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Kundus-Luftangriff: Neuer Prozess vor Verwaltungsgericht

Ein bei der Nato-Attacke im Jahr 2009 verletzter Lkw-Fahrer will feststellen lassen, dass mit dem Bombardement gegen Völkerrecht verstoßen wurde.

Fast zweieinhalb Jahre nach dem tödlichen Nato-Luftangriff am afghanischen Kundus-Fluss prüft jetzt das Verwaltungsgericht Köln, ob die Bombardierung zweier Tanklaster rechtmäßig war. Nach Informationen des Tagesspiegels wird am 9. Februar über eine sogenannte Feststellungsklage des damals verletzten Lkw-Fahrers Abdul M. gegen die Bundesrepublik Deutschland verhandelt. M. will gerichtlich feststellen lassen, dass der von Bundeswehroberst Georg Klein angeordnete Bombenabwurf rechtswidrig gewesen sei. Der deutsche Staat wird durch das Verteidigungsministerium vertreten.

Am 4. September 2009 hatten die Taliban im Norden Afghanistans die Tanklastzüge entführt. Dabei starb einer der beiden Fahrer. Befüchtet wurde, dass die Lkw für Anschläge gegen die Nato-Truppen und damit auch gegen die Bundeswehr eingesetzt werden könnten. Durch den Luftschlag auf die Lkw wurden Talibankämpfer und Dutzende Zivilisten getötet. Die Zahl der Opfer wird nach Nato-Angaben auf bis zu 142 geschätzt. M. überlebte die Bombardierung, klagt aber bis heute über körperliche und psychische Schäden.

Ein Strafverfahren gegen Oberst Klein wurde 2010 vom Generalbundesanwalt eingestellt: Klein habe subjektiv nicht mit der Anwesenheit von Zivilisten rechnen müssen, als er die von Taliban entführten Tanklaster angreifen ließ, hieß es.

Parallel zur Kölner Verwaltungsgerichtsklage hatte M. 2010 auch vor dem Landgericht Bonn eine Zivilklage auf mindestens 50 000 Euro Schadenersatz eingereicht. Dieses Verfahren ruht aber seit Ende Mai 2011, weil beide Seiten einen Vergleich aushandeln wollten. Bisher kam es aber offenbar zu keiner Einigung. In dem zurzeit ruhenden Bonner Schadenersatzprozess könnte das Gericht theoretisch zu einem anderen Ergebnis kommen, da Zivilgerichte nicht an die Sicht von Strafverfolgern gebunden sind. Allerdings müsse auch hier schuldhaftes Handeln des Obersts nachgewiesen werden, bevor das Ministerium zu Schadenersatz verurteilt werden könne, sagte der Anwalt von M., Markus Goldbach, dem Tagesspiegel. Bei der parallel laufenden Feststellungsklage vor dem Kölner Verwaltungsgericht gehe es dagegen um objektive Rechtswidrigkeit, unabhängig von einem Verschulden des Obersts.

Mit der Kölner Feststellungsklage will sich M. nach Goldbachs Angaben bestätigen lassen, dass die Bombardierung gegen das Völkerrecht, die Europäische Menschenrechtskonvention und das Grundgesetz verstoßen habe. Ziel des Luftangriffs sei das Ausschalten einzelner Taliban gewesen, sagte der Anwalt. Dafür hätte das Militär aber nicht so viele Unbeteiligte in Mitleidenschaft ziehen dürfen.

Mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit will der Lkw-Fahrer nach Angaben von Goldbach erreichen, dass sich solche Angriffe nicht wiederholen. Außerdem wolle er bei seinem Arbeitgeber und bei Verwandten Zweifel an seiner Unschuld ausräumen. Sie seien bisher der Meinung: „Wenn du unschuldig bist, hätten sie doch keine Bombe auf dich werfen müssen.“ Das Ministerium wollte die beiden Klagen nicht kommentieren.

Im Dezember hatten bereits Bremer Juristen für zwei Hinterbliebene von Kundus-Opfern Schadenersatzklagen eingereicht. Vor dem Landgericht Bonn fordern sie 40 000 bis 50 000 Euro. Bonn ist Hauptsitz des Verteidigungsministeriums. Das Verwaltungsgericht Köln ist auch für Bonn zuständig.

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