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Kundus-Affäre: Bomben und Worte

Die SPD lässt nicht locker, und warum sollte sie auch? Einen so schönen Kronzeugen gegen einen Verteidigungsminister wie den obersten Soldaten der Republik hat man nicht alle Tage. Im Streit mit Ex-Generalinspekteur Schneiderhan macht Verteidigungsminister Guttenberg keinen besonders souveränen Eindruck.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Die SPD lässt nicht locker, und warum sollte sie auch? Einen so schönen Kronzeugen gegen einen Verteidigungsminister wie den obersten Soldaten der Republik hat man nicht alle Tage. SPD-Chef Sigmar Gabriel meldet sich gleich Donnerstagfrüh im ZDF zu Wort: Das gehe ja nun nicht, dass ein Karl-Theodor zu Guttenberg „einen hochverdienten General einfach rausschmeißt und dabei die Unwahrheit sagt“. Und das alles nur, um öffentlich gut auszusehen! Gabriels Vize Olaf Scholz fordert den CSU-Mann gar zum Rücktritt auf: Der habe keine guten Gründe gehabt für den Rauswurf von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert: „Das wirkt wie ein schlechtes Theaterstück, in dem der König nach Opfern sucht für seine eigenen schlechten Taten.“

Der Kronzeuge selbst schweigt wieder, nachdem er noch kurz hat wissen lassen, dass seine aufsehenerregenden Sätze gegen den Minister, der ihn feuerte, „nicht autorisiert“ gewesen seien. Gesagt worden ist das alles also schon; der Vorwurf bleibt im Raum, dass Guttenberg die Abläufe „unwahr“ darstelle oder jedenfalls unwidersprochen darstellen lässt. Aber Schneiderhan kann schlecht seine Ehre mit Methoden verteidigen, die selbst moralisch angreifbar wären. Und ein abgestimmtes Zitate-Management hätte einen starken Beigeschmack.

Auch so ist der Krieg um Worte zwischen dem General und dem Minister spektakulär genug. Absehbar war er auch. Schneiderhan, längst dienender und wegen seiner ziemlich einzigartigen Mischung aus politischem Verstand, Fachkompetenz und loyaler Cleverness vermutlich meistgelobter Generalinspekteur überhaupt, ist der Aufforderung zum Rückzug mit der Korrektheit des Soldaten nachgekommen. Dass er Guttenberg für dessen eigene Bewertung des Luftangriffs von Kundus nur den Nato-Bericht vorgelegt und von anderen Berichten nichts gesagt hat, dass er dafür die Verantwortung übernehme – so steht es bekanntermaßen auch in dem kurzen Rücktrittsersuchen vom 25. November. Dass über jenen Nachmittag anschließend aber Versionen aus Guttenbergs Umkreis zu hören waren, die den General und den Staatssekretär als Vertuscher dastehen ließen, die sich die übrigen Berichte erst mit mehreren Nachfragen entlocken ließen; dass obendrein der Minister selbst Vokabeln wie „vorenthalten“ benutzte, die in Schneiderhans Ohren nach Absicht klangen, das regte den General auf. Er hatte gedacht, im Nato-Bericht stehe alles, was ein Minister wissen müsse, der Minister sah das anders – eine Fehleinschätzung, zu der ein politischer Militär stehen muss. Aber Vertuschungsabsicht? „Ehrenrührig!“

Tatsächlich ist die Sache ja sogar noch komplizierter. Es war Schneiderhan, der am Tag nach der Bundestagswahl den Vorfall ins Kundus mit dem Prädikat „militärisch angemessen“ versah. Der neue Minister übernahm das später, überhöhte es aber noch durch die Formel, der deutsche Oberst habe die Bombardierung befehlen „müssen“. Als Guttenberg zwei Wochen später den Rückzug zum „militärisch nicht angemessen“ antrat, dementierte er nicht nur sich selbst – er dementierte den (bis Jahresende formell amtierenden) ersten Soldaten der Republik gleich mit. Was dessen Laune auch nicht direkt gehoben haben dürfte.

Was aus dem Konflikt weiter wird, ist nicht leicht abzuschätzen. Guttenberg hat im Bundestag deutlich gemacht, dass er nicht die Unvorsichtigkeit begehen wird, ihn offen auszutragen. Ohnehin spricht einiges dafür, dass der neue Verteidigungsminister dem alten demnächst öfter einmal ähnlich sehen wird, was nämlich die spezielle Kunst des Nichtssagens angeht. Sein Parteivorsitzender hat ihm das auch schon ans Herz gelegt. „Ich bin sehr, sehr vorsichtig mit Kommentierungen zur jeweiligen Tagesaktualität, weil man nie weiß, wie lange das wieder trägt“, hat Horst Seehofer im Sender n-tv angemerkt – was in derlei Affäre generell eine kluge Idee ist. Und noch einen öffentlichen Rat hat sich Seehofer für den einstigen Protegé zurechtgelegt: Guttenberg müsse jetzt die Nerven bewahren, einen geraden Weg gehen und nach eigener Überzeugung handeln.

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