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Kurt Beck und der Nürburgring: Landtag aktiviert Millionen-Rücklage für insolventen Nürburgring

Der Haushalts- und Finanzausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags stellt weitere 254 Millionen Euro für den insolventen Nürburgring bereit. Dabei hat die Landesregierung unter Kurt Beck bereits Millionen in den Sand gesetzt. Welche Konsequenzen hat das?

Auf dem höchsten Fußballberg Deutschlands, dem Betzenberg, im Stadion des 1. FC Kaiserslautern, sitzt Kurt Beck am liebsten. Das ist seine Welt. Fußball. Ein Grauen dagegen ist es dem Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, in die Kommandozentrale von Formel-1-Rennboss Bernie Ecclestone zu steigen. Wenn die Formel 1 am Nürburgring gastiert, überreicht Kurt Beck immer artig den Pokal und düst dann so schnell ab wie ein Rennauto. Seine Beziehung „zu dieser Art von Motorsport war nie sehr ausgeprägt“, hat er der „Süddeutschen Zeitung“ gerade verraten. Umso schlimmer ist es für den dienstältesten Ministerpräsidenten, seit 18 Jahren im Amt, dass die Pleite der landeseigenen Nürburgring GmbH seine Regentschaft ernsthaft gefährden könnte. Seit 2011 regiert er mit den Grünen, die immer gegen das Projekt waren. CDU und FDP fordern Becks Rücktritt. Der Rechnungshof hält die Finanzierung des 300-Millionen-Projekts Freizeitpark Nürburgring über Staatsschulden für rechtswidrig, und ein Gutachter der CDU will nachgewiesen haben, dass auch gegen EU-Beihilferegelungen verstoßen wurde. Dann wäre die Landesbank bankrott. Am Mittwoch kam der Landtag zu einer Sondersitzung zusammen, beschlossen wurde, dass der Haushalts- und Finanzausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags weitere 254 Millionen Euro für den insolventen Nürburgring bereitstellt. Die Mehrheit der rot-grünen Regierungsfraktionen beschloss am Mittwoch in Mainz gegen die Stimmen der CDU die Aktivierung einer entsprechenden Haushaltsrücklage. Damit steht das Land für einen Kredit der insolventen staatlichen Nürburgring GmbH in Höhe von 330 Millionen Euro bei der Investitions- und Strukturbank (ISB) ein.

Warum hat sich das Land für das Projekt engagiert?

Die Eifel ist eine strukturschwache Region. Becks Argument war immer, man müsse etwas für die Menschen tun. Den Nürburgring zu einer Art Erlebniswelt auszubauen, war aber schon in der letzten CDU-Regierung bis 1991 Thema. Die FDP als Koalitionspartner der SPD wollte das Projekt nie mittragen, erst als die Sozialdemokraten ab 2006 allein regierten, wurde es durchgesetzt. Bis heute wird Beck wütend, wird ihm vorgehalten, es handele sich um sein „Prestigeprojekt“. Doch das Bild des rechtschaffenen Landesvaters, das Beck gern selbst malt, ist durch die generelle Schuldenpolitik beschädigt. Die knapp 33 Milliarden Euro Schulden, heißt es im Jahresbericht des Rechnungshofes, „belasten den Landeshaushalt erheblich“. Die Experten prognostizieren 46 Milliarden Euro Schulden bis 2020, eine Verdoppelung des Standes von 2001.

Wie konnte es zur Insolvenz kommen?

Ursprünglich glaubte die SPD, man könne mit einem privaten Investor das Projekt stemmen. Doch der Beck-Vertraute und damalige Finanzminister Ingolf Deubel fiel auf einen unseriösen Investor herein und musste zurücktreten. Der Plan scheiterte 2009, und Rheinland-Pfalz stand in der Kreide für einen, wie Beck nun zugibt, überdimensionierten Freizeitpark mit Achterbahn, Kartbahn, Diskotheken, Ferienhäusern und Museum. Es kamen zu wenig Besucher.

Wieviel Geld geflossen ist

Welche Mittel wurden ausgegeben?

