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Türkische Bevölkerung protestiert gegen aufkeimenden Kurdenkonflikt.

© dpa

Kurdenkonflikt: Türken lehnen Erdogans Krieg gegen PKK ab

Die Türken lehnen Erdogans Krieg gegen die PKK ab. Statt mit seinem harten Kurs Wählerstimmen zu gewinnen, könnte Erdogans Vorgehen zum politischen Risiko werden.

So hatte sich die türkische Regierung die Reaktion der Bevölkerung auf den neu aufgeflammten Kurdenkonflikt nicht vorgestellt. Als Vizepremier Yalcin Akdogan am Wochenende an der Beisetzung eines Soldaten teilnahm, der von einer Bombe der PKK-Kurdenrebellen getötet worden war, musste er die Flucht ergreifen, weil er von der Menge angefeindet und ausgebuht wurde. Akdogans Dienstwagen wurde mit Plastikflaschen beworfen.

Vor der angestrebten Neuwahl im Herbst können Präsident Recep Tayyip Erdogan und die Regierungspartei AKP bisher nicht wie erhofft von den eskalierenden Spannungen im Kurdengebiet profitieren. Zudem gibt es Streit mit den westlichen Partnern, weil diese der Türkei vorwerfen, mit den Gefechten gegen die PKK das gemeinsame Vorgehen gegen den „Islamischen Staat“ (IS) zu schwächen. Eskalierende Kämpfe seien für die AKP vor der Wahl ein großes Risiko, sagte der Journalist und AKP-Kenner Rusen Cakir der Zeitung „Evrensel“.

Für die Regierungspartei bestehe die Gefahr, bei der Neuwahl noch weniger Stimmen einzufahren als bei der Wahl am 7. Juni, als die AKP mit 41 Prozent ihre absolute Mehrheit im Parlament verlor. Präsident Erdogan sieht das offenbar nicht so. Er bekräftigte, der Kampf gegen die PKK werde weitergehen. Es seien „noch nicht genug“ PKK-Kämpfer getötet worden, sagte er. Laut Presseberichten will er mit seinem harten Kurs die legale Kurdenpartei HDP so unter Druck setzen, dass sie bei der Neuwahl aus dem Parlament fliegt. Das würde die Chancen seiner Partei auf eine absolute Mehrheit beträchtlich erhöhen. Doch laut Umfragen kann die HDP mit einem Wiedereinzug ins Parlament rechnen.

Erinnerung an dunkle Zeiten

Der Tod von immer mehr Soldaten und Polizisten erinnert viele Türken an die dunklen Zeiten des Kurdenkrieges in den 90er Jahren, als tausende Wehrpflichtige verheizt wurden. Schon wird die Klage laut, nur Kinder armer Leute kämen in den Bergen Südostanatoliens um, während Sprösslinge von Reichen, Politikern oder hohen Militärs geschont würden. Auch die Wirtschaft leidet unter den neuen Spannungen. Die Lira fiel am Montag gegenüber dem Dollar auf einen neuen Tiefstand. Die Tourismusindustrie, einer der wichtigsten Branchen des Landes, klagt über Stornierungen.

Eine Deeskalation könnte deshalb auch im Sinne der AKP sein. Hinter den Kulissen laufen offenbar Bemühungen um einen Waffenstillstand. Cemil Bayik, einer der PKK-Anführer, berichtete im britischen „Telegraph“ von indirekten Kontakten seiner Gruppe mit den USA. Washington könne in dem Konflikt vermitteln, sagte er. Als Bedingungen für eine Waffenruhe nannte er die Zulassung neuer Kontakte zu dem inhaftierten Rebellenchef Abdullah Öcalan, der seit April keine Besucher mehr empfangen darf. Zudem müssten die Verhaftungen kurdischer Aktivisten aufhören.

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