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Diese Aussage des Kandidaten in spe gefiel dem SPD-Nachwuchs besonders: „Ich stehe nur für eine rot-grüne Regierung zur Verfügung, für andere Spielchen nicht.“ Foto: Jens Wolf/dpa

© dpa

SPD: Kuschelkurs statt Shitstorm

Eigentlich ist die Abneigung beidseitig. Doch der Auftritt von Steinbrück bei den Jusos verläuft anders.

Sandra Brendel ist eisern. Die Nachwuchs-Sozialdemokratin aus Sachsen verzieht das Gesicht, schüttelt den Kopf, als auf einmal Jubel ausbricht unter einigen Jusos. Die Jugendorganisation der SPD hatte sich am Wochenende in Magdeburg zu ihrem Bundeskongress getroffen, um Anforderungen an das Wahlprogramm der SPD für 2013 zu formulieren. Einer, der dieses Programm maßgeblich den Menschen schmackhaft machen muss, ist Peer Steinbrück, der designierte Kanzlerkandidat der Partei. Und das Verhältnis zwischen ihm und den Jusos ist geprägt von gegenseitiger Abneigung. Zu viel Wirtschaft, zu wenig Soziales, so könnte man die Vorbehalte der Jusos zusammenfassen.

Viele rechneten deshalb mit einer harten Auseinandersetzung beim Besuch Steinbrücks in Magdeburg. Doch dann das. Lauter Applaus, nicht flächendeckend im Saal, aber verbreitet. Buhrufe sind nicht zu hören. Keine Beleidigungen, Pfiffe oder demonstrative Missachtung. Sandra Brendel wirkt angesichts dessen konsterniert – und sagt trotzig: „Für den Steinbrück mache ich trotzdem keinen Wahlkampf.“ Ihr bleibe der Kandidat suspekt. Vielen anderen Jusos sicher auch. Aber an diesem Abend sind sie weichgespült. Nach fast zwei Stunden Debatte sagte eine Jungsozialistin: „Das ist ja alles ganz flauschig hier.“ Kuschelkurs statt Shitstorm für Steinbrück.

Der Kanzlerkandidat in spe kündigte zwar an, seiner Meinung treu bleiben zu wollen, er verzichtete aber auf Provokationen und warb lieber um die Unterstützung der Jusos: „Ich brauche euch für die Mobilisierung dieses Wahlkampfes.“ Es sei schließlich besser, in der Regierung zu streiten als in der Opposition. Und Steinbrück entzückte das Juso-Herz auch mit einigen Versprechungen. So kündigte er an, das Ehegattensplitting in seiner jetzigen Form abschaffen zu wollen. Er ist gegen Waffenexporte nach Saudi-Arabien und er will Rot-Grün, sonst nichts. „Ich stehe nur für eine rot-grüne Regierung zur Verfügung, für andere Spielchen nicht.“ Er wolle einen Wahlkampf der klaren Differenzierung machen. Und vor allem werde er ein Kompetenzteam zusammenstellen, das paritätisch besetzt werde. „Vier Männer, vier Frauen“, sagte Steinbrück. Namen nannte er nicht, aber er wolle keine rollenspezifische Besetzung. Er kündigte an, sich ausführlicher zum Thema „erträglicher Wohnraum“ auf seinem Nominierungsparteitag Anfang Dezember in Hannover äußern zu wollen. Viel Applaus erntete Steinbrück für sein Eingeständnis, als Bundesfinanzminister „die ein oder andere Schraube falsch gestellt“ zu haben, etwa bei der Abgeltungssteuer. Worüber soll man sich da als Juso noch aufregen?

Ein paar Widerhaken legte Steinbrück dennoch aus. Etwa, als er eine differenzierte Debatte um die Vermögenssteuer anmahnte. Da sollten auch die Jusos die Frage im Blick haben, wie man mit der Besteuerung von Betriebsvermögen des Mittelstandes, meist von Familienbetrieben, umgehen wolle. Seinen Wunsch nach mehr Beinfreiheit brachte er auch ins Spiel. Wenn er die Möglichkeit habe, auch im Lager der Schwarz-Gelben zu wildern, dann sollten die Jusos ihn lassen, forderte er. Schließlich müsse er 60 Millionen Wähler ansprechen, was nicht immer nur mit der „lupenreinsten SPD-Position“ gelingen könne. Doch wirkliche Konfrontation kommt nicht auf.

Ein paar Stunden zuvor war das anders. Da entbrannte unter den Jusos eine hitzige Debatte. Nicht über Steinbrück, sondern über die Frage, ob es politisch korrekt ist, ein Fest zu 150 Jahren SPD „Deutschlandfest“ zu nennen. So plant es der Parteivorstand für den 16. August 2013. Vielen Jusos ist das zu nationalistisch. Die Berliner Jusos haben einen offenen Brief an den Parteivorstand geschickt. „Der ist aber noch unbeantwortet“, sagte der Chef der Berliner Jusos, Kevin Kühnert, dem Tagesspiegel. Er lehnt den Begriff ab: „Das ist der billige Versuch, das Fanmeilen-Publikum anzusprechen.“ SPD-Chef Sigmar Gabriel, der ebenfalls zu den Jusos sprach, hatte das Fest verteidigt – genau wie Heinz Buschkowsky. Der Neuköllner Bürgermeister ist bei den Jusos in Ungnade gefallen. Juso-Chef Sascha Vogt warf ihm vor, rassistische Ressentiments zu bedienen. Auch andere Jusos warnten später Steinbrück davor, sich mit den „Gruselgeschichten der Sarrazins und Buschkowskys gemein zu machen“. Doch Steinbrück ignorierte diese Debatte. Auch zum „Deutschlandfest“ musste er sich nicht äußern. Die Jusos hatten ihren Frust schon bei Gabriel abgeladen.

Und so bekam Steinbrück die gewünschte Unterstützung – selbst beim Thema Nebenverdienste. Steinbrück gab zu, dass er zu Berichten Anlass gegeben habe, „die dazu führen, dass nicht nur mir der Wind ins Gesicht bläst, sondern der Partei, euch als Jugendorganisation auch“. Er habe alles Nötige getan und offengelegt. „Ich wäre sehr dankbar, wenn sich die Republik jetzt den wirklich dringenden Problemen und politischen Themen in dieser Republik zuwenden könnte.“ Und dieser Linie folgten die Jusos. Die Debatte über die Nebeneinkünfte sei an Absurdität nicht mehr zu überbieten, sagte Vogt. Und so konnte Steinbrück am Ende sogar ganz beschwingt den roten Boxhandschuh schwingen, den er von den Jusos geschenkt bekommen hatte. „Für den linken Haken“, wie Vogt erklärte. Mit diesem Rückhalt habe er gar nicht gerechnet, gab Steinbrück zu und wurde ein wenig sentimental: „Das geht nicht nur in den Kopf, sondern auch in die Bauchlage.“

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