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Kurdisch-türkischer Konflikt: Nebenschauplatz Deutschland - Polizei fürchtet Krawalle

Kämpfe im Nordirak - Krawalle in Berlin: Der Konflikt zwischen Kurden und Türken ist bereits in Deutschland angekommen. Experten rechnen bei einer Verschärfung auch hierzulande mit zunehmenden Auseinandersetzungen. Am kommenden Wochenende sind weitere Demonstrationen angemeldet.

Flaschen als Wurfgeschosse, Vermummte mit Macheten und insgesamt 18 verletzte Polizisten: Die Szenen, die sich am Rande einer ursprünglich friedlichen Demonstration von Türken in Berlin abspielten, vermittelten am vergangenen Wochenende einen Eindruck davon, wie Deutschland zum Nebenschauplatz der Krise zwischen Kurden und Türken im Nordirak werden könnte. "Wir haben hier ein Spiegelbild des Konflikts in Kleinformat", sagt die Politologin Gülistan Gürbey vom Otto-Suhr-Institut. Nirgendwo in Europa leben mehr Kurden und Türken zusammen als in Deutschland. Bei Demonstrationen an diesem Wochenende werden wieder Krawalle befürchtet.

"Der Konflikt im Grenzgebiet zum Irak ist bereits auf Berlin übergeschwappt", sagt die Leiterin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid. "Wir müssen vorsichtig sein." In der Hauptstadt gibt es nach ihren Erkenntnissen etwa 300 Mitglieder der "Grauen Wölfe" - der wichtigsten ultra-nationalistischen Türkenorganisation - und etwa 1000 Anhänger der PKK-Nachfolgeorganisation Kongra Gel ("Volkskongress Kurdistans"). Die PKK selbst - von der EU als Terrororganisation eingestuft - ist bereits seit 1993 in Deutschland verboten.

Besonders Westdeutschland betroffen

Der Verfassungsschutz fürchtet, dass es in Berlin zu weiteren Krawallen kommt. Aber auch in anderen Bundesländern mit größeren türkischen und kurdischen Bevölkerungsteilen beobachten die Sicherheitsbehörden die Szene in diesen Tagen besonders aufmerksam. Dies betrifft vor allem den Westen. In den neuen Ländern, wo recht wenig Kurden und Türken zu Hause sind, ist das Problem nicht so groß.

Insgesamt leben laut Verfassungsschutz-Bericht rund 11.500 Kongra-Gel-Anhänger in Deutschland. Seit 1999, als die kurdische Gewalt nach der Festnahme des PKK-Chefs Abdullah Öcalan ihren Höhepunkt erreichte, verhielten sie sich "überwiegend gewaltfrei", heißt es darin. Demgegenüber wird die Zahl der "Grauen Wölfe" - bei bundesweit insgesamt 2,4 Millionen Menschen türkischer Abstammung - auf 8000 geschätzt. Am vergangenen Sonntag in Berlin waren es türkische Nationalisten, die eine regelrechte Jagd auf Kurden veranstalteten. Die Polizei musste ein kurdisches Kulturzentrum in Kreuzberg vor Angriffen schützen.

Ansonsten werden vor allem in Nordrhein-Westfalen, wo etwa 2500 Kongra-Gel-Anhänger und rund 2000 Sympathisanten der "Grauen Wölfe" leben, Auseinandersetzungen befürchtet. In Köln kam es am vergangenen Sonntag nach einer Demonstration gegen PKK-Terror bereits zu Ausschreitungen. Noch gebe es keine "organisationsgesteuerten, gewalttätigen Aktionen", sagt eine Sprecherin des Düsseldorfer Innenministeriums. Dennoch hätten die Verfassungsschützer auf beiden Seiten eine "aggressive Grundstimmung" festgestellt.

Mehrere Demonstrationen am Wochenende

Auch an diesem Wochenende sind in einigen Bundesländern wie Hamburg und Baden-Württemberg wieder Demonstrationen von Türken und Kurden angemeldet. In Hamburg ist am Samstag eine Demonstration von rund 250 Kurden geplant, deren Abschlusskundgebung in der Nähe des türkischen Generalkonsulats stattfinden soll. Die Hamburger Polizei ist nach eigenen Angaben mit "entsprechender Beamtenzahl" auf Ausschreitungen vorbereitet.

Eine weitere Verschärfung des Konflikts im Nordirak würde nach Ansicht der Türkei-Expertin Gürbey auch zu einer "verstärkten Emotionalisierung" in Deutschland führen. Vor allem dann, wenn sich der befürchtete Militärschlag der Türkei nicht allein gegen PKK-Lager, sondern auch gegen die Bevölkerung im kurdischen Autonomiegebiet richte. Dann müsste mit Protesten wie 1999 gerechnet werden. Nach der Festnahme Öcalans gab es damals in vielen deutschen Städten Brandanschläge gegen türkische Einrichtungen. Bei der versuchten Besetzung des israelischen Generalkonsulats in Berlin wurden vier Kurden erschossen. (mit dpa)

Inga Radel

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