Viel Geld ist geflossen, aber das war nicht allein das Problem, sondern auch, wie es geflossen ist. Die landeseigene Nürburgring GmbH bediente sich bis zum geplatzten Deal mit dem Privatinvestor und auch noch danach aus dem sogenannten Liquiditätspool des Landes, der nichts anderes ist als ein Konto bei der Landeshauptkasse im Finanzministerium. Dieser Pool war einst die Idee des Landesrechnungshofs, er sollte dazu dienen, Geld von gut laufenden landeseigenen Gesellschaften zu sammeln, um es den schlechter postierten zur Überbrückung kurzfristiger Engpässe zu geben. Diese Art interner Finanzausgleich sollte den Vorteil haben, dass man sich nicht am Markt Geld teuer leihen musste. Doch im Pool waren wenig liquide Mittel, im Gegenteil, immer wieder musste das Land sogenannte Kassenverstärkungskredite aufnehmen, um den Liquiditätspool zu füllen. Die „Wirtschaftswoche“ berichtete, die SPD habe bis zu 700 Millionen Euro aufgenommen, ohne das Parlament zu fragen. „Das war rechtsmissbräuchlich, da die Kassenverstärkungskredite ohne jede parlamentarische Ermächtigung gewährt wurden“, sagte Rechnungshofpräsident Klaus Behnke dem Magazin. Auf Nachfrage im Finanzministerium heißt es, dass man im Landeshaushaltsgesetz für das Haushaltsjahr 2012 definiert habe, dass solche Kredite auch für die Zwecke des Pools genutzt werden dürfen. Der Rechnungshof selbst habe darum gebeten, dies wegen laufender Prüfungen nicht schon 2011 zu tun.

Als der Privatdeal platzte, musste das Land Rechnungen bezahlen. Die landeseigene Investitions- und Strukturbank (ISB) gewährte dem Freizeitpark einen Kredit von 330 Millionen Euro. Nur: Die ISB hatte das Geld gar nicht, auch hierfür musste das Land Kredit aufnehmen, der über den Liquiditätspool an die ISB weitergeleitet wurde und schließlich beim Freizeitpark landete. Die ISB rückversicherte sich, eigentlich ist die Finanzierung von Großprojekten nicht ihre Aufgabe, so dass das Land bei einer Insolvenz voll haften muss. Und so ist es gekommen, ein Insolvenzgeschäftsführer ist schon eingesetzt worden, aber der Streit geht weiter. Die EU-Kommission hat die gesamten Finanzierungsstrukturen untersucht und ist zunächst zu dem Schluss gekommen, alles sei „beihilfewidrig“. Noch prüft die Kommission, aber sehr wahrscheinlich wird sie urteilen: Der Nürburgring habe durch den 330-Millionen-Kredit einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil erhalten. Die Opposition geht noch weiter: Auch die ISB hätte gar kein Geld aus dem Liquiditätspool bekommen dürfen, auch das verstoße gegen EU-Regeln. Sollte sich diese Rechtsauffassung durchsetzen, was Experten der Landesregierung für unwahrscheinlich halten, dürfte das Land der ISB das Geld nicht zurückgeben und die ISB wäre pleite. Dann wäre Beck nicht zu halten.

Wie reagiert der Ministerpräsident?

Nach Informationen des Tagesspiegels wird er am heutigen Mittwoch, wie schon im „SZ“-Interview, Fehler eingestehen, Verantwortung übernehmen, aber auch darauf hinweisen, dass aus seiner Sicht das Land nicht handlungsunfähig werde, selbst wenn man 200 Millionen verliere. Allerdings hat Beck früher immer betont, dass der Nürburgring den Steuerzahler keinen Euro kosten würde. Der FDP-Finanzexperte im Bundestag und Landeschef von Rheinland-Pfalz, Volker Wissing, spricht deshalb von „Wahlbetrug“, er sagte dem Tagesspiegel: „Das war kein seriöses Banking, sondern Casino-Mentalität. Beck muss die Konsequenz aus seiner Mauschel-Kasse ziehen, die im Prinzip eine Schwarze Kasse ist, und zurücktreten.“ So sieht es auf Nachfrage auch CDU-Oppositionsführerin Julia Klöckner, die von der „größten staatlich organisierten Pleite in der Geschichte von Rheinland-Pfalz“ spricht. Klöckner zudem: „Dass eine Landesgesellschaft Insolvenz anmelden muss, ist auch bundesweit ein einmaliger Vorgang.“ Der Fraktionsvorsitzende des Grünen-Koalitionspartners, Daniel Köbler, sagte dem Tagesspiegel: „Die Insolvenz ist eine bittere Bestätigung für uns. Aber wir müssen nun konstruktiv mit anpacken. Von Kurt Beck erwarte ich, dass er in der gesamten Legislatur die Verantwortung übernimmt.“ Becks Umfragewerte sind zwar gesunken, aber nur eine Minderheit findet, er solle zurücktreten. Das wird er auch nicht tun.

Wie könnte es mit dem Nürburgring weitergehen?

Das eine sind die Formel-1-Rennen, das andere der Freizeitpark. Das Vergnügungsareal soll kleiner werden, vielleicht werden Teile verkauft, das ist nun Sache des Insolvenzverwalters. Dass die Formel 1 überhaupt kommt, dafür zahlen alle Strecken hohe Antrittspreise. Bis zu 20 Millionen Euro. Immer wieder wird nun kolportiert, Renn-Chef Ecclestone könnte sich selbst finanziell engagieren. Insider halten das für ausgeschlossen. Vielleicht geht er mit dem Antrittsgeld runter – mehr ist wohl nicht drin.

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