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Politik: „Kumpel der kleinen Leute“

Die SPD nimmt in Köln Abschied vom ehemaligen Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski

Jochen Ott steht auf der Bühne. Hinter ihm steht ein großes Porträt von Hans- Jürgen Wischnewski, dem in der vorigen Woche gestorbenen Kölner SPD-Politiker. Ott hat für seine Gedenkrede einen schwarzen Anzug angezogen, gegen die Gewohnheit eine Krawatte umgebunden. Unten im Saal sitzen viele, die der 31-Jährige eher aus Geschichtsbüchern kennt: Helmut Schmidt, Otto Graf Lambsdorff, aber auch Männer wie Hans Matthöfer oder Abdalla Franghi haben den Weg in den Kölner Gürzenich gefunden. Jochen Ott erinnert sich an viele Gespräche mit Wischnewski: „Die Welt war sein Arbeitsplatz, Köln war seine Heimat.“ Von einem wie ihm konnten die Jüngeren in der SPD viel lernen: „Er war nie in der Gefahr, sich in der Politik zu verlieren.“ Ott schließt mit dem Satz: „Wir haben unseren väterlichen Freund verloren.“

Es war Wischnewski, der einstige Bonner Minister und Vertraute von Politikern in vielen Ländern der Welt, der einen großen Anteil daran hat, dass Ott und andere jüngere Kölner SPD- Leute es schaffen konnten, die Partei in der Domstadt zu einem Zeitpunkt zu übernehmen, als die Republik über den Kölner Spendenskandal der SPD schimpfte. Wie so oft hatte der alte Mann nicht laut darüber gesprochen, was er hinter den Kulissen für den Neuanfang mit jungen politischen Talenten getan hatte.

Nach Ott redet Helmut Schmidt. Der frühere Bundeskanzler ist als Freund gekommen. Wischnewski und er hatten sich schon 1957 kennen und schätzen gelernt, Wischnewski gehörte zu den wenigen, von denen sich Schmidt sagen ließ, dass er möglicherweise irrte. „Er ist in der ganzen Zeit derselbe geblieben“, hat nicht nur Schmidt beobachtet, der natürlich nicht den Hinweis an die heutige Generation von Politikern vergisst, die allzu oft allzu glatt und wetterwendisch daherkommen. „Er war ein hilfsbereiter Kumpel der kleinen Leute – mit Leidenschaft und Augenmaß“, urteilt Schmidt und fügt hinzu: „Für Hans-Jürgen stand das Wohl des Vaterlandes über dem Wohl der Partei.“

Von den zahlreichen arabischen Freunden des alten Mannes geht nur Abdalla Franghi, der Beauftragte der Palästinenser in Deutschland, zum Mikrofon. Er muss nicht viel zum Einfluss von Wischnewski in seiner Heimat erzählen, schon zu Lebzeiten wurde „Ben Wisch“, wie ihn Willy Brandt nannte, zur Legende. Franghi erinnert daran, wie sehr er sich für die Versöhnung der streitenden Parteien im Nahen Osten eingesetzt und kritische Worte auch Freunden gegenüber nie ausgespart habe, wenn er es für nötig erachtete. „Es sind die Tauben des Friedens, die den Himmel suchen“, sagt Franghi. Niemand zweifelte in diesem Moment, von wo aus Wischnewski dem Treiben auf Erden jetzt zusieht.

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