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Politik: Kursrichtung der CDU: Freiheit statt Kapitalismus

Zu sagen haben sie nichts mehr - am Reden gehindert hat das Norbert Blüm und Heiner Geißler noch nie. Dass sich die beiden CDU-Oldies gerade jetzt sehr grundsätzlich zum künftigen Kurs ihrer Partei zu Wort melden, hat freilich nichts mit vorösterlicher Besinnlichkeit zu tun, sondern sehr handfeste Gründe.

Von Robert Birnbaum

Zu sagen haben sie nichts mehr - am Reden gehindert hat das Norbert Blüm und Heiner Geißler noch nie. Dass sich die beiden CDU-Oldies gerade jetzt sehr grundsätzlich zum künftigen Kurs ihrer Partei zu Wort melden, hat freilich nichts mit vorösterlicher Besinnlichkeit zu tun, sondern sehr handfeste Gründe. Die CDU ist in diesem Jahr dabei, in einer Reihe prinzipieller Fragen ihre Position neu zu bestimmen. Da wollen Blüm und Geißler ein Wörtchen mitreden. Denn manches, was in ihrer Partei gesagt und gedacht wird, passt ihnen nicht.

Abgestimmt ist der Vorstoß nicht, trotzdem geht er in die gleiche Richtung: Die CDU, so der frühere Sozialminister und der frühere Familienminister und Generalsekretär, dürfe nicht ihr christliches Erbe vergessen. Dieses Erbe aber führe auf einen zentralen Punkt - soziale Gerechtigkeit. Der Vorwurf an die eigene Partei lautet: "Die CDU ist dabei, sich zu verrennen" (Geißler), denn sie stemmt sich in Teilen nicht mehr genügend gegen die "Gefahr einer Verwirtschaftlichung der Gesellschaft" (Blüm).

"Neoliberalismus" monieren die zwei und sehen die CDU auf dem Weg zur "Wirtschaftspartei". Die Partei, sagt Geißler, beteilige sich am "Tanz um das Goldene Kalb" einer Aktionärs- und Unternehmenskultur, der es darum gehe, Reichtum anzusammeln, ohne soziale Verantwortung zu übernehmen. Gerechtigkeit, ärgert sich Blüm im "Stern", werde von der CDU durch "Fairness" ersetzt - die aber nicht mehr sei als eine Umgangsform. Geißler rügt dann auch gleich noch die Nationalstolz-Debatte: Eine "Überbetonung des Nationalen" stehe nicht nur im Gegensatz zum christlichen Menschenbild, sondern sei ganz und gar veraltet.

Neu sind solche Töne der beiden alten Haudegen der christlichen Soziallehre nicht. Gehör gefunden haben sie schon früher nur bedingt - auch wenn Blüm nicht ohne Wehmut auf die Jahre zurückblickt, in denen er unter Helmut Kohl seinem Verständnis von Sozialpolitik Gewicht verleihen konnte. Heute sitzt er nicht mal mehr als einfaches Mitglied in der Sozialstaatskommission seiner Partei. 2002 scheidet er aus dem Bundestag aus - Geißler übrigens auch.

Um so freier die beiden. Ihre Botschaft richtet sich wohl an Parteichefin Angela Merkel. Die leitet selbst jene CDU-Kommission zur "Neuen Sozialen Marktwirtschaft", die bis zum Sommer den Kurs der Partei neu bestimmen soll. Ihr legen Blüm und Geißler ans Herz, der SPD nicht nur die Wirtschafts-, sondern vor allem die Sozialkompetenz streitig zu machen. Geißler fasst das in eine Wahlkampfparole: Nicht mehr "Freiheit statt Sozialismus", sondern "Solidarität statt Kapitalismus". Ein neoliberaler und nationalkonservativer Kurs hingegen hätte fatale Folgen: Er "zementiert die CDU bundesweit im 30-Prozent-Turm", sagt Geißler.

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