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Politik: Kurdische Kandidaten ausgeschlossen

Angst vor Rückkehr der Gewalt in der Türkei

Mit einer höchst fragwürdigen Begründung hat der türkische Wahlausschuss prominente Kurdenvertreter, darunter die Politikerin Leyla Zana, von der Parlamentswahl am 12. Juni ausgeschlossen. Die Kurdenpartei BDP erwägt nun einen Boykott der Wahl, sogar eine Rückkehr der Gewalt erscheint möglich – ein empfindlicher Rückschlag für die Bemühungen um eine friedliche Lösung der Kurdenfrage droht.

Politiker aller großen türkischen Parteien und auch der Parlamentspräsident kritisierten die Wahlkommission. Denn weniger als zwei Monate vor der Wahl wird mit der Entscheidung die demokratische Glaubwürdigkeit des Urnengangs in dem EU-Bewerberland erschüttert.

Der sogenannte Hohe Wahlrat (YSK) begründete seine Entscheidung mit dem Vorstrafenregister der sieben ausgeschlossenen kurdischen Kandidaten. Seltsam an der Entscheidung ist nicht nur, dass andere vorbestrafte Kandidaten – darunter Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan selbst – ungeschoren blieben. Die Kurdenpartei BDP verwies auch darauf, dass zwei ihrer derzeitigen Abgeordneten plötzlich nicht mehr kandidieren dürfen, obwohl der YSK bei der letzten Wahl 2007 keine Bedenken gegen sie hatte. Einige der jetzt abgelehnten BDP-Kandidaten hatten sich laut Presseberichten eigens gerichtlich bescheinigen lassen, dass ihrer Bewerbung nichts im Wege stehe.

Für die BDP steht deshalb fest, dass es sich um eine politisch motivierte Entscheidung handelt. Hier werde versucht, aussichtsreiche Kandidaten aus dem Rennen zu nehmen, um einen Wahlsieg der Erdogan-Partei AKP im Kurdengebiet zu sichern, schimpfte BDP-Chef Selahattin Demirtas. Die AKP, die laut Umfragen mit einem erneuten Wahlerfolg im Juni rechnen kann, wies dies zurück. Andere BDP-Politiker erklärten, die Entscheidung ziele darauf ab, neue Gewalt im Kurdengebiet zu provozieren, wo seit einigen Monaten wegen einer Waffenruhe der PKK-Rebellen einigermaßen Ruhe herrscht.

„Das ist eine Entscheidung für den Krieg“, titelte die pro-kurdische Zeitung „Özgür Gündem“ am Dienstag. Nach dem Ausschluss der Kandidaten lieferten sich Demonstranten in mehreren kurdischen Provinzen heftige Straßenkämpfe mit Sicherheitskräften.

Die Chancen auf eine zahlenmäßig starke kurdische Fraktion im neuen Parlament sind drastisch gesunken. Das könnte schwerwiegende Folgen haben. Erdogan hat eine Lösung der Kurdenfrage mithilfe von Jobs und Reformen versprochen. Das Schicksal der BDP, die von den Behörden als verlängerter Arm der PKK betrachtet wird, ist dabei von großer Bedeutung: Ein de facto Ausschluss der Kurdenpartei aus dem Parlament, der Hauptinstanz für den politischen Dialog im Land, würde viele Kurden in der Ansicht bestärken, dass Ankara trotz aller Reformversprechen keine politische Lösung will. Nutznießer wären radikale Kräfte wie die PKK.

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