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Politik: Labour-Parteitag: In den Wettbüros führt Blair wieder

Tony Blair hat auf dem Parteitag in dem südenglischen Seebad Brighton die gefährlichsten Klippen seiner Amtszeit umschifft. Der Schweiß, den der Parteichef bei seiner Rede vergoss, hatte sich gelohnt.

Tony Blair hat auf dem Parteitag in dem südenglischen Seebad Brighton die gefährlichsten Klippen seiner Amtszeit umschifft. Der Schweiß, den der Parteichef bei seiner Rede vergoss, hatte sich gelohnt. Die Delegierten dankten ihm mit einer fünfminütigen Ovation, und die Londoner Buchmacher verdoppelten sofort seine Wahlchancen. Auch die in den letzten Wochen so kritische Presse fand wieder lobende Worte: "Staatsmännisch", heißt es in den meisten Kommentaren.

Blair war von dem hohen Sockel gestiegen, auf dem er zum Ärger der Briten zu thronen schien. Unumwunden übernahm er die Verantwortung für die Fehler, die seiner Regierung angelastet wurden. Er gab zu, dass er bei dem "Millennium-Dom" in London einen Fehler gemacht hatte und die Volksempörung über die hohen Benzinpreise gründlich unterschätzt habe. So verwischte er den fatalen Eindruck der "Arroganz der Macht", der seiner Popularität so geschadet hatte. "Wir haben die Botschaft begriffen", sagte der Premierminister schlicht zu weiteren Protesten von Rentnern gegen die kärgliche Erhöhung ihrer monatlichen Bezüge.

So stellte Blair den alten Ruf von Labour als "Partei, die zuhören kann", wieder her. Aber er machte gleichzeitig klar, dass Politik in einer Demokratie nicht auf der Straße gemacht werden kann. Als Regierungschef, so versicherte Blair, sei er die "Stimme für diejenigen, die zu schwach zum Protestieren sind und deren Stimme nicht von den Massenmedien unterstützt wird". An dieser Stelle seiner Rede erhielt Blair den stärksten Applaus. Sie bezeichnete eine dramatische Rückkehr zu den Prinzipien der traditionellen Labour-Partei. Gleichzeitig verpasste er den oppositionellen Konservativen, "die auf jeder populistischen Welle mitschwimmen", einen Schuss vor den Bug.

Gleichzeitig vergaß Blair jedoch nicht die Wähler der britischen Mittelschicht, die ihm den Einzug in die Downing Street ermöglicht hatten. Er lobte Ärzte, Lehrer und die Polizei - ohne sie wie sonst bei solchen Gelegenheiten durch Reformpläne zu verstören.

Verzicht auf die alte Litanei

Blair vermied es, die beachtlichen Erfolge seiner Regierungszeit wieder herunterzubeten und konzentrierte sich dafür auf die noch zu lösenden Probleme, die Labour nach einem neuen Wahlsieg angehen muss. Die Alternative dazu zeigte Blair in einer messerscharfen Kritik der konservativen Politik sozialer Kahlschläge, die alle Errungenschaften der dreijährigen Labour-Regierung zunichte machten. Zum Schluss seiner Rede wich Blair vom Manuskript ab und berief sich leidenschaftlich auf die persönlichen Moralvorstellungen und Werte, die ihn in die Politik geführt haben. Solidarität, die Überzeugung, dass es besser sei, zusammenzustehen, als einzeln zu kämpfen, und der Wunsch nach Einigung und Konsens seien es, die ihn für diese Vision eines gerechteren und wohlhabenderen Britannien streiten ließen. Aus diesem Grunde gehe er mit Elan und Zuversicht in den nächsten Wahlkampf, der ein "Kampf um das Herz und die Seele des Landes" würde. Damit schlug er den Bogen zu den euphorischen ersten Monaten seiner Amtsperiode. Blair steht wieder dort, wo er begonnen hat: Ein Politiker mit Prinzipien, Moral und Tatkraft, der auch Manns genug ist, Fehlschläge einzusehen und die Konsequenzen daraus zu ziehen.

Brighton ist der Wendepunkt in einer gefährlichen Popularitätskrise. Beliebtheit allein bedeutet aber nicht den Wahlerfolg. Schließlich wurde Margaret Thatcher zweimal als die "unpopulärste Regierungschefin in der Geschichte der Meinungsumfragen" in ihrem Amt bestätigt. Aber Blair weiß nur zu gut, dass die blendenden Wirtschaftsdaten, über die sich seine Regierung freut, schnell zur Gewohnheit werden. Sein Charisma und seine persönliche Beliebtheit ist von größter Bedeutung, um die schwierigste Hürde zu nehmen, die ihm noch bevorsteht: Die Volksabstimmung zum Beitritt zur Europäischen Währungsunion, von deren Ausgang die Zukunft Großbritanniens in diesem Jahrhundert abhängen wird.

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