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Politik: Kürzen ohne Tabu

Schleswig-Holstein hat Riesenschulden – nun geht die Regierung ans Streichen

Aus Angst vor griechischen Verhältnissen hat sich die schleswig-holsteinische CDU/FDP-Koalition auf ein umfangreiches Sparpaket verständigt, das in der Geschichte des Landes einmalig ist. Bei den drastischen Einschnitten auf der Ausgabenseite gibt es keine Tabubereiche. Angesichts einer Verschuldung von mittlerweile rund 25 Milliarden Euro hatte die Regierung eine Haushaltsstrukturkommission berufen, deren Sparvorschläge nun vom Kabinett gebilligt wurde.

In der Vorwoche hatte der Kieler Landtag als erstes Landesparlament zudem eine Schuldenbremse in die Landesverfassung eingefügt. Ab 2020 darf das Land demnach keine Schulden mehr zur Deckung des Haushalts aufnehmen. Nun will man mit dem Maßnahmenpaket jährlich 125 Millionen Euro einsparen. Trotz dieser für viele als schmerzhaft empfundenen Rosskur nagen die Zinsleistungen am Landesetat. So werden die Schuldenlasten bis 2020 trotz allem auf rund 30 Milliarden Euro ansteigen.

Unumstritten ist das in den Reihen der Koalition nicht, und die verfügt nur über eine Mehrheit von einer Stimme. In den vergangenen Wochen hatte der Arbeitnehmerflügel der CDU bereits öffentlich Kritik am Kurs von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen geübt, den dieser als alternativlos bezeichnet. Nun müssen sich in den nächsten Monaten die Abgeordneten der Koalitionsparteien in ihren Heimatorten auf reichlich Druck einstellen. Dieser artikuliert sich bereits auf der Straße. Elternvertretungen, Schüler, Studenten, Interessenverbände und Gewerkschaften demonstrieren derzeit beinahe täglich vor dem Kieler Landeshaus. Die GEW ruft in der nächsten Woche sogar zum Lehrerstreik auf. Der DGB warnt vor dem Kaputtsparen des Landes, der Paritätische Wohlfahrtsverband sieht den Fortbestand vieler Vereine und Verbände bedroht.

Die Sparliste umfasst unter anderem die Privatisierung des größten öffentlichen Arbeitgebers im Land, des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein an den Standorten Kiel und Lübeck, die Streichung des gebührenfreien dritten Kita-Jahres, den Wegfall aller Zuschüsse für die Schülerbeförderung, die Schließung der Landestourismusagentur, eine Kürzung der Volkshochschulmittel um 30 Prozent, die Aufgabe des Medizinstudienzweigs in Lübeck und der wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge in Flensburg, die Schließung kleiner Gefängnisse, die Halbierung des Landesblindengeldes, drastische Kürzungen im Kulturbereich, weniger Geld für den Straßenbau sowie die Anhebung der Altersgrenze bei Polizeibeamten von 60 auf 62 Jahre. Auch bei sich selbst wollen die Politiker sparen. So werden Zulagen für Fraktionen und deren Funktionsträger sowie den Landtagspräsidenten gekürzt. Die Altersgrenze für den Bezug von Ministerpensionen steigt vom 55. auf das 62. Lebensjahr.

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