das persönliche Gespräch zwischen Kirchen- und Revolutionsführer hatte weltgeschichtlichen Rang. Johannes Paul II. sagte damals: „Möge Kuba sich mit seinen großartigen Möglichkeiten zur Welt hin öffnen, und möge sich die Welt für Kuba öffnen.“

An dem Ziel der Aufhebung der US-Sanktionen gegen Kuba, sowie dessen Eingliederung in die Staatengemeinschaft hat die Vatikandiplomatie seither beharrlich gearbeitet. Von innen heraus half die kubanische Kirche: Die lange brüsk antikommunistischen Bischöfe waren unter Führung des Kardinals von Havanna, Jaime Ortega, auf eine „Politik der kleinen Schritte“ umgeschwenkt. Die Kuba-Reise Benedikts XVI. im März 2012 stärkte die Katholiken weiter. „Und heute sind wir alle sehr zufrieden“, sagte Papst Franziskus diesen Donnerstag. „Dass sich zwei so entfernte Staaten einander angenähert haben, das haben Diplomaten hinbekommen, und das ist auch eure, eure ehrenvolle Aufgabe. Man schafft sie mit kleinen, ganz kleinen Dingen.“

Welche Rolle spielte die Eiszeit zwischen Kuba und den USA für die Weltpolitik?

Weltpolitisch war der Kalte Krieg zwischen Kuba und den USA zuletzt bei der Raketenkrise von 1962 von großer Bedeutung. Danach waren die Einflusssphären abgegrenzt, und Kubas Versuche, die Revolution auf die Bühne der Weltpolitik zu tragen, scheiterten in den folgenden Jahren mit Ausnahme von Mittelamerika kläglich, sei es im Kongo oder in Bolivien. In Europa endete der Kalte Krieg mit dem Mauerfall 1989 und viele sahen schon den Sturz der Castro-Brüder kommen. Doch Kuba hielt hartnäckig am Sozialismus fest, obwohl es wirtschaftlich rasant bergab ging. Nichts kam in Bewegung, und das hat damit zu tun, dass sich die Welt wenig für die heruntergewirtschaftete Tropeninsel interessierte und sich die Kontrahenten mit ihren abgesteckten Fronten bestens arrangiert hatten. Die US-Regierung konnte an der kleinen Karibikinsel ein angeblich leuchtendes Exempel ihres Demokratieverständnisses statuieren – das gleichzeitig gegenüber mächtigeren Staaten wie China ziemlich verwässerte –, und Kuba hatte im US-Embargo einen willkommenen Sündenbock für seine strukturelle Mangelwirtschaft. Der Mehrheit der US-Bürger ist Kuba egal, während die einflussreiche und ebenso radikale wie reiche kubanische Exilgemeinde ein erfolgreiches Lobbying betrieb und im Kongress die Zügel des Embargos immer fester zog – sogar zu Lasten der europäischen Bündnispartner wie im Helms-Burton-Gesetz, das alle Firmen mit Sanktionen bedroht, die mit Kuba Geschäfte machen.

Wie sind die Reaktionen in Lateinamerika?

Fast geschlossen bejubelt der Kontinent die angekündigte Annäherung zwischen den USA und Kuba – sogar die US-kritischen linken Staatschefs stimmen ein. „Ein Tag voller guter Nachrichten“, freute sich Ecuadors Präsident Rafael Correa via Twitter. Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff sprach von einer „fantastischen“ Nachricht, und ihr kolumbianischer Amtskollege, der Konservative Juan Manuel Santos, jubelte: „Im Namen des ganzen Kontinents feiern wir die Kühnheit und den Mut von Präsident Obama und der kubanischen Regierung.“ mit dpa/AFP

